Zusammenfassung
In 1.2 wurde in Anlehnung an de Haan (1998a, S. 31f) angenommen, daß der Konstruktivismus zu den Trends der Modernisierung und der nachhaltigen Entwicklung zählt, an denen sich die Anschlußfähigkeit der Umweltbildung erweisen muß. In Kapitel 2 und 3 habe ich gezeigt, daß es weder von der Umweltbildung noch von der Nachhaltigkeit oder von (reflexiver) Modernisierung eine einheitliche Vorstellung gibt. Ein genauer Blick auf den Konstruktivismus zeigt ähnliches: eine hochdifferenzierte und heterogene „Konstruktivismus-Landschaft“, die Diesbergen (1998, S. 161) gar „Dschungel“ nennt.1 Selbst der Radikale Konstruktivismus2, der durch seine Verneinung der Existenz einer objektiven Realität oder durch die These von der Erfmdung der Wirklichkeit3 bekannt und breit rezipiert wurde, erweist sich keineswegs als einheitlich. Die entscheidenden Unterschiede der verschiedenen Richtungen des Konstruktivismus liegen in der Frage, was unter der Wirklichkeit als eine vom Menschen konstruierte Wirklichkeit genau zu verstehen oder wer Subjekt ist (Individuum, soziale oder soziokulturelle Gruppe, allgemeines Kollektivsubjekt oder gar von Menschen ‚gemachte‘ gesellschaftliche Strukturen).4
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Literatur
Z. B. Watzlawick (1997a), von Foerster/von Glasersfeld u. a. (1997), von Glasersfeld (1997) Schmidt, S. J. (1996a u. 1996b ).
Leider wird die nützliche begriffliche Unterscheidung und Bezeichnung zwischen einer (subjektunabhängigen objektiven) Realität,also der ontologischen Ebene und der (subjektiven) Wirklichkeit als der phänomenalen Welt nicht allgemein benützt.
Die Ergebnisse der Tagung Umweltbildung und Konstruktivismus der DGfE vom November 1998 konnten hier nicht mehr berücksichtigt werden, weil der Tagungsband (de Haan/Bolscho (2000) erst lange nach Abschluß dieser Arbeit als Habilitationsschrift (August 1999) erschien. Die Langfassung dieses Kapitels (ca. 60 Seiten), das auf einem Vortrag auf dieser Tagung basiert, ist in diesem Tagungsband als selbständiger Aufsatz erschienen. Es wurden hier nur einige Überlegungen in gekürzter Formulierung sowie Ergebnisse übernommen. Auf die detaillierte Darstellung der verschiedenen erwähnten Konstruktivismen sowie auf den größten Teil der Literaturangaben wurde hier verzichtet.
S. Becker ( 2000d, Abschnitt 6, These 4.2). Gleichwohl hat der Radikale Konstruktivimus mit seinen provokanten und grundlegenden Überlegungen und Kritiken das Nachdenken über die bislang häufig zu wenig berücksichtigte individuelle und kommunikative Dimension der Wirklichkeitskonstruktionen gefördert, gerade auch in der Umweltbildung und ihrer Theorie.
In meinem Aufsatz (Becker 2000d) wurden bereits die wichtigsten Konstruktivismus-Diskurse und konstruktivismusrelevante Ansätze danach überprüft, inwieweit sie Anschlußfähigkeit und Relevanz für eine zukunftsorientierte Umweltbildung bzw. eine Bildung für nachhaltige Entwicklung haben. Die dort vorgenommene Gliederung in 10 Abschnitte orientierte sich an identifizierbaren Diskussionssträngen und an der historischen Abfolge: 1. Konstruktivistische Kunst und konstruktive Mathematik, 2.,Reformpädagogischer Konstruktivismus`, 3. Sozial-und erziehungswissenschaftlicher Konstruktivismus der 70er Jahre, 4. Materialistische Erkenntniskritik in den 70er Jahren, 5. Methodischer Kulturalismus, 6. Radikaler Konstruktivismus, 7. Sozialer und psychologischer Konstruktivismus, B. Gesellschaftliche Naturverhältnisse, 9. Sozialökologischer Konstruktivismus, 10. Pädagogischer Konstruktivismus der 90er Jahre. Bei den in einfache Anführungsstriche gesetzten Diskussionssträngen handelt es sich um bloße Arbeitsbezeichnungen.
