Zusammenfassung
Eine Analyse der besonderen technologischen Möglichkeiten einer digitalen Lernumgebung führt zu der Feststellung, daß sich der weite und unbestimmte virtuelle Lernraum hinter dem Bildschirm eines Computers für die Lernenden in mindestens zehn neue Lernräume unterteilen läßt (vgl. Peters 1999). Auf Grund der besonderen technologischen Gegebenheiten ermöglichen sie didaktische Handlungen, von denen mehrere dem traditionellen Verständnis vom Lernen ungewöhnlich, wenn nicht gar fremd erscheinen. Die Lehr- und Lernsituationen in solchen virtuellen Räumen sind strukturell andere als in entsprechenden realen Lernräumen. Sie mit Aktivitäten nach traditionellen didaktischen Mustern zu besetzen, ist daher im Grunde unangemessen und muß in manchen Bereichen in die Irre führen. Mithin drängt sich die Frage auf, ob die neuen Lernräume in technologisch-spezifischer Weise erkannt und verstanden und zugleich genuinen didaktischen Zwecken nutzbar gemacht werden können. Es werden die möglichen didaktischen Vorteile einiger virtueller Lernräume skizziert und aufeinander bezogen. Daraus läßt sich ein Lehr- und Lernverhalten ableiten, das in einigen Punkten von dem Lehr- und Lernverhalten in realen Lernräumen gravierend abweicht. Nutzt man solche Abweichungen zusammen mit den unbestreitbaren Vorteilen der digitalen Lernumgebung, so kann ein neues Modell des autonomen und selbstgesteuerten Lernens entstehen, daß sich an dem didaktischen Modellen des entdeckenden und problemlösenden Lernens sowie am Leitbild des unabhängig forschenden Wissenschaftlers orientiert. Ein solches Modell dürfte gerade für Lernen im Informationszeitalter angemessen und erwünscht sein.
„Das Prinzip der Autonomie des Lernens wird in den multimedial fundierten Lernräumen verwirklicht, da in ihnen der einzelne, ohne Hilfe und Beistand von außen, aus eigenem Antrieb weiterlernen kann. Er wird schnell zu einem Stadium der Selbstbestimmung finden, aus dem heraus er seine eigene Lernevolution steuern kann. Dieses Stadium für jeden Bürger erreichbar werden zu lassen, ist eine grundlegende Aufgabe der künftigen Bildungspolitik.“
Gottwald/Sprinkart 1998, 56)
Dieser Aufsatz wurde zuerst in den Grundlagen der Weiterbildung: Prazishilfen (Luchterhand 1999) veröffentlicht.
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Peters, O. (2000). Ein didaktisches Modell für den virtuellen Lernraum. In: Marotzki, W., Meister, D.M., Sander, U. (eds) Zum Bildungswert des Internet. Bildungsräume digitaler Welten, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97472-3_9
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