Zusammenfassung
Bis weit in die 1980er Jahre war die politisch theoretische Auseinandersetzung mit Niklas Luhmann und seiner Theorie autopoietischer Systeme vor allem dadurch geprägt — und blockiert —, daß sie als konservativ kritisiert wird (vgl. z.B. Rödel/Frankenberg/Dubiel 1989: 143–154). Auf die Frage, wie es zu der Kritik gekommen ist, hat Luhmann (1987: 152) einmal in einem Interview geantwortet: „Mein Eindruck ist der, daß die progessive Seite mit bestimmten Theoriefiguren besetzt ist, und was nicht in diese Theoriefiguren paßt, ist dann das Gegenteil von progressiv, also konservativ. Dieses Stereotyp kommt aus der Selbsteinschätzung derjenigen, die es mir auferlegen.“ Bereits in dieser Stellungnahme deuten sich zwei wesentliche Merkmale der Luhmannschen Theorie an: Zum einen bringt sie zur Sprache, daß bei der Kommunikation einer Theorie nicht allein ihre Mitteilung durch den Theoretiker entscheidend ist, sondern auch die Art, wie sie verstanden wird. Zum anderen zeigt die Antwort an, daß Luhmann der Gebrauch von Unterscheidungen interessiert, die ihm zufolge die Gesellschaftsstruktur prägen. Die konservativ/progressiv-Unterscheidung ist dabei aus Luhmanns (1987: 152) Sicht „(...) nicht sehr bedeutsam. Wenn man wirklich konservativ ist, dann müßte man heute enorm viel ändern, um angesichts der vielfältigen Veränderungen etwas zu bewahren. Wie kann man in einer solchen Situation sinnvollerweise von ‚konservativ‘ reden?“
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Literatur
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b. kommentierte Literatur
Luhmann, Niklas (1981): Politische Theorie im Wohlfahrtsstaat. München.
Dies ist immer noch Luhmanns einzige Monographie, die sich ausschließlich der Politik annimmt. Insofern führt an ihr bis zum Erscheinen von,Die Politik der Gesellschaft’ (liegt bereits als Manuskript vor) kein Weg vorbei.
Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Frankfurt a.M.
Diesem Buch räumt Luhmann in zweifacher Hinsicht eine Schlüsselstellung ein: Zum einen ist alles bis dahin von ihm geschriebene aus seiner Sicht noch „Null-Serie“ gewesen und zum anderen betrachtet er es als die „Einleitung” zu seiner Gesellschaftstheorie. Dementsprechend hoch ist auch das Abstraktionsniveau, was allerdings nicht vor der Lektüre, sondern nur vor zu hohen Erwartungen an das eigene Verständnis als Warnung gesehen werden kann.
Luhmann, Niklas (1986): Ökologische Kommunikation. Opladen
Luhmann dekliniert die wichtigsten Funktionssysteme daraufhin durch, ob die ökologische Selbstgefährdung der modernen Gesellschaft in einem von ihnen angemessen bearbeitet werden kann. Es ist auch für Einsteiger gut lesbar und führt das analytische Potential der Theorie sehr ernüchternd (was stellenweise auch sehr zynisch erscheinen kann) vor.
Luhmann, Niklas (1987): Archimedes und wir. Interviews. Hg. von Dirk Baecker und Georg Stanitzek. Berlin
In den Interviews aus diesem Band erfährt man viel über die Theorie (ihre Ansprüche, ihr Vorgehen, ihre Konstruktion, ihre Entwicklung, ihre zentralen Fragestellungen) und ihren Autor (seine Arbeitsweise, seine Biographie).
Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. Frankfurt a.M.
Diese fast 1200 Seiten umfassende Monographie zieht anhand der eigenen Theorientwicklung und der vorgelegten Einzelanalysen zu Wirtschaft, Wissenschaft, Recht und Kunst der Gesellschaft eine Bilanz für die Gesellschaft im ganzen. Ein Teil des Buches ist bereits 1992 als Studienbuch auf italienisch erschienen, was sich in der deutschen extended version an der guten Lesbarkeit immer noch zeigt. Ein —fïir Luhmann untypisches —ausführliches Inhaltsverzeichnis ermöglicht zugleich einen schnellen problemorientierten Zugriff.
Soziale Systeme: Zeitschrift für soziologische Theorie
Diese seit 1995 zweimal im Jahr erscheinende Zeitschrift ist wohl der zur Zeit beste Auskunftgeber über die aktuellen Entwicklungen innerhalb der Luhmannschen Theorie. Heft 1 ,1998 führt u.a. ein komplettes Verzeichnis der Luhmannschen Schriften.
Kneer, Georg,Nassehi, Armin (1993): Niklas Luhmanns Theorie sozialer Systeme. Eine Einführung. München
Fuchs, Peter (1992): Niklas Luhmann — beobachtet. Eine Einführung in die Systemtheorie. Opladen
Beide Einführungen sind von ausgezeichneten Kennern der Luhmannschen Theorie geschrieben. Beiden gelingt es darum auch sehr gut, die Theorie einsteigergerecht — sehr systematisch bei Kneer und Nassehi, sehr spielerisch bei Fuchs — zu präsentieren.
Willke, Helmut (1992): Ironie des Staates. Frankfurt a.M.
Dieses Buch ist gerade aus politikwissenschaftlicher Perspektive sehr interessant, da es die Luhmannsche Theorie fair die Staatstheorie fruchtbar macht.
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Brodocz, A. (1999). Die politische Theorie autopoietischer Systeme: Niklas Luhmann. In: Brodocz, A., Schaal, G.S. (eds) Politische Theorien der Gegenwart. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97432-7_15
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Print ISBN: 978-3-322-97433-4
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