Skip to main content

Die Rationalität, die Moderne und der Holocaust

  • Chapter
Genozid und Moderne

Zusammenfassung

Die Geschichte des Genozids an den europäischen Juden ist ein zu wichtiges Thema, als daß wir uns vermeintlich eindeutigen Erklärungsmustern hingeben sollten. Den millionenfachen Opfern, aber auch einer in Deutschland erst am Anfang stehenden Vergleichenden Genozidforschung2 ist wenig geholfen, wenn wir uns übergroßer Begriffe und Konzeptionen bedienen, um diesen ungeheuerlichen Vorgang auch nur annähernd zu erklären versuchen. Dieser Vorwurf dürfte vor allem für viele Philosophen gelten, denen die allgemeine und eindeutige Rede vom »nazistischen Rationalismus.«3 zur beliebten, weithin anerkannten Tatsache geworden ist, die zudem bei einigen eine über den Gegenstand hinausweisende umfassende zivilisations-, modernitäts-oder liberalismuskritische4 und darüber hinaus nicht selten auch eine geschichtsphilosophisches Bedeutung erhält. So wird der Nationalsozialismus, dessen »blutige Macht« man in »der Ver-nunft« und ihrer »Folter«6 verkörpert sieht und mithin als »rationale(n) Terror«7 begreift, im wesentlichen als die Ausprägung einer »seit Jahrhunderten verherrlichte(n) Vernunft.«8 und damit als ein Ergebnis der einseitig die »mathematisch-technische Vernunft« begünstigenden »europäischen Aufklärung«9 verstanden. Aber auch unter namhaften Historikern und Soziologen gibt es einige, die glauben, ihre durchaus wertvollen und umfassenden empirischen Untersuchungen über die nationalsozialistischen Vernichtungslager mit einer generalisierenden Verurteilung der Aufklärung, der Moderne und ihrer Rationalität untermauern zu müssen.10 Für die erneuten Bestrebungen, der Vernichtung der Juden im Dritten Reich vornehmlich rationale Motive zuzuschreiben, so daß Auschwitz als die Ausprägung eines für den »Geist der Moderne«11 typischen »instrumentellen Rationalismus«12 erscheint, sind vor allem die Schriften von Zygmunt Bauman symptomatisch — ein Autor, der sich implizit zu einer Rationalitätskritik, wie sie von Horkheimer und Adorno betrieben worden ist, bekennt,13 und dessen Thesen vom Zusammenhang von Genozid und Moderne zum Leitthema der Tutzinger Tagung wurden.

A political society... has a way of formulating its plans, of putting its ends in an order of priority and of making its decisions accordingly. The way a political society does this is its reason; its ability to do these things is also its reason, though in a different sense: it is an intellectual and moral power, rooted in the capacities of its human members.

John Rawls

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 49.99
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
Softcover Book
USD 84.99
Price excludes VAT (USA)
  • Compact, lightweight edition
  • Dispatched in 3 to 5 business days
  • Free shipping worldwide - see info

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Preview

Unable to display preview. Download preview PDF.

Unable to display preview. Download preview PDF.

Literatur

  1. Rawls, John: Political Liberalism, New York 1993, S. 212f.

    Google Scholar 

  2. Der Begriff »Genozid« wurde von Raphael Lemkin erstmals 1944 im Zusammenhang mit den Verbrechen der Nationalsozialisten verwendet, in der Folge aber auch, da ja das Phänomen des Völkermords nicht neu ist, vor allem im Zusammenhang mit dem Massenmord an den Armeniern im Osmanischen Reich, siehe: Axis Rule in Occupied Europe, Washington: Carnegie Endowment for International Peace, 1944, S. 75–95.

    Google Scholar 

  3. Horkheimer, Max: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft, Frankfurt a.M. 1985, S. 119.

    Google Scholar 

  4. Vgl. Schäfer, Michael: Die »Rationalität« des Nationalsozialismus. Zur Kritik philosophischer Faschismustheorien am Beispiel der Kritischen Theorie, Weinheim 1994, insbesondere S. 35ff. Zur allgemeinen Gleichsetzung von Rationalitäts-und Liberalismuskritik bei nichtmarxistischen Autoren vgl. Holmes, Stephen: Anatomy of Antiliberalism, Cambridge/ Mass. 1993; ders.: Passions and Constraint. On the Theory of Liberal Democracy, Chicago 1995.