Auch hinsichtlich dieser drei Diskussionsstrange möchte ich mich auf einige ausgewählte Aspekte und die Wiedergabe von Ergebnissen beschränken. Es sei hier nochmals auf die Langfassung (ca. 60 S.) dieses Kapitels (Becker 2000d) verwiesen.
Aus einem Teil dieser Ansätze wurden auch pädagogische Konsequenzen gezogen und didaktische Modelle entwickelt, insbesondere das historisch-genetische Prinzip tìir die naturwissenschaftliche Fachdidaktik, z. B. Pukies (1979). Zu eigenen frühen Überlegungen, die sich bereits auch auf die ökologische Krise bezogen, s. Becker (1985 u. 19866 ).
Weder die Naturwissenschaften noch ihre methodische Rekonstruktion sind allein zuständig ftlr das Wissen über Natur und das Mensch-Natur-Verhältnis (s. auch Hartmann/Janich 1996, S. 67).
Es handelt sich um die in eine Tabelle umgestaltete und erweiterte Grafik von Frindte ( 1995, S. 117, Abb. 4: Systemspezifische Ebenen der Wirklichkeitskonstruktion („Deute-Blume“)).
Solche Modelle stellen spezifische, praktische und/oder gedankliche Konstruktionen von Wirklichkeit dar, in denen Symbolisierungen und praktische, materiale und soziale Regulierungen zusammengefaßt sind, und die unter bestimmten pragmatischen Interessen und Handlungsregeln stehen und historisch veränderlich sind. Die Konstruktionen reichen von religiösen Symbolisierungen bis zu Computersimulationen (Jahn 1990, S. 33).
In Becker (2000d) werden vorgestellt: Krtlssel (1993 u. 1997), F. Heyting (1994 u. 1996), Arnold/Siebert (1995), Siebert (1996a u. 1996b), Voll (1997 u. 1998), Reich (1997a u. 1997b) und Kösel (1997).
Vgl. Giel/Hiller (1970 u. 1974) und Hiller (1973, 1975, 1976a u. 1976b ).
Herausgehoben und etwas ausführlicher als die anderen dargestellt wird dieser frühe konstruktivistische Ansatz primär wegen meines curricularen Erkenntnis-und Praxisinteresses (vgl. 1.6 und 5.9).
Eine ahnliche Auffassung vertritt auch Sieben (1995), der sich als Vertreter der Umweltbildung schon sehr früh zum Konstruktivismus genauer artikuliert hat.
Vgl. die Kritik von Diesbergen (1998, S. 261ft) an der radikal-konstruktivistischen Denkerziehung von Wyrwa (1995).
Siebert ( 1995, S. 452f) unterscheidet zwischen Information und Wissen. Informationen sind bloße Mitteilungen von,außen`, „Wissen dagegen ist eine Leistung des Subjekts: ich weiß etwas, ich bin mir eines Problems bewußt, mein Wissen begründet mein Gewissen.“
Vgl. die modelltheoretischen Überlegungen von Salzmann/Kohlberg (1983), die partiell mit konstruktivistischen Positionen übereinstimmen.
Der damit einhergehende Relativismus kann sich aus psychologischer Sicht bei der pädagogischen Arbeit als problematisch erweisen (Vgl. Abschnitt 4.4 und ReinmannRothmeier/Mandl 1996, S. 43f). Die grundsätzliche Konstruktivität und Selektivität der Erkenntnis hat zusammen mit der Vorstellung einer (relativen) kognitiven Autonomie in konstruktivistischen Sinne jedoch auch entlastende Funktion für die Aneignung komplexer Themen und die Lehrkraft.
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Becker, G. (2001). Konstruktivismen. In: Urbane Umweltbildung im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung. Ökologie und Erziehungswissenschaft, vol 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97486-0_4
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