Zusammenfassung
Nach Durchsicht der Forschungsansätze zur politischen Sozialisationsforschung in der Familie (vgl. Kapitel I) hat sich gezeigt, daß es notwendig ist, nach einem sozialisationstheoretischen Konzept zu suchen, das als Folie für politische Sozialisationsprozesse in der Familie fungieren kann. Dabei ist m.E. zunächst einmal danach zu fragen, welche Bedeutung der Familie als primärer Sozialisationsinstanz zukommt, wie sich der Prozeß der Auseinandersetzung mit dem familialen Umfeld vollzieht und schließlich inwiefern die Familie in diesen Sozialisationsprozeß involviert ist.
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Literatur
Entscheidend ist für mich an dieser Stelle, daß der Sozialisationsprozeß ein aktiver Prozeß der Auseinandersetzung ist.
Eine andere grundlegende Sozialisationstheorie ist der Freudsche Ansatz der Psychoanalyse und deren Weiterführung durch Jung, Adler etc., in deren Mittelpunkt der strukturelle Konflikt zwischen den menschlichen Triebbedürfnissen und den Ansprüchen der Kultur steht. Ich beschranke mich hier auf die Theorie der symbolvermittelten Interaktion, weil sie mir für die Frage nach einem sozialisationstheorischen Konzept für politische Sozialisationsprozesse über mehrere Generationen einer Familie fruchtbarer erscheint (zudem hat sich Mead klar vom Freudschen Ansatz abgegrenzt, vgl. Mead 1993, 254 ff). Indirekt knüpfe ich an den Ansatz von Dawson und Prewitt (vgl. Kapitel 2) an, die aber noch von einem eher normativ orientierten Entwicklungskonzept der Entstehung eines ‚political self‘ im familialen Bezugsrahmen ausgingen.
Der Pragmatismus ist eine von Charles Sanders Peirce, William James und anderen begründete Lehre, die auch als „Philosophie der Handlung“ (Joas) bezeichnet werden kann und als die erste unabhängige amerikanische Strömung der Philosophie gilt.
Nach Joas (1980) liegt gerade in dieser Bezeichnung der Grund, warum Meads Werk über einen längeren Zeitraum irrtümlich dem klassischen Behaviorismus zugeordnet wurde. Erschwerend kam hinzu, daß Mead nie seinen Ansatz vollständig veröffentlicht hat — und auch nicht vorhatte, seinen Ansatz symbolvermittelter Interaktion in einem zusammenhängenden Werk nieder zu schreiben (vgl. Treibel 1997). Da das Werk von George Herbert Mead nur fragmentarisch vorliegt, werde ich mich auf verschiedene Arbeiten von Hans Joas bzw. diejenigen Aufsätze beziehen, die von Joas herausgegeben wurden. Außerdem werde ich mit dem von Charles Morris posthum veröffentlichten Werk von Mead „Geist, Identität und Gesellschaft“ arbeiten, obwohl Joas häufig darauf hingewiesen hat, daß „angefangen von Meads angeblicher Selbstbezeichnung als ‚Sozialbehaviorist‘ bis zu einigen der beliebtesten Zitate aus diesem Buch, wir eigentlich von Morris‘ und nicht von Meads Gedanken sprechen“ (Joas 1985, 8).
Problematisch ist hier die Begriffsbestimmung von IchIdentität bzw. abgekürzt Identität, bei Mead als self zu finden und bei Tugendhat als „Selbst“ gebraucht (vgl. Joas dazu 1980,17f). Ich werde durchgängig den Begriff Identität für „self“ gebrauchen und orientiere mich damit an dem Vorschlag von Joas (ebd.).
Hier greift Mead einen Gedanken aus Fröbels Kindergartenpädagogik auf (vgl. Mead I980b, 319).
An dieser Stelle setzt Meads pädagogische Kritik an, die ich aber hier leider nicht aufgreifen kann. Interessant wäre, Meads pädagogische Blickrichtung differenziert aufzugreifen und seine Schlußfolgerungen über das Verhältnis von kindlichem Spiel und zweckgerichteter Arbeit auszuführen (erste Überlegungen sind bei Krappmann 1985 zu finden).
Perspektivisch ließe sich dann auch der Politikbegriff anders fassen, nämlich als die Gesamtheit eines spezifischen kommunikativen Akts — also in Anlehnung an die Habermas‘ Theorie der kommunikativen Kompetenz (vgl. Habermas 1988).
Die „signifikanten Anderen“ sind m.E. eine Wortschöpfung der Autoren, zusammengesetzt aus dem signifikanten Symbol und den konkreten Anderen bei Mead. Zugleich machen aber Berger/Luckmann hier deutlich, wie zentral für sie die Bezugspersonen der Neugeborenen sind.
Andere Sozialwissenschaftlerinnen haben deshalb die sekundäre Sozialisation noch einmal von der tertiären Phase des Sozialisationsprozesses unterschieden (vgl. 2.2).
Eine ähnliche Kritik ist auch bei Jürgen Habermas zu finden, die ich aber an dieser Stelle nicht ausführen möchte (vgl. Habermas 1988 II, 210 ft).
Für sein Subjektmodell greift Hurrelmann auf einzelne Ansätze zurück, in denen Meads Konzeption weiter ausdifferenziert worden ist — so auf die Arbeiten des symbolischen Interaktionismus (Blumer) und auf den Ansatz der schichtspezifischen Sozialisationsforschung (Bernstein und Kohn). In der schichtspezifischen Sozialisationsforschung wird die Familie als sozialer Filter interpretiert, durch den gesellschaftliche Vorgaben an die nachwachsende Generation vermittelt werden. Je nach der ökonomischen, ökologischen und sozialen Lebenslage einer Familie werden die Kinder gut oder schlecht auf die sozialen und kognitiven Anforderungen in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen vorbereitet (vgl. Hurrelmann 1990, 58).
Hurrelmann bezeichnet die Überzeugungs und Werthaltungen der Erziehungspersonen als „’naive Psychologie’“ (vgl. Hurrelmann 1991, 12).
M.E. liegen hier auch die Wurzeln für die politische Denk und Ideengeschichte, in denen die Dimensionen von Utopie (Eutopie) — Distopie bedeutsam werden.
Es wäre aus meiner Sicht sinnvoll, dieses Modell auf eine politik und gesellschaftswissenschaftliche Fragestellung zu wenden, etwa nach dem „Umbruch in Ostdeutschland“.
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Bock, K. (2000). Sozialisationsprozesse und Dimensionen der Identität im Kontext des familialen Zusammenlebens. In: Politische Sozialisation in der Drei-Generationen-Familie. Forschung Erziehungswissenschaft, vol 103. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97492-1_3
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