Zusammenfassung
Festen Sinnes war der gelernte Schriftsetzer und Redakteur sozialdemokratischer Zeitungen seinen politischen Weg durch die Jahrzehnte gegangen, der ihn in das hohe Amt des Reichstagspräsidenten führte. Der Selbstentmachtung des Reichstags zu Beginn der Dreißigerjahre konnte freilich auch er, dessen objektive Amtsführung allseits hoch geschätzt wurde, nicht vorbeugen. 1932 wurde er von Göring abgelöst. Unerschrockenheit bewies Löbe auch am 23. März 1933 bei der Abstimmung über das so genannte Ermächtigungsgesetz, in einem Zeitpunkt, als viele seiner Kollegen schon verfolgt und eingekerkert waren und als das in der Kroll-Oper tagende Parlament von den braunen Bataillonen umzingelt war, die an den Eingängen handgreiflich Druck auf die „Marxisten“ ausübten. Selbstverständlich stimmte Löbe wie 93 seiner tapferen Kollegen gegen das Gesetz, und selbstverständlich erlitt er wie die meisten seiner Genossen während des „Dritten Reiches“ Gefängnis- und KZ-Haft. In der Zeit des Ungeists schlug er sich als Verlagskorrektor durch, ohne auch nur einen Millimeter seiner politischen Überzeugungen aufzugeben. Dies bestätigte die Sicherheitspolizei in einem Geheimbericht vom 31. Januar 1938: „Eine positive Einstellung zum nationalsozialistischen Staat ist von einem Mann im 66. Lebensjahr, der den weitaus größten Teil seines Lebens in marxistischen Doktrinen befangen war, kaum zu erwarten.“ In jenen Jahren traf er sich regelmäßig mit prominenten Angehörigen des Widerstands gegen das NS-Regime wie Julius Leber, Wilhelm Leuschner und Carl Goerdeler, der ihn auf seine Kabinettsliste setzte. Natürlich wurde auch Löbe im Zusammenhang mit dem 20. Juli 1944 verhaftet und monatelang festgesetzt. Aber er überlebte, und sofort nach dem Krieg stellte sich der Siebzigjährige in den Dienst des Wiederaufbaus. Im Parlamentarischen Rat bereitete er den Weg vor, der zu den Bundestagswahlen vom 14. August 1949 und schließlich zur Konstituierung des neu gewählten Parlaments am 7. September 1949 in Bonn führte.
Den gerechten und beharrlich seinen Vorsatz haltenden Mann, Nicht kann ihn der Bürger Wut, die Böses befehlen, Nicht der Blick des drohenden Tyrannen In seinem festen Sinn erschüttern.
Horaz
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Ferdinand, H. (2002). Fester Sinn: Paul Löbe 1875–1967. In: Ferdinand, H. (eds) Reden, die die Republik bewegten. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97558-4_1
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