Zusammenfassung
Aus der Perspektive der Gesetzgebung ist die Betreuung eine Maßnahme, die mangelnde Handlungskompetenz ausgleichen so11.116 Aus soziologischer Sicht lässt sich der Weg bis zur Einrichtung einer Betreuung als ein Konstruktionsprozess begreifen, in dessen Verlauf die soziale Wirklichkeit des/der Betreuten als soziales Faktum hervorgebracht wird. Es lässt sich nicht einfach ein Zusammenhang zwischen einer körperlichen oder psychischen Verfassung, daraus resultierender fehlender Handlungsfähigkeit und der Initiierung eines Betreuungsverfahrens annehmen. So erhielten beispielsweise nur ca. 10% der als „dement“ geltenden Menschen 1985/86 eine gesetzliche Vertretung. Auch von den psychisch Kranken, die aufgrund dieser Erkrankung in ihrer Handlungsfähigkeit erheblich eingeschränkt sind, sollen weniger als 20% einen gesetzlichen Vertreter erhalten haben.117
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Literatur
In 1987 wurde die Zahl dementer Menschen in den alten Bundesländern auf 850.000 bis 1,14 Mio. geschätzt (vgl. Deutscher Bundestag (Hrsg.): Enquete-Kommission zum Demographischen Wandel, Bonn 1994, S. 511). Doch nur ca. 85.000• also 10% - der als dement geltenden Menschen hatten eine gesetzliche Vertretung. (Berechnung nach Schätzungen von Mende: Psychiatrische Implikationen, 1986, S. 32 f.- Diagnosen zu Entmündigender). Schätzung für die psychisch Kranken vgl. Crefeld: Sozialarbeit und Medizin, in: BtPrax Nr. 1/93, Köln 1993, S. 4 ).
Die Analyse von 10 Vormundschaftsgerichtsakten untersucht, wie es iiberhaupt 118 Diese Aussage bezieht sich u.a. auf Diskussionen in der Forschungswerkstatt. Außenstehende vermuten, dass in der Akte z.B. viele biographische Informationen vorhanden sind. Tatsächlich ist aus dem Vorleben fast keine Information enthalten; auch Personenstandsdaten sind häufig unvollständig.
Grundgüter sind „Dinge, von denen man annimmt, dass sie ein vernünftiger Mensch haben möchte“. Dazu zählen Rechte, Freiheiten, Einkommen und Vermögen. Vgl. Rawls: Eine Theorie der Gerechtigkeit, 1979, S. 111
Vgl. § 1896 BGB: „(Voraussetzungen der Betreuung) Kann ein Volljähriger auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung….“ Laut Kommentierung (hierzu Jürgens § 1896, Rz 3 bis 6) gelten die anerkannten Krankheitsbilder der Psychiatrie als psychische Krankheit; anhaltende Beeinträchtigungen in Folge psychischer Erkrankung als seelische Behinderung und auch die geistige Behinderung wird nach der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) bestimmt. Lediglich die körperliche Behinderung wird nicht nach einer psychiatrischen Klassifikation beurteilt.
Vgl. Oberloskamp, Helga/ Schmidt-Koddenberg, Angelika/ Zieris, Ernst: Hauptamtliche Betreuer, 1992, S.124 ff. sowie Crefeld: Sozialarbeit und Medizin, in: PtPrax 1/93, S.3–8
Vgl. Nr. 199 BayObLG (Bayrisches Oberlandesgericht)— FGG § 68b I S.1. Dieses gilt jedenfalls dann, wenn es sich um eine psychische Erkrankung handelt (hierzu Jürgens, § 68b Rz 4)
Vgl. Castel: Die psychiatrische Ordnung, 1983, S. 10 und 110 ff. siehe auch Foucault, M.: Wahnsinn und Gesellschaft, 12. Auflage 1996. Medizin, Psychiatrie und Hospitalisierung bringen den „Wahnsinnigen“ erst hervor.
Es handelt sich hier nicht um das Gutachten gemäß § 68b FGG. Allerdings diente diese Stellungnahme als eine Entscheidungsgrundlage für eine vorläufige Betreuerbestellung im Wege einstweiliger Anordnung. Ein Sachverständiger wurde in diesem Beispiel erst 3 Monate später bestellt; das Gutachten sechs Monate später erstellt.
Auch Crefeld kritisiert die psychiatrischen Diagnosen als zu unspezifisch und ohne Aussagewert zum Erkennen der Lebenssituation der Betroffenen. Vgl. Crefeld: Sozialarbeit und Medizin, in: BtPrax Nr. 1. 93, S. 3–8
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) engagiert sich seit den sechziger Jahren um eine Verbesserung der Diagnostik und Klassifikation psychischer Störungen und veröffentlicht die klinisch-diagnostischen Leitlinien unter der Bezeichnung ICD- (Nummer der überarbeiteten Ausgabe) Kapitel V. Vgl. Weltgesundheitsorganisation: ICD-10 Kapitel V —übersetzt und herausgegeben von H. Dilling, 1993
Vgl. Castel: Die psychiatrische Ordnung, 1983, S. 123
Vgl. Castel: Die psychiatrische Ordnung, 1983, S. 126–134
Vgl. Weltgesundheitsorganisation: ICD-10 Kapitel V— übersetzt und herausgegeben von H. Dilling, 1993, S. 132: F30.0 Hypomanie
wurden die Ergebnisse einer Untersuchung über „die Bedeutung der Gestaltung amtlicher Texte im betreuungsrechtlichen Genehmigungsverfahren“ veröffentlicht. Die Verfasser analysierten 104 vormundschaftsrechtliche Genehmigungsverfahren aus den Jahren 1989–1991. Vgl. Bischof; Wolff: Die Welt und die Verfahrensakten, in: BtPrax Nr. 2.95, S. 48–55.
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During, M. (2001). Die Einrichtung einer Betreuung — aus der Perspektive des Vormundschaftsgerichts. In: Lebenslagen von betreuten Menschen. Forschung Soziologie, vol 145. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97556-0_4
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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