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Nahrungsmeidungen, -verbote und -tabus in funktionalistischer Perspektive

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Zur Soziologie des Essens
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Zusammenfassung

Der Funktionalismus in den Geistes- und Sozialwissenschaften hat eine lange Tradition, deren Vorläufer bis in die politische Philosophie zurückreichen, in deren Zusammenhängen der politische Staat analog dem biologischen Organismus, dessen Einzelteile derart zusammenwirken, daß das Ganze Bestand hat, analysiert wird. So weit wollen wir für unsere Zwecke aber nicht zurückgehen — wir beginnen statt dessen im 19. Jahrhundert, das für die Etablierung der Soziologie als eigenständige wissenschaftliche Disziplin konstitutiv ist.

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Literatur

  1. In diesem Punkt gehen die Einschätzungen zu Spencer auseinander. Während bspw. Dieter Goetze & Claus Mühlfeld Spencer als Organizisten einstufen (dagegen z.B.: G. Kiss, Einführung in die soziologischen Theorien, Opladen 31977, Bd. 1, S. 254f.), der mit dem Grad der strukturellen und funktionalen Differenzierung einer Gesellschaft ein Kriterium gegeben sieht, diese auf einer „Evolutionsskala“ einzuordnen und zu bewerten (D. Goetze & H. Mühlfeld, Ethnosoziologie, Stuttgart 1984, S. 16), hebt Roland Girtler Spencer als einen soziologischen Denker hervor, der das evolutionäre Geschehen als eine „wertfreie“ Angelegenheit erkannt und sich von anderen Einstellungen abgekehrt hat (R. Girtler, Kulturanthropologie, München 1979, S. 26). Klärend hierzu sind die Bemerkungen von Gerhard Hauck, der Spencer als einen Theoretiker vorstellt, der Widersprüche — wie bspw. einen konsequenten Liberalismus (strikte Ablehnung der expansiven britischen Kolonialpolitik) und die Propagierung sozialdarwinistischer Haltungen (ebenso strikte Ablehnung sozialstaatlicher Maßnahmen, um die „natürliche Auslese“ nicht zu stören) — in sich vereinte. (vgl. G. Hauck, Geschichte der soziologischen Theorie, Reinbek 1984, S. 33–39)

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  2. Den Begriff der „Differenzierung“ verwendet Durkheim allerdings nicht, worin sich vermutlich die Markierung einer Distanz zur Biosoziologie und zum zeitgenössischen Organizismus ausdrückt. Ein weiteres Motiv könnte die negative Konnotation des Begriffs im Sinne von „Trennung“ oder „Spaltung“ sein, wohingegen der Begriff „Arbeitsteilung“ positiv besetzt scheint. (vgl. H. Tyrell, Emile Durkheim. Das Dilemma der organischen Solidarität, in: N. Luhmann (Hg.), Soziale Differenzierung. Zur Geschichte einer Idee, Opladen 1985, S. 181–250; S. 186–189)

