Zusammenfassung
Politischer Wandel im unabhängigen Afrika ist kaum demokratischer Natur gewesen. Anders als in Lateinamerika oder Osteuropa konnten die Staaten Afrikas zu Beginn der neunziger Jahre auch nicht an nennenswerte demokratische Erfahrungen im Sinne einer Redemokratisierung anschließen. Die gängige Einordnung der jüngsten politischen Reformen als Demokratisierungsprozesse verlangt daher nach einer terminologischen Klärung, die in diesem ersten Kapitel erfolgt.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
In der vielzitierten Formulierung von Hyden (1983: 7): “African countries are societies without a state ... the latter sits suspended in ‘mid-air’ over society.” Der Begriff des lame leviathan geht zurück auf Callaghy (1987).
Jackson/Rosberg (1982) argumentierten, das Überleben zahlreicher afrikanischer Staaten sei ein international achievement, insofern als die Regeln des internationalen Systems Regierungen von Staaten, die einmal als Teil der internationalen Staatengemeinschaft anerkannt worden seien, eine ‘negative’ Souveränität zubillige.
In einem von afrikanischen Politologen 1983 erstellten Sammelwerk zum state of the art (Barongo 1983) fehlt jede Eintragung zum Begriff Demokratie.
Vgl. etwa die Erklärung des African NGO-Steering Committee vom April 1986 (Nairobi) oder die unter dem Dach der UN-Regionalorganisation für Afrika (ECA) verabschiedete African Charter for Popular Participation in Development and Transformation von Februar 1990 (Arusha).
Dies war die zentrale These von Chazan (1982). Vgl. auch Fatton (1987), der die Wiedereinführung des Mehrparteiensystems in Senegal analog interpretierte.
Vgl. Jeffries (1993: 20): “In the absence of the establishment of relatively autono-mons government institutions committed to a national ‘public interest’, ‘democratic politics’ is likely to exacerbate rather than reduce problems of corruption, wastefulness and shortsighted economic policy formulation. “
Die neunziger Jahre haben zudem gezeigt, daß Neopatrimonialismus die Institutionalisierung von Mechanismen des friedlichen Machtwechsels durch Wahlen nicht verhindert.
Vgl. auch Nwokedi (1995), 24 oder Khagram (1993), 57. Gerade weil die ablaufenden Transitionsprozesse mit ihrer Betonung formaler politischer Reformen das Fortdauern sozialer Ungerechtigkeit und klientelistischer Abhängigkeiten ignorierten, und damit auch die Konsolidierungsmöglichkeiten dieser politischen Reformen fraglich blieben, wurde immer wieder versucht, jedenfalls für die Etappe der Konsolidierung Restbestände an inhaltlichen Mindeststandards zu retten. Verschiedene Autoren hatten in diesem Sinne bereits die Unabhängigkeit der politischen Akteure gegenüber dem Militär sowie eine Garantie der Partizipationserweiterung für die ländliche Bevölkerung durch institutionalisierte Formen von Dezentralisierung und Föderalismus als notwendige, “prozedural-sub-stantielle” Ergänzungen des Demokratiebegriffs in einem Dritte-Welt-Kontext formuliert.
Solche Argumentationsmuster sind auch in Transitionsregimen zur Hand, wenn Rückschläge, Defizite oder Inhaftierungen von Journalisten gerechtfertigt werden müssen.
Unter den vormals marxistischen Autoren sehen nur Claude Ake und Dan Nabudere die Rückkehr zu den cultural roots als Ausweg aus der politischen Krise.
Insofern kann Huntingtons (1991:6) Diktum kaum Geltung für Afrika beanspruchen: “By the 1970s the debate was over, and Schumpeter had won. “
Auch Dahl (1971) hatte accountability als zentralen Bestandteil der Demokratie bezeichnet, darunter aber ein in jedem Fall kompetitives Modell verstanden und in einer früheren Publikation darauf hingewiesen, daß das Fehlen von Oppositionsparteien “evidence, if not always conclusive proof, for the absence of democracy” sei (Dahl 1966: xvi).
Für den Fall der Côte d’Ivoire hat nur Bakary (‘La democratisation par le haut’, 1992) einen solchen inkrementalen Wandel von der semi-kompetitiven zur kompetitiven Demokratie angenommen. Für Kenia vgl. die Charakterisierung als consociational democracy bei Berg-Schlosser (1985).
Vgl. die Untersuchung Mehlers zu Kamerun (1993: 26) in der auch “die eher technische Seite eines demokratischen Obergangs” in den Vordergrund gestellt wird, obwohl erst eine Zusammenführung der beobachtbaren Politik von ‘oben’ und von ‘unten’ wirklichen Erkenntnisgewinn verspreche. Dieses Vorgehen bedeutet zugleich, wie Mehler einräumt, den Partizipationsgewinn einer uncaptured peasantry aus dem Untersuchungsdesign auszuschließen.
Es geht an dieser Stelle nicht um die Erklärung dieser Prozesse, sondern lediglich um eine beschreibende Darstellung typischer Abläufe.
Wenn es auch ohne politische Opposition zur Einleitung von Liberalisierungsprozessen kam, dann verweist dies bereits auf veränderte internationale Bedingungen und den Einfluß externer Akteure, der weiter unten in Kapitel 2 ausführlich diskutiert wird.
Formelle oder informelle Pakte, die alle bedrohten Interessen einvernehmlich berücksichtigt hätten, wären angesichts geringer politischer Institutionalisierung und nicht-korpora-tistischer Interessenvertretung schwierig zu realisieren gewesen, vgl. Bratton/van de Walle (1994: 465) und Hermet (1993: 412): “Ce qui a manqué aux stratèges africains de la démocratie à l’amiable n’est pas seulement l’honnêteté des intentions. C’est, tout, autant la présence autour de la table des négociations d’interlocuteurs avertis et représentatifs d’intérêts quelque peu consistants. “
Vgl. für diesen Subtyp auch Luckham (1994), 51 f., der zu dieser Grappe auch Simbabwe zählt, insofern als hier die Möglichkeit einer Alternanz nicht gegeben war.
Insofern verfehlt die aus der radikalen Ecke vorgebrachte Kritik an der Schumpeterschen Elitenkonkurrenz oft ihr Ziel. In einigen afrikanischen Staaten wäre viel erreicht, wenn ein politischer Wettbewerb zwischen Eliten durch prozedural einwandfreie Wahlen garantiert wäre. Zu oft wird eine post-autoritäre Wirklichkeit, die vom Idealmodell der Demokratisierung weit entfernt bleibt, am Idealbild einer popular democracy gemessen.
Lemarchand (1992b: 181) kam bei Zugrundelegung variierender Kriterien und einem reduzierten set von Fällen zum entgegengesetzten Resultat, d.h. Reformen von oben als Erfolgsweg. Vgl. auch die Kritik von Nohlen/Thibaut (1994: 216) an der auf Lateinamerika bezogenen Literatur zum Zusammenhang von Transitionsmodus und Transitionsout-come.
Zuletzt haben Bratton und van de Walle (1997: 120) vier verschiedene transition outcomes unterschieden und neben precluded und democratic transitions als negativem und positivem Extrem die zwei Zwischenkategorien der blocked transitions und der flawed elections eingeführt.
Rights and permissions
Copyright information
© 1999 Leske + Budrich, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Hartmann, C. (1999). Politischer Wandel und Demokratisierung in Afrika. In: Externe Faktoren im Demokratisierungsprozeß. Junge Demokratien, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97429-7_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97429-7_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-8100-2206-6
Online ISBN: 978-3-322-97429-7
eBook Packages: Springer Book Archive