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Wissenschaftstheoretische Anfänge des ‚Culture‘-Konzepts

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Paradigma Politische Kultur
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Zusammenfassung

Die heutige vielschichtige, oft sogar buntscheckige Fachdiskussion resultiert nicht nur aus der breiten Palette der Zugangsmöglichkeiten zum Thema, sondern mehr noch aus sehr unterschiedlichen traditionellen Zusammenhängen. Seit Edward TYLORs anthropologischer Definition von Kultur1 (1871), beeinflußt von Gustav KLEMMs „Allgemeine Culturgeschichte der Menschheit“ (1843)2, hat das ‚Kultur-Konzept‘ in den USA eine beachtliche Karriere, wenn auch wechselvolle Geschichte erlebt.3 Während der ‚Sozialdarwinist‘ William G.SUMNER von „mores“, Sitten und Gebräuchen, und „kharma“ in seinem Hauptwerk „Folkways. A Study on the Sociological Importance of Usages, Manners, Customs, Mores,and Morals“ (1906) schrieb1, lehnte der am Vorbild der exakten und wertfreien Naturwissenschaften orientierte psychologische Behaviorismus (J.B.WATSON) mit seinem Stimulus-ResponseParadigma mentalistische Begriffe wie Seele, Bewußtsein, Erleben, Fühlen ausdrücklich als unwissenschaftlich ab.2

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Literatur

  1. E.TYLOR hatte ‘culture’ als “that complex whole which includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a member of society” definiert. Vgl. E.TYLOR (1871), Primitive Culture, New York 1924, S.1. Sein Buch ‘Primitive Culture’ war der Grundstein far das sich seither vehement entwickelnde anthropologische Kulturkonzept in den USA. Vgl. A.L.KROEBER/C.KLUCKHOHN, 1952, Culture: A Critical Review of Concepts and Definitions, New York, S.14.

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  2. G.KLEMM hatte sich auf VOLTAIRE bezogen, der als erster darauf hingewiesen habe, daß far die Betrachtung von Geschichte kulturelle Merkmale wie Gebräuche, Sitten und Vorstellungen wesentlicher seien als Dynastien, Könige und Schlachten. Vgl. B.KOPP, 1974, Beiträge zur Kulturphilosophie der deutschen Klassik. Eine Untersuchung im Zusammenhang mit dem Bedeutungswandel des Wortes Kultur, Meisenheim a. G1., ( Monographien zur Philosophischen Forschung, Bd. 128 ).

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  3. Grundlegend dazu die theoretische Arbeit des fahrenden Sozialanthropologen der zwanziger und dreißiger Jahre B.MALINOWSKI, 1944, A Scientific Theory of Culture, deutsch: Eine wissenschaftliche Theorie der Kultur, Zürich 1944; vgl. auch B.MALINOWSKI, 1951, Die Funktionstheorie der Kultur, in: Dynamik des Kulturwandels, Wien 1951. - Beeindruckend und unverzichtbar ist ferner die umfangreiche, 164 der verschiedenartigsten Kulturbegriffe umfassende, kritische begriffsanalytische Untersuchung von A.L.KROEBER/ C.KLUCKHOHN, 1952, Culture: A Critical Review of Concepts and Definitions, New York. - Gute Einblicke geben auch: L.SCHNEIDER/C.M.BONJEAN (eds.), 1973, The Idea of Culture in the Social Sciences, Cambridge, darin Artikel von PARSONS, PYE, BOON und SCHNEIDER; vgl. auch R.C.TUCKER, 1973, Culture, Political Culture, and Communist Society, in: Political Science Quarterly, Vol. 54, No. 2, June 1973, S.173 ff.; vgl. Y.C.KIM, 1964, The Concept of Political Culture in Comparative Politics, in: The Journal of Politics, Vol. 26, 1964, S.313 ff.

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  4. William Graham SUMNER (1840–1910) war der Hauptprotagonist jener avantgardistischen Denk-und Interpretationsweise vom “survival of the fittest” (H.SPENCER). SUMNER, der mit missionarischem Eifer an der Yale University lehrte, interessierte sich für die Sitten der Gruppen und die Gewohnheiten der Individuen und versuchte, deren diverse Ausformungen (“Usages, Manners, Customs, Mores, and Morals”) zu klassifizieren.