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  3. Eine Gegenüberstellung der theoretischen Positionen Durkheims und Tönnies’ ist außerordentlich interessant, zumal da das Werk „Über die Teilung der sozialen Arbeit“, das 1893 erstmals erschien, bereits Mitte der 80er Jahre konzipiert sein soll, zu einem Zeitpunkt also, als Durkheim im Rahmen eines Studienaufenthaltes in Deutschland weilte. Tönnies’ Hauptwerk „Gemeinschaft und Gesellschaft“ wurde 1887 in seiner ersten Auflage publiziert. Beide Autoren gehen davon aus, daß zu einer ursprünglichen Verbundenheit der Gesellschaftsmitglieder („Gemeinschaft“, „mechanische Solidarität“) als Folge gesellschaftlicher Evolution eine „andere“ Form der Integration („Gesellschaft”, „organische Solidarität“) hinzukommen müsse bzw. diese die erstere weitgehend ersetze. Ohne hier näher darauf eingehen zu können, bleibt anzumerken, daß die zunächst auffdlligste Differenz zwischen Tönnies und Durkheim in der Verwendung und Interpretation der Begriffe „organisch“ und „mechanisch“ liegt. Doch was als ein Verhältnis einfacher Umkehrung erscheint, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als divergente Bedeutungszuweisung, die Mißverständnisse provoziert. Hinzu treten gegenseitige Fehleinschätzungen bezüglich der (deduktiven bzw. induktiven) Vorgehensweise, die dem Konflikt geschuldet sind, der sich aus den unterschiedlichen Lösungsversuchen hinsichtlich des Spannungsverhältnisses von Rationalismus und Empirismus ergibt. Dennoch gibt es manche Berührungspunkte zwischen den beiden Soziologen, die Anlaß geben für die Verwunderung darüber, daß es — während Tönnies durchaus Kontakte zu anderen französischen Autoren wie Bougie und Worms pflegte — zwischen Tönnies und Durkheim nie zu einer intensiveren wissenschaftlichen Beziehung gekommen ist. Zur weiterführenden Lektüre sei auf die gegenseitigen Rezensionen von Tönnies und Durkheim (F. Tönnies, Durkheim, Emile: De la division du travail social, Paris 1893, in: Ders., Soziologische Studien und Kritiken, Dritte Sammlung, Jena 1929, S. 215–217 und E. Durkheim, Besprechung von Ferdinand Tönnies: Gemeinschaft und Gesellschaft, in: Revue Philosophique de la France et de l’Etranger, 27, 1889, S. 416–422) sowie auf diverse Aufsätze (z.B. W. J. Cahnman, Tönnies und Durkheim: An Exchange of Reviews, in: Ders., Ferdinand Tönnies. A new Evaluation, Leiden 1973, S. 239–256; W. Gephart, Soziologie im Aufbruch. Zur Wechselwirkung von Durkheim, Schäffle, Tönnies und Simmel, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 34 (1982), S. 1–25) verwiesen.

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  4. Die Grundannahme des Diffusionismus besteht in der Vorstellung einer Differenzierung von Kulturen durch Wanderung und Übertragung. Die Vertreter der „kulturhistorischen Schule“ Graebner und Ankermann wurden als „Museums-Maulwürfe” Gegenstand Malinowski’scher Polemik (vgl. B. Malinowski, Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur, Frankfurt/ M. 21985, S. 61)

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  5. ausführliche Darstellung: B. Malinowski, Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur, a.a.O., S. 98–101

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  6. vgl. D. Goetze & C. Mühlfeld, Ethnosoziologie, a.a.O., S. 51

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  7. Zu Richard Thurnwald vgl. R. Girtler, Kulturanthropologie, a.a.O., S. 131–137

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  8. Auf eine Darstellung strukturfunktionalistischer Positionen muß hier jedoch verzichtet werden, da ihr Umfang und ihre Komplexität ein eigenständiges Kapitel nicht nur rechtfertigten, sondern erforderten.

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  9. So B. Malinowski, Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur, a.a.O., S. 127

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  10. G. Simmel, Soziologie der Mahlzeit (1910), in: Ders., Brücke und Tür. Essays des Philosophen, Stuttgart 1957, S. 243–250. Kritisch zu Simmels Überlegungen äußert sich M. Scharfe, Die groben Unterschiede. Not und Sinnesorganisation: zur historisch-gesellschaftlichen Realität des Genießens beim Essen, a.a.O., S. 18f. Scharfes Einwände richten sich hauptsächlich gegen die bürgerliche Ideologie, die in den Thesen von der „Mahlzeit“ in den höheren Ständen und dem „Essen seinem Stoffe nach” in den niederen Ständen sowie von der Befriedigung des Hungers als „reine Brennstoffzufuhr“ und der Befriedigung des Appetits als „Genuß” auffindbar ist. Scharfes Auffassung zufolge blockiert die ideologisch beschwerte Kost die theoretische Verdauung, verstopfe sie doch die „kulturgeschichtliche Speiseröhre“ und führe zum „intellektuellen Darmverschluß” (ebd., S. 17). Eine neuere Publikation zu diesem Thema ist M. Berghaus, Von der Tischgemeinschaft zur Konsumgesellschaft. Gemeinschaftsbildung durch Essen und Wandlungen in der sozialen Bedeutung des Essens, in: Matreier Gespräche, Wien/ Heidelberg 1984, S. 243–259