    Google Scholar 

  5. Vgl. hierzu: Schäfer, Michael: Die Hegelsche Geschichtsphilosophie und die vernunftkritischen Faschismustheorien der Kritischen Theorie, in: Hegel-Jahrbuch 1995, Berlin 1996, S. 244ff.

    Google Scholar 

  6. Foucault, Michel: «Die Folter, das ist die Vernunft.« Ein Gespräch Knut Boesers mit Michel Foucault, in: Literaturmagazin 8, 1977, S. 64f.

    Google Scholar 

  7. Lyotard, Jean-Français: Der Widerstreit, München 1987, S. 177; vgl. ferner ders.: Histoire universelle et differences culturelles, in: Critique 456, XLI, 1985, S. 563.

    Google Scholar 

  8. Heidegger, Martin: Holzwege, Frankfurt a.M. 1950, S. 247.

    Google Scholar 

  9. Lorenzen, Paul: Die Aufgabe politisch-ethischer Bildung, in: Zerstörung des moralischen Selbstbewußtseins: Chance oder Gefährdung? Praktische Philosophie in Deutschland nach dem Nationalsozialismus, hrsg. Forum für Philosophie, Frankfurt a.M. 1988, S. 143.

    Google Scholar 

  10. So zum Beispiel Kogon, Eugen: Der SS-Staat. Das System der deutschen Konzentrationslager, München 1989, S. 23; Mosse, George L.: Towards the Final Solution. A History of European Racism, New York 1978; Aly, Götz/Heim, Susanne: Vordenker der Vernichtung. Auschwitz und die deutschen Pläne für eine europäische Ordnung, Hamburg 1991; dies.: Sozialplanung und Völkermord. Thesen zur Herrschaftsrationalität der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik, in: Vernichtungspolitik. Eine Debatte über den Zusammenhang von Sozialpolitik und Genozid im nationalsozialistischen Deutschland, hrsg. von Wolfgang Schneider, Hamburg 1991.

    Google Scholar 

  11. Bauman, Zygmunt: Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust, Hamburg 1992, S. 108.

    Google Scholar 

  12. Ebd., S. 32, auch S. 130.

    Google Scholar 

  13. Bauman, Zygmunt: Moderne und Ambivalenz. Das Ende der Eindeutigkeit, Hamburg 1992, S. 32.

    Google Scholar 

  14. Horkheimer, Max: Die Juden und Europa, in: Zeitschrift für Sozialforschung/Studies in Philosophy and Social Science 8, 1939/40, S. 116; Horkheimer, Max/Adorno, Theodor W.: Dialektik der Aufklärung. Philosophische Fragmente, Frankfurt a.M. 1986, S.IX u. 3. Vgl. hierzu auch Bauman, für den feststeht, daß die modernen «Normen und Institutionen… den Holocaust erst durchführbar« gemacht haben, in: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 102. Daß er dabei die politischen und rechtlichen Bereiche, die liberalen Elemente, die der Idee der Moderne auch innewohnen, ebenso wie Horkheimer und Adorno ausklammert, darauf kann ich hier nicht weiter eingehen, vgl. dazu meine Ausführungen in: Schäfer: Die «Rationalität« des Nationalsozialismus (Anm. 4), und insbesondere auch: Mommsen, Hans: Nationalsozialismus als vorgetäuschte Modernisierung, in: Der historische Ort des Nationalsozialismus, hrsg. von Werner Pehle, Frankfurt a.M. 1990, S. 31ff.; ders.: Der Nationalsozialismus und die Auflösung des normativen Staatsgefüges, in: Verfassungsstaat, Souveränität, Pluralismus, hrsg. von Wolfgang Luthardt und Alfons Söllner, Opladen 1989, S. 67ff.

    Google Scholar 

  15. Bauman: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 31 und 43, auch S. 108.

    Google Scholar 

  16. Parsons, Talcott: Demokratie und Sozialstruktur in Deutschland vor der Zeit des Nationalsozialismus, in: ders.: Beiträge zur soziologischen Theorie, Darmstadt 1964.