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  5. Diese sich als ‘Verhaltenslehre’ verstehende ‘objektive Psychologie’ wandte sich entschieden gegen die psychologische Beobachtung des bewußten und unbewuBten Seelenlebens. Individuelle Unterschiede sind nach ihrer extremen Milieutheorie ausschließlich erlernt. Für ihre Beschreibungen benötigte sie Begriffe der Physik und Chemie und griff auf die von PAWLOW entwickelte Methode der bedingten Reflexe zurück. Alles Verhalten, so nahm der Begründer des amerikanischen Behaviorismus, J.B.WATSON (1878–1958), an, sei nur eine Summe von elementaren Reflexen. Vgl. J.B.WATSON, 1913, Psychology as the Behaviorist Views it, in: Psychological Review, Vol. 20, 1913; vgl. J.B.WATSON, 1919, Behaviorism from the Standpoint of a Behaviorist, Philadelphia; vgl. A.WELLEK, 1959, Der Rückfall in die Methodenkrise der Psychologie, Göttingen.

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  6. Für die faktische Anerkennung der Political Science als selbständige und respektierte akademische Disziplin stehen die Einrichtung eines Lehrstuhls für ‘The Science of Government’ in Harvard (1900) und die Gründung der American Political Science Association (1903). Vgl. dazu B.CRICK, 1959, The American Science of Politics, London; vgl. E.KRIPPENDORFF, 1965, Politische Wissenschaft in USA, in: ders., Political Science, a.a.0., S.5 f. Immerhin hatte es an der Columbia University schon seit 1858 einen Lehrstuhl für Politische Wissenschaft und Geschichte gegeben, auf den der preußische Emigrant Francis LIEBER berufen wurde. Vgl. B.CRICK, a.a.0., S.15 ff.

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  7. Vgl. B.CRICK, 1959, The American Science of Politics, London; S.NEUMANN, 1960, Die politische Forschung in den Vereinigten Staaten,in: OSTAMMER (Hg.), Politische Forschung, Berlin, S.1–20; R.DAHRENDORF, 1963, Die angewandte Aufklärung. Gesellschaft und Soziologie in Amerika, München; P.H.MERKL, 1965, Behavioristische Tendenzen in der amerikanischen Politikwissenschaft, in: PVS, Heft 1/1965, S.58–86; E.KRIPPENDORFF, 1965, Profil einer Disziplin. Versuch über Herkunft und Stand der Politischen Wissenschaft in den Vereinigten Staaten, in: PVS, 6.Jg., 1965, S.184–204; E.KRIPPENDORFF, 1965, Politische Wissenschaft in USA, in: ders., Political Science. Amerikanische Beiträge zur Politikwissenschaft, Tübingen 1965, S.1–27; A.SOMIT/J.TANENHAUS, 1967, The Development of American Political Science, Boston; F.STREIFFELER, 1975, Politische Psychologie, Hamburg; E.A.ROLOFF, 1976, Psychologie der Politik, Stuttgart; Th.HASKELL, 1977, The Emergence of Professional Social Science. The American Social Science Association and the Nineteenth Century Crisis of Authority, Urbana; H.KUCKLICK, 1976, The Organization of Social Science in the United States, in: American Quarterly, Vol. 28, 1976, 5. 124–141.

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  8. Vgl. dazu B.CRICK, 1959, The American Science of Politics, besonders Kap. II-IV; vgl. E.KRIPPENDORFF, 1965, Profil einer Disziplin, Versuch über Herkunft und Stand der Politischen Wissenschaft in den Vereinigten Staaten, in: PVS, 6.Jg., 1965, 5.188 f.

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  9. Vgl. dazu historisch: T.I.COOK, 1950, The Methods of Political Science, chiefly in the United States, in: Contemporary Political Science. A Survey of Methods, Research, and Teaching, UNESCO-Publication No. 426, Paris 1950, S.78 ff.

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  10. Die Erweiterung der vormals karitativen Sozialenqußten zur empirischen ‘Social Survey’-Methode kam mit der 1907 gegründeten Russell Sage Foundation bedeutend voran. Besonders Gemeindestudien führten wegen ihrer geographischen Eingrenzung zu fruchtbaren Ergebnissen. Schon 1917 schrieb der amerikanische Soziologe M.C.ELMER eine erste Einführung in das Survey-Verfahren (“Techniques of Social Survey”, 1917). Vgl. K.v.BEYME, 1972, Die politischen Theorien der Gegenwart, München,S.106 ff.: “Survey-Methoden”.

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  11. Zum Stichprobenverfahren, das ebenfalls seit der Jahrhundertwende, z.B.bei der Untersuchung von Wohn-und Arbeitsverhâltnissen, Auswirkungen der Industrialisierung u.a. angewandt worden war, âußerten sich bereits 1915 methodisch B.ROWNTREE und A.L.BOWLEY (“Measurement of Social Phenomena”, 1915 ).

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  12. Noch heute sind die von den Psychologen E.L.THORNDIKE und L.L.THURSTONE entwickelten Techniken und Skalierungen zur Messung sozialer Attitüden fester Bestandteil der empirischen Sozialforschung.