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  11. G. Simmel, Soziologie der Mahlzeit, a.a.O., S. 243f

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  12. ebd. S. 245. Dieses dient Simmel zwar nur als Kontrastbemerkung, dennoch widerspricht es der Auffassung Malinowskis (vgl. S. 114f.). Die menschliche Nahrungsaufnahme ist überdies kaum als isolierte, einzelgängerische Handlung vorstellbar, wie Simmel es für die „sehr tief stehenden“ Gesellschaften behauptet, vielmehr ist sie stets zumindest an Beschaffungs- und Verarbeitungsleistungen gebunden, die Einzelne schwerlich erbringen könnten. Malinowski sieht die menschliche Ernährung in eine Reihe sozialer Institutionen eingebettet, die die Produktion, Verteilung und den Verzehr selbst (Ort, Zeit, Gemeinschaft, Sitten etc.) betreffen. Da er, wie ausgeführt, die abgeleiteten kulturellen Bedürfnisse für ebenso wichtig hält wie die biologisch vorgegebenen, „so ist es klar, daß unter Bedingungen, in denen die Ernährung vom wirkungsvollen Arbeiten in einer ganzen Kette von verbundenen Institutionen und vorbereitenden Handlungen abhängig ist, jeder Einzelfaktor, der die Kette an irgendeiner Stelle stört, sofort auch die Befriedigung des Nahrungsbedürfnisses stört.” (B. Malinowski, Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur, a.a.O., S. 129) Das reibungslose Arbeiten der Institutionenkette gewähre die Regulierung des Verhaltens: Jede Teilhandlung im Ernährungsprozeß, vom „Pflanzen der Saat […] bis zum Beißen, Kauen und Schlucken” sei sozial normiert. (ebd., S. 130) Die Vorstellung einer „anarchischen“ Ernährung (G. Simmel, Soziologie der Mahlzeit, a.a.O., S. 245), d.h. dem Speisen gemäß dem individuellen Hungergefühl, setzte eine schlaraffenlandähnliche Umwelt voraus. Die Abkopplung von der Notwendigkeit, Nahrung gemeinschaftlich zu beschaffen und zu verarbeiten, die Verfügbarkeit von Nahrung in jeglicher Art und mehr als ausreichender Menge sowie das Vorhandensein technischer Geräte (z.B. Mikrowelle), die ein „anarchisches” Essen erlauben, können hingegen eher als modernes Phänomen betrachtet werden. Und wird in der Tat nicht seit geraumer Zeit über einen Zerfall der familialen Tischgemeinschaft geklagt? Erste derartige Entwicklungen im Zuge der Industrialisierung dürften auch für Simmel sichtbar gewesen sein.

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  13. M. Matter, Aspekte volkskundlicher Nahrungsforschung, in: D. Burkhart (Hg.), Körper, Essen und Trinken im Kulturverständnis der Balkanvölker, Berlin 1991, S. 15–23; S. 22

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  14. zitiert bei C. D. Rath, Reste der Tafelrunde. Das Abenteuer der Eßkultur, Reinbek 1984, S. 179. Rath bietet weitere wissenswerte Einblicke in die das Essen und Trinken betreffende Ideologie der Nationalsozialistinnen. (S. 176–186)

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  15. A. I. Richards, Land, Labour and Diet in Northern Rhodesia, a.a.O.