    Google Scholar 

  17. Lukäcs, Georg: Die Zerstörung der Vernunft. Der Weg des Irrationalismus von Schelling zu Hitler, Berlin 1955.

    Google Scholar 

  18. Wellmer, Albrecht: Die Bedeutung der Frankfurter Schule heute, in: Die Frankfurter Schule und die Folgen, hrsg. von Axel Honneth und Albrecht Wellmer, Berlin u.a. 1986, S. 27; vgl. auch Fetscher, Iring: Aufklärung und Gegenaufklärung in der Bundesrepublik, in: Aufklärung und Gegenaufklärung in der europäischen Literatur, Philosophie und Politik von der Antike bis zur Gegenwart, hrsg. von Jochen Schmidt, Darmstadt 1989, S. 522–547.

    Google Scholar 

  19. Bauman: Dialektik der Ordnung (Anm. 4), S. 11. Vgl. auch seinen Beitrag «Der Holocaust ist nicht einmalige. Ein Gespräch, in: Die Zeit vom 23.4.1993.

    Google Scholar 

  20. Bauman: Moderne und Ambivalenz (Anm. 13), S. 34.

    Google Scholar 

  21. Bauman: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 32, 24 und 43.

    Google Scholar 

  22. Ebd., S. 31.

    Google Scholar 

  23. Siehe hierzu Schäfer: Die »Rationalität« des Nationalsozialismus (Anm. 4), S. 110ff., 152ff., 163ff.

    Google Scholar 

  24. Ebd., S. 22, Anm. 18.

    Google Scholar 

  25. Ich beziehe mich hierbei im wesentlichen auf die Ausführungen in »Die `Rationalität’ des Nationalsozialismus« (Anm 4).

    Google Scholar 

  26. Schluchter, Wolfgang: Die Entwicklung des okzidentalen Rationalismus. Eine Analyse von Max Webers Gesellschaftsgeschichte, Tübingen 1979, S. 191 und 193.

    Google Scholar 

  27. Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriß der verstehenden Soziologie, Tübingen 1985, S. 13.

    Google Scholar 

  28. Ebd.

    Google Scholar 

  29. Ebd., S. 12.

    Google Scholar 

  30. Ebd., S. 13.

    Google Scholar 

  31. Ebd., S. 12.

    Google Scholar 

  32. Ebd.

    Google Scholar 

  33. Thyen, Anke: Negative Dialektik und Erfahrung. Zur Rationalität des Nichtidentischen bei Adorno, Frankfurt a.M. 1989, S. 56.

    Google Scholar 

  34. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft (Anm. 27), S. 12.

    Google Scholar 

  35. Weber, Max: Wissenschaft als Beruf, in: ders.: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1973, S. 605.

    Google Scholar 

  36. Friedländer, Saul: Haß war die treibende Kraft. Die Vernichtung der europäischen Juden, in: »Juden und Deutsche«, Spiegel-Spezial 2, 1992, S. 37. Daß reiner Haß bei einigen nationalsozialistischen Führungskräften durchaus die treibende Kraft war und die anti-semitische Theorie nur die äußere Ausdrucksform, belegt Friedländer mit mehreren Zitaten. Hier sei nur die frühe Äußerung des jungen Goebbels wiedergegeben, der am 2. Juli 1924 in sein Tagebuch schrieb: »Wenn ich in Deutschland zu sagen hätte, dann würden Sie (Maximilian Harden) heute noch im Verein mit Herrn Warburg, Herrn Louis Hagen, Herrn Nathan und etlichen anderen gelben Lümmeln im Viehwagen über irgendeine Grenze geschoben.«

    Google Scholar 

  37. Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft (Anm. 3), S. 15.

    Google Scholar 

  38. Ebd., S. 93f.

    Google Scholar 

  39. Thyen: Negative Dialektik und Erfahrung (Anm. 33), S. 230.

    Google Scholar 

  40. Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft (Anm. 3), S. 101.

    Google Scholar 

  41. Hubig, Christoph: Instrumentelle Vernunft und Wertrationalität. Von der Unterscheidung Praxis-Poiesis zur falschen Alternative in der Gegenwart, in: Naturverständnis und Naturbeherrschung. Philosophiegeschichtliche Entwicklung und gegenwärtiger Kontext, hrsg. von Friedrich Rapp, München 1981, S. 165f.

