Zusammenfassung
Der Begriff „Sustainability“ ist auf dem besten Wege, unter der Bezeichnung „Nachhaltigkeit“ Karriere in ökologischen und gesellschaftspolitischen Diskursen zu machen. Zu seiner weiteren Popularisierung und Verbreitung in der deutschsprachigen Öffentlichkeit trägt sicherlich die Studie des Wuppertal Instituts (vgl. BUND/Misereor 1996) bei, die den treffenderen Begriff „Zukunftsfähigkeit“ verwendet.1 Die begrüßenswerten Debatten in ganz unterschiedlichen wissenschaftlichen, politischen, sozialen, kulturellen, institutionellen oder nationalen Kontexten bringen es unausbleiblich mit sich, daß der Begriff „Sustainable Development“, seine Leitbilder und die jeweils abgeleiteten Maßnahmen sehr unterschiedlich gefüllt oder kritisiert werden.2 Dabei geraten Kerngedanken wie die einer sozialen, internationalen und intergenerationalen Gerechtigkeit und einer Kooperation und Partizipation auf allen Ebenen zuweilen aus dem Blick. Diese Ungeklärtheiten, Schwierigkeiten und Unsicherheiten spiegeln sich auch in dem noch jungen umweltpädagogischen Diskurs zur Nachhaltigkeitwider. Als unverzichtbare Bedingung Nachhaltiger Entwicklung gilt eine demokratische Problemlösung auf kommunaler Ebene (Lokale Agenda 21), insbesondere in den Städten. Dort findet die globale Krise zwar ihre schärfsten Ausprägungen, besonders in den „Megastädten“ der Dritten Welt, aber sie enthalten auch das größte Potential einer möglichen Bewältigung. Neuere stadtökologische Untersuchungen zeigen, daß die städtischen Bedingungen ökologisch auch eine Reihe von Vorteilen gegenüber dem ländlichen Raum bieten. Angesichts einer weltweit ungebrochenen und kaum umkehrbaren Tendenz der Verstädterung3 erscheint es zumindest plausibel, daß die Bewältigung der ökologischen Krise und der Übergang zu einer Nachhaltigen Entwicklung sich ganz wesentlich in den Städten (Sustainable Cities) entscheiden wird und mit ihnen erfolgen muß. Das gestiegene Bewußtsein von der Krise der Städte hat sich inzwischen in einer starken Zunahme stadtbezogener Literatur1 und einigen politischen Beschlüssen auf internationaler Ebene (zuletzt im Juni ‘96 im Rahmen der UN-Konferenz HABITAT II)2 und nationaler Ebene (vgl. Deutscher Städtetag 1995) sowie in Zusammenschlüssen und ersten praktischen Aktivitäten von Städten niedergeschlagen. An dieser Entwicklung gemessen, wird im 1. Teil die Umweltpädagogik in Deutschland hinsichtlich des Themenfeldes Stadt als defizitär charakterisiert. Im Rahmen der Skizzierung einiger stadtbezogener Ansätze wird auch ein eigenes lokales Projekt dargestellt, das den praktischen Hintergrund der Ausführungen bildet. In Teilt werden die Ergebnisse der unter pädagogischen Gesichtspunkten vorgenommenen Auswertung neuerer stadtbezogener Literatur vorgestellt und einigen Ursachen des derzeit sehr geringen gesellschaftlichen Stellenwertes der (städtischen) Umweltbildung nachgegangen. In Teil 3 geht es schließlich um einige pädagogische Aspekte einer zukunftsfähigen, urbanen Umweltbildung3 und die Reflexion von Zukunftschancen auf lokaler Ebene.4
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Literatur
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Becker, G. (1998). Zukunftsfähige Stadtentwicklung und die Zukunft lokaler Umweltbildung. In: de Haan, G., Kuckartz, U. (eds) Umweltbildung und Umweltbewußtsein. Schriftenreihe „Ökologie und Erziehungswissenschaft“ der Arbeitsgruppe „Umweltbildung“ der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, vol 1. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97397-9_15
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