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  16. A. 1. Richards & E. M. Widdowson, A dietary study in Northeastern Rhodesia, in: Africa. Journal of the International Institute of African Languages and Culture, 9 (1936), S. 166196; S. 195

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  17. Richards & Widdowson berichten in ihrem Aufsatz von den Schwierigkeiten der BembaKinder, die in den Intematsschulen angebotenen Rohkostsalate zu essen: „It is of importance to note that, in an area where the supply of vitamin C is very short, green vegetables are never eaten raw by the natives. Native children living in boarding-schools apparently refuse for some time to eat salads in the European fashion, declaring that they are not mere beasts of the bush.“ (A. I. Richards & E. M. Widdowson, A dietary study in north-eastern Rhodesia, a.a.O., S. 171). Das Gekochte enthalt in diesem Zusammenhang den Rang des „Menschlichen”, das vom „Tierischen“ geschieden wird, die „Kultur”-Technik Kochen markiert die Grenze zur „Natur

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  18. Dies betont besonders auch der sowjetische Ethnograph S. A. Tokarev, der zu Beginn der 70er Jahre die volkskundliche Nahrungsforschung dahingehend kritisierte, daß den sozialen Funktionen der zu untersuchenden „materiellen Dinge“ wie Nahrung, Kleidung, Behausung etc. zu wenig Beachtung geschenkt würde. In seinem funktionalistischen Konzept betrachtet er die „materiellen Dinge” als Mittel der Vereinigung und Mittel der Trennung von Menschen. (S. A. Tokarev, Von einigen Aufgaben der ethnographischen Erforschung der materiellen Kultur, in: Ethnologia Europaea, VI (1972), S. 163–178)

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  19. J. Goody, Cooking, Cuisine and Class. A study in comparative sociology, Cambridge 1982, S. 13

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  20. Simoons führt unterschiedliche Erklärungsversuche an, die sich auf den Ursprung und die Verbreitung von Nahrungsablehnungen beziehen. Ablehnungen könnten demzufolge als (a) Konsequenz der Nicht-Vertrautheit sowie (b) besonderer Vertrautheit, als (c) Folge der Einführung durch eine privilegierte Gruppe als Nutznießerin, (d) aus einer ambivalenten Haltung (Abscheu/ Ehrfurcht) der Menschen gegenüber der Nahrung, (e) aus hygienischen oder (f) totemistischen und magischen Motiven erklärt werden. Simoons diskutiert alle Ansätze und legt das Hauptgewicht seiner theoretischen Aussagen auf eine siebente Erklärungsmöglichkeit, und zwar auf die These, daß eine Ablehnung bestimmter Nahrungsmittel als (g) Symbol für eine bestimmte Gruppe verstanden werden kann und deren innerer Verfestigung und äußerer Abgrenzung diene. (F. J. Simoons, Eat Not This Flesh. Food avoidances in the Old World, Madison/ Milwaukee/ London 21967)

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  21. F. J. Simoons, Eat Not This Flesh. Food avoidances in the Old World, a.a.O., S. 41

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  22. Zu dieser Interpretation vgl. K. Eder, Die Vergesellschaftung der Natur. Studie zur sozialen Evolution der praktischen Vernunft, a.a.O., S. 130 ff.

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  23. In gleicher Weise läßt sich die Enttabuierung des Schweines in der christlichen Tradition mit dem Dysfunktional-Werden des Tabus erklären: Da das Christentum erst innerhalb des bestehenden römischen Reiches zu einer politischen Institution wurde, mußte es seine Grenzen nicht schließen, sondern im Gegenteil offenhalten, denn auch Heiden sollten Christen werden (können). Aus diesem Grunde werden die Reinheitsvorschriften dysfunktional.(vgl. ebd., S. 132). Eine andere Auffassung vertritt in diesem Punkt Simoons, der in dem Aufkommen der Weltreligionen (Christentum, Buddhismus, Islam) eine Erklärung für die Diffusion von Nahrungsverboten und -tabus sieht. Die auf Expansion ausgerichteten Religionen würden nach wie vor die konvertierten Personen mit besonderer Strenge zur Einhaltung der Nahrungsbeschränkungen drängen. (vgl. F. J. Simoons, Eat Not This Flesh, Food avoidances in the Old World, a.a.O., S. 122)