    Google Scholar 

  42. Ebd., S. 166.

    Google Scholar 

  43. Ebd.; vgl. dazu auch insbesondere: Rescher, Nicholas: Rationalität. Eine philosophische Untersuchung über das Wesen und die Begründung der Vernunft, Würzburg 1993, S. 116.

    Google Scholar 

  44. Thyen: Negative Dialektik und Erfahrung (Anm. 33), S. 230.

    Google Scholar 

  45. Myrdal, Gunnar: Das Zweck-Mittel-Denken in der Nationalökonomie, in: Zeitschrift für Nationalökonomie 4, 1933, S. 310–312.

    Google Scholar 

  46. Siehe dazu: Habermas, Jürgen: Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln, Frankfurt a.M. 1983, S. 53, der sich hier auf Maclntyres Studie »After Virtue, Study in Moral Theory« bezieht, worin es heißt: »Reason is calculative; it can assess truths of fact and mathematical relations but nothing more. In the realm of practice it can speak only of means. About ends it must be silent.’ Eine andere typische Formulierung findet man bei Fritz Loos: »Die Wertrationalität wird entwertet, die Zweckrationalität in der Weise verselbständigt, daß ihre Angewiesenheit auf die Wertgebung nicht mehr deutlich ist«, in: Zur Wert-und Rechtslehre Max Webers, Tübingen 1970, 117ff. und S. 124.

    Google Scholar 

  47. Habermas, Jürgen: Theorie des kommunikativen Handelns, Bd. 1, Frankfurt a.M. 1981, S. 385. Daß Zwecke ausschließlich egoistisch sein müßten, darüber findet man bei Weber nichts: Zweckrationalist ein soziales Handeln, das seinem «gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist«, wenn es bestimmt ist »durch Erwartungen des Verhaltens von Gegenständen der Außenwelt und von anderen Menschen und unter Benutzung dieser Erwartungen als `Bedingungen’ oder als `Mittel’ für rational, als Erfolg, erstrebte und abgewogene eigene Zwecke«. Inhalte einer »(s)oziale(n) Beziehung«, einem «seinem Sinngehalt nach aufeinander gegenseitig eingestelltes und dadurch orientiertes Sichverhalten mehrerer« können die »allerverschiedenste (n) sein: Kampf, Feindschaft, Geschlechtsliebe, Freundschaft, Pietät, Marktaustausch, ‘Erfüllung’ oder ’Umgehung’ oder ’Bruch’ einer Vereinbarung… «, in: Wirtschaft und Gesellschaft (Anm. 27), S. 12f.

    Google Scholar 

  48. Bader, Veit-Michael: Kollektives Handeln. Protheorie sozialer Ungleichheit und kollektiven Handelns, Teil 2, Opladen 1991, S. 65 und 77, Anmerkung 37. Vgl. Hösle, Vittorio: Zur Dialektik von strategischer und kommunikativer Rationalität, in: ders.: Praktische Philosophie in der modernen Welt, München 1992.

    Google Scholar 

  49. Hösle, Vittorio: Die Krise der Gegenwart und die Verantwortung der Philosophie. Transzendentalpragmatik, Letztbegründung, Ethik, München 1990, S. 80; ders.: Zur Dialektik von strategischer und kommunikativer Rationalität (Anm. 48), S. 68.

    Google Scholar 

  50. Putnam, Hilary: Vernunft, Wahrheit und Geschichte, Frankfurt a.M. 1990, S. 279ff.

    Google Scholar 

  51. Rescher vertritt hier allerdings zu Recht eine andere Meinung, insofern, als er meint, daß es ein schwerwiegender Fehler sei, zu behaupten, »daß man über Werte nicht streiten kann - daß Werte einfach eine Seite des Geschmacks sind und deshalb jenseits des Bereichs der Vernunft… Die Tatsache, daß gültige Werte auf unsere Bedürfnisse und unsere angemessenen Interessen abzielen und diese beinhalten, bedeutet, daß eine rationale Kritik von Werten nicht nur möglich, sondern notwendig ist…. Rationales Verhalten verlangt nicht nur die Befriedigung, es verlangt ebensowohl das Management von Wünschen. Entscheidend ist die Frage der Angemessenheit. Und bezüglich dieses Problems können die Menschen irrational sein - und sind es oft auch; nicht nur gedankenlos, sondern sogar pervers und verrrückt», in: Rationalität (Anm. 43), S. 117f.