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  24. B. Suchy, Die koschere Küche. Zur Geschichte der jüdischen Speisegesetze, a.a.O., S. 320

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  25. K. H. Pfeffer, Verzehrsgewohnheiten, a.a.O., S. 12

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  26. K. Eder, Die Vergesellschaftung der Natur, Studien zur sozialen Evolution der praktischen Vernunft, a.a.O., S. 141

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  27. ebd., S. 142. Der Begriff „conspicious consumption“ wird von Thorstein Veblen in seiner erstmals 1899 veröffentlichten, gesellschaftskritischen „Theory of the Leisure Class” verwendet. Dem „demonstrativen Konsum“ als Mittel des Prestige-Erwerbs widmet Veblen ein ganzes Kapitel: T. Veblen, Theorie der feinen Leute. Eine ökonomische Untersuchung der Institutionen, Frankfurt/ M. 1986 (zuerst 1899), S. 79–107

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  28. An dieser Stelle wird die Argumentation Eders unscharf, wenn er zuvor als Tabus die Ablehnung gewisser Tiere (Insekten, Reptilien, Schoßtiere, Raubtiere etc.) bestimmt und nunmehr auf Ablehnungen umschwenkt, die sich besser als Nahrungsmeidungen definieren lassen.

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  29. N. Elias, Über den Prozeß der Zivilisation. Soziogenetische und psychogenetische Untersuchungen, Bd. I, a.a.O., S. XXII

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  30. Als Figurationen bezeichnet Elias Geflechte, die die voneinander abhängigen, aufeinander angewiesenen („interdependenten“) Menschen miteinander bilden. Näheres in Kapitel 6.

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  31. Auf konkrete politische Anwendungen der funktionalistischen Konzeption weist Gerhard Hauck hin: „Die britische Kolonialpolitik der »indirect rule« versuchte, in Anknüpfung an funktionalistische Überlegungen »Ruhe und Ordnung« in den Kolonien durch Erhaltung möglichst vieler traditioneller Institutionen zu wahren — da diese schon auf Grund ihrer Dauerhaftigkeit aller Wahrscheinlichkeit nach alle einen Beitrag zu funktionaler Konsistenz und gesellschaftlicher Harmonie zu leisten hatten. Statt durch die offene Errichtung der eigenen Herrschaft einen Konflikt zu provozieren, versuchte man nun, vor allem durch Ausnutzung der (mutmaßlichen) harmoniefördernden traditionellen Herrschaftsinstitutionen die eigenen Interessen durchzusetzen. Daß diese Politik gescheitert ist, hat viel zur Diskreditierung des ethnologischen Funktionalismus beigetragen.“ (G. Hauck, Geschichte der soziologischen Theorie, a.a.O., S. 133)

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  32. Die Interpretation Simoons’, daß sich die Tabuierung des Schweins auf den Konflikt zwischen seßhaften (schweinefleischverzehrenden) und nicht-seßhaften (SchweinefleischverzehrerInnen verachtende) Gruppen zurückführen lasse, bietet nur eine eher oberflächliche Lösung an, da bei einer Betrachtung der Speisetabus im alttestamentarischen Judentum nicht ein Tabu isoliert betrachtet und erklärt werden kann, sondern in seinem Zusammenhang mit der Klassifikation anderer nicht-eßbarer Tiere berücksichtigt werden muß. Dadurch verändert sich die Perspektive.

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Setzwein, M. (1997). Nahrungsmeidungen, -verbote und -tabus in funktionalistischer Perspektive. In: Zur Soziologie des Essens. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97378-8_5

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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