    Google Scholar 

  52. Hume, David: A Treatise an Human Nature, Buch II, Teil III, Abt. 3. Auch unter Ökonomen ist diese These populär. Herbert A. Simon, dem für seine Arbeiten über Entscheidungsprozesse in ökonomischen Organisationen der Nobelpreis zuerkannt wurde, schreibt: »Während die Vernunft uns also sehr gut helfen kann, Mittel zum Erreichen unserer Ziele zu finden, kann sie über die Ziele selbst wenig aussagen…. Wir sehen, daß die Vernunft im ganzen nur ein Werkzeug ist…. Sie ist ein Söldner, der sich in den Dienst jedweder Sache stellt, ob gut oder böse», in: Homo rationalis. Die Vernunft im menschlichen Leben, Frankfurt a.M. u.a. 1993, S. 15f.

    Google Scholar 

  53. Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft (Anm. 3), S. 17.

    Google Scholar 

  54. Hannah Arendt: Die vollendete Sinnlosigkeit, in: Nach Auschwitz, Essays & Kommentare 1, Berlin 1989, S. 8 und 27; dies.: Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft, München 1986, S. 673; vgl. auch Rescher: Rationalität (Anm. 43), S. 119.

    Google Scholar 

  55. Horkheimer/Adorno: Dialektik der Aufklärung (Anm. 14), S. 181.

    Google Scholar 

  56. Vgl. hierzu die gute Übersicht bei Kershaw, Ian: The Nazi Dictatorship. Problems and Perspectives of Interpretation, London 1985.

    Google Scholar 

  57. Mommsen, Hans: Kumulative Radikalisierung und Selbstzerstörung des Regimes, in: Meyers Lexikon Bd. 16, Mannheim 1976, S. 785ff.; neuerdings auch Aly, Götz: «Endlösung«. Völkerverschiebung und der Mord an den europäischen Juden, Frankfurt a.M. 1995.

    Google Scholar 

  58. Der generalisierende Vorwurf Baumans, »die Moderne« als solche habe immer »die Ambition… eine vollkommene Welt zu schaffen« ist gelinde gesagt eine Kurzsichtigkeit, siehe: »Der Holocaust ist nicht einmalig« (Anm. 19). Er übersieht - indem er das nationalsozialistische Projekt einer sogenannten »perfekten Gesellschaft« durchweg als »modernes politisches Programm« darstellt (in: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 8183) - eine rechtliche und politische Tradition der Moderne, deren »theory of liberal democracy… a simple pychological premise and a complex institutional strategy« hat. »Its psychological premise is the fragility of reason«, aus: Holmes: Passions and Constraint (Anm. 4), S. 267.

    Google Scholar 

  59. Zitat aus: Deuerlein, Ernst: Hitlers Eintritt in die Politik und die Reichswehr, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 7, 1959, S. 177.

    Google Scholar 

  60. Horkheimer: Zur Kritik der instrumentellen Vernunft (Anm. 3), S. 15; ders.: Zum Begriff der Vernunft, in: Gesammelte Schriften, Band 7, hrsg. von Gunzelin Schmid Noerr, Frankfurt a.M. 1985, S. 23.

    Google Scholar 

  61. Diner, Dan: Vorwort des Herausgebers, in: Zivilisationsbruch. Denken nach Auschwitz, hrsg. von dems., Frankfurt a.M. 1988, S. 7.

    Google Scholar 

  62. Diese Beispiele sind entnommen aus: Diner, Dan: Historisierung und Rationalität. Bausteine zu einer Theorie über die »Endlösung«, in: Politische Formierung und soziale Erziehung im Nationalsozialismus, hrsg. von Hans-Uwe Otto und Heinz Sünker, Frankfurt a.M. 1991, S. 369, und aus: Bauman: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 121 und 153; siehe auch Hilberg, Raul: Täter, Opfer, Zuschauer. Die Vernichtung der Juden 1933–1945, Frankfurt a.M. 1992, S. 26.

    Google Scholar 

  63. Browning, Christopher R.: Vernichtung und Arbeit. Zur Fraktionierung der planenden deutschen Intelligenz im besetzten Polen, in: Vernichtungspolitik. Eine Debatte über den Zusammenhang von Sozialpolitik und Genozid im nationalsozialistischen Deutschland, hrsg. von Wolfgang Schneider, Hamburg 1991, S. 49.

    Google Scholar 

  64. Bauman: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 10; vgl. femer S. 107, wo es heißt, daß der »Massenmord… kein Werk der Zerstörung, sondern ein schöpferisches Werk« war, weil die Juden nicht in das Bild einer »harmonischen, konfliktfreien Welt« paßten.

    Google Scholar 

  65. Browning: Vernichtung und Arbeit (Anm. 63), S. 49.

    Google Scholar 

  66. Diner, Dan: Ist der Nationalsozialismus Geschichte? Zu Historisierung und Historikerstreit, Frankfurt a.M. 1987, S. 71.

    Google Scholar 

  67. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft (Anm. 27), S. 12.

    Google Scholar 

  68. Das gibt Bauman selbst an einer Stelle zu, wenn er schreibt, daß angesichts der oben angeführten Beispiele nationalsozialistischer Vernichtungspolitik die »morbide(n) Tendenz, Mittel und Zweck zu vertauschen sich nicht drastischer veranschaulichen läßt, in: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 121.

    Google Scholar 

  69. Nur eine - im Sinne der zweiten Definition Horkheimers - Mittelrationalität, Weber verwendete hierfür auch den Begriff »technische Rationalität« (in: Wirtschaft und Gesellschaft (Anm. 27), S. 33), wäre als rationalitätstheoretischer Erklärungsansatz für den Vernichtungsprozeß geeignet.

    Google Scholar 

  70. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft (Anm. 27), S. 12.

    Google Scholar 

  71. Ebd.

    Google Scholar 

  72. Vgl. hierzu Schäfer: Die »Rationalität« des Nationalsozialismus (Anm. 4), S. 135ff.

    Google Scholar 

  73. Bauman schließt Rationalität sehr häufig mit Effizienz kurz: »In keiner Phase kollidierte die `Endlösung’ mit dem rationalistischen Credo effizienter, optimaler Zielverwirklichung«, in: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 31. Rescher hat hingegen mit Recht darauf hingewiesen, daß die »im Auffinden wirksamer Mittel für ausgewählte Zwecke relevante instrumentelle Rationalität… nur ein Teil der Rationalität insgesamt (ist). Denn Mittel können sich sehr wohl auf unangemesssene Zwecke richten…. Ein Betrüger oder ein selbstdestruktiv neurotischer Mensch kann ziemlich effizient sein, wenn es darum geht, die Mittel für seine Ziele herauszubekommen. Aber diese partielle Art von Rationaliät macht solche Handlungen nicht insgesamt rational«, in: Rationalität (Anm. 43), S. 116.

    Google Scholar 

  74. Siehe dazu Thyen: Negative Dialektik und Erfahrung (Anm. 33), S. 235. Leszek Kolakowski hat völlig recht, wenn er behauptet, daß wir Irrationalität nicht vordergründig mittels selbstzerstörerischer oder uns selbst schadender Folgen unserer Handlungen definieren können, da ja eine Selbstzerstörung durchaus intendiert sein kann. Es wäre etwa töricht zu sagen, daß Selbstmord per definitionem irrational sei. Irrational wäre eine Handlung vielmehr nur dann zu nennen, »deren Ergebnis der Handelnde berechnen kann, ohne es aber zu tun (und nicht eine solche, die im faktischen Ergebnis verheerend, selbstzerstörerisch, moralisch unannehmbar usw. ist)«, in: Die Moderne auf der Anklagebank, Zürich 1991, S. 98–100. Unrecht hat er aber dann, wenn er in der Folge bemerkt, daß die Behauptung falsch sei, die Vernichtung der Juden sei für das Dritte Reich im Hinblick auf die Kriegsführung schädlich und damit irrational gewesen. Die Behauptung wäre nur dann richtig, so Kolakowski, wenn die Nationalsozialisten in der Vernichtung ein Mittel gesehen hätten, um den Krieg zu gewinnen. Da die Vernichtung der Juden aber ein eigenständiges Ziel darstellte, konnte die Vernichtung mit anderen Zielen kollidieren, ohne deshalb irrational zu sein. Diese Betrachtungsweise läßt aber außer Betracht, daß die Nationalsozialisten neben dem Ziel der Vernichtung durchaus daran interessiert waren, den Krieg noch zu gewinnen, wenn auch die Vernichtung der Juden sich erst während des Krieges gegen die Sowjetunion als eine aber bereits vorhandene wertrationale »Lösung« für die selbstverursachten Kriegsprobleme des Regimes ergeben hatte. Irrational war also die Vernichtung der Juden deshalb, weil die Nationalsozialisten die Konsequenzen der Vernichtung während des Krieges,den sie gewinnen wollten, durchaus berechnen konnten, ohne es aber zu tun! Wie Kolakowski ein paar Seiten weiter ja selbst behauptet (S. 110), kennen wir »die Stereotype von Herrschern, die aus krankhaftem Haß, aus Neid, Rachsucht und Machtgier gehandelt haben - von Tiberius und Kaiserin Theodora bis zu Stalin und Hitler -, doch es versteht sich keineswegs von selbst, daß solche Psychopathen durchweg unfähig waren, die Wirkungen ihres Handelns zu berechnen.«

    Google Scholar 

  75. Bauman: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 10.

    Google Scholar 

  76. Ebd., S. 31.

    Google Scholar 

  77. Ebd., S. 29.

    Google Scholar 

  78. Ebd. S. 110.

    Google Scholar 

  79. Ebd., S. 118; vgl. ferner S. 31, wo es heißt, daß der Holocaust »von einer Bürokratie in Reinkultur produziert« wurde. Siehe dazu meine ausführliche Kritik, in: Schäfer: Die Rationalität des Nationalsozialismus (Anm. 4), Kapitel V.

    Google Scholar 

  80. Weber: Wirtschaft und Gesellschaft (Anm. 27), S. 572.

    Google Scholar 

  81. Mommsen, Hans: Modernität und Barbarei, Anmerkungen aus zeithistorischer Sicht, in: Modernität und Barbarei, Soziologische Zeitdiagnose am Ende des 20. Jahrhunderts, hrsg. von Max Miller und Hans-Georg Soeffner, Frankfurt a.M. 1996, S. 152.

    Google Scholar 

  82. Bauman: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 120.

    Google Scholar 

  83. Schnädelbach, Herbert: Rationalität und Normativität, in: Zur Rekonstruktion der praktischen Philosophie, hrsg. von Karl-Otto Apel u.a., Stuttgart 1990, S. 124.

    Google Scholar 

  84. Nur an einigen wenigen Stellen relativiert Bauman seine allgemeine Anklage, siehe dazu in: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 31, 103, 108, 110.

    Google Scholar 

  85. Herf, Jeffrey: Reactionary Modernism, Technology, Culture, and Politics in Weimar and the Third Reich, Cambridge 1984.

    Google Scholar 

  86. Diese Gesellschaft kann man wohl nicht ohne weiteres - obwohl sich in ihr eine Reihe von Modemisierungsschüben, insbesondere im Bereich der industriellen Rationalisierung, fortsetzte - als »kochentwickelte Zivilisation« oder als ein «Umfeld außergewöhnlicher kultureller Leistungen« betrachten, wie Bauman behauptet, siehe: Dialektik der Ordnung (Anm. 11), S. 10. Inwieweit hingegen die deutsche Kultur und Wissenschaft durch die nationalsozialistische Rassenideologie in ganzer Breite qualitativ getroffen wurde, dazu vgl. insbesondere Lepsius, M. Rainer: Kultur und Wissenschaft in Deutschland unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, in: ders.: Demokratie in Deutschland, Göttingen 1993.

    Google Scholar 

Download references

Authors

Editor information

Mihran Dabag (Dr.)Kristin Platt

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 1998 Leske + Budrich, Opladen

About this chapter

Cite this chapter

Schäfer, M. (1998). Die Rationalität, die Moderne und der Holocaust. In: Dabag, M., Platt, K. (eds) Genozid und Moderne. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97381-8_4

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97381-8_4

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-8100-1822-9

  • Online ISBN: 978-3-322-97381-8

  • eBook Packages: Springer Book Archive

Publish with us

Policies and ethics