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  13. Vgl. z.B. G.LUNDBERG, 1939, Foundations of Sociology, New York, der nur noch einer physikalisch ausgerichteten Sozialforschung das Etikett ‘wissenschaftlich’ zugestand. Vgl. H.CRAVENS, 1971, The Abandonment of Evolutionary Social Theory in America: The Impact of Academic Professionalism Upon American Sociological Theory, in: American Studies, Vol. 12, 1971, S. 5–20.

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  14. Bel der Auswahl dieser Studien folge ich R.DAHRENDORF, der sie äußerst anschaulich und anregend dargestellt und interpretiert hat; vgl. R.DAHRENDORF, 1963, Die angewandte Aufklärung, Gesellschaft und Soziologie in Amerika, München, bes. Kap.13, 5.142–153: “Theorie und Empirie”.

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  15. Der Soziologie W.I.THOMAS (von dem heute im übrigen noch das ‘ThomasTheorem’, demzufolge Menschen so handeln, wie sie eine Situation sehen, bekannt ist) und der polnische Philosoph F.ZNANIECKI hatten ihrer eindrucksvollen Sammlung empirischen Materials über polnische Einwanderer eine “methodological note” von knapp 100’ Seiten vorangestellt, die die soziologischen Methoden zur Darstellung von ‘Werten’ und ‘Einstellungen’ prägnant erörtert. Vgl. W.I.THOMAS/F.ZNANIECKI (1918–1921), The Polish Peasant in Europe and America, New York 1958. Zur Kritik an diesem Werk, insbesondere während einer Konferenz 1938, vgl. J.MADGE, 1962, The Origins of Scientific Sociology, Glencoe.

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  16. In den Hawthorne-Werken der Western Electric Company in Chicago untersuchte eine Forschungsgruppe des Department of Industrial Research der Harvard University unter Leitung von E.MAYO durch systematische Beobachtung und Interviews den Einfluß von veränderten Arbeitsbedingungen (Beleuchtung) auf die Arbeitsleistung. Die empirischen Ergebnisse versuchte man im Nachhinein durch sozialpsychologische Fragestellungen (Gruppenbildung, menschlicher Faktor, Anomie) zu erklären. Vgl. E.MAYO, (1933), The Human Problems of an Industrial Civilization, New York 1960;vgl. E.MAYO, 1949, The Social Problems of an Industrial Civilization, London; M.LANDSBERGER, 1958, Hawthorne Revisited, New York.

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  17. W.L.WARNER, Schüler der führenden amerikanischen Anthropologen jener Zeit, A.RADCLIFFE-BROWN und R.H.LOWIE, und Harvard-Kollege E.MAYOs, demonstrierte hier die Untersuchung einer modernen amerikanischen Gemeinde nach dem Vorbild der anthropologischen (primitiven) Stammesuntersuchungen und Verwendung derselben Techniken (Feldforschung). Seine Wahl - nach Kohärenz-Gesichtspunkten - fiel auf Newburyport, Massachusetts (“Yankee City”). Theoretisch (vgl. WARNERs ‘conceptual framework’) und praktisch (Anwendung verschiedenster Forschungstechniken, wie Interview, systematische teilnehmende Beobachtung, Einzelfall-Studien, Auswertung von Autobiographien, Zeitungen, Dokumenten) wurde diese Studie bis heute beispielhaft. Vgl. dazu: W.L.WARNER/P.S.LUNT, 1941, The Social Life of a Modern Community, New Haven, dem ersten von vier Bänden der sog. “Yankee City Series”.

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  18. Interessant sind für unseren Zusammenhang besonders die Ausführungen eines vor allem forschungstechnisch orientierten Harvard-Soziologen

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  19. S.STOUFFER, über “Measurement and Prediction” seiner “Studies in Social Psychology in World War II”, d.h. zur Methodik spezifisch amerikanischer Sozialforschung. Vgl. S.A.STOUFFER et.al., 1949, Studies in Social Psychology in World War II, Princeton. Aufschlußreich und weiterführend dazu: R.K.MERTON/P.F.LAZARSFELD, 1950, Continuities in Social Research. Studies in the Scope and Method of the “American Soldier”, Glencoe.

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  20. Die “Voting”-Studie von 1948 ist der Beginn der großartigen empirischen Beiträge, die die amerikanische Wahlforschung seitdem zur Analyse der Einflüsse sozialer und politischer Prozesse auf die Wahlentscheidung beisteuerte. Methodisch waren die Stichprobenerhebung (1000 Befragte) und die Panel-Beobachtung (viermalige Befragung) herausragend. Vgl. B.BERELSON/P.F.LAZARSFELD/W.N.McPHEE, 1954, Voting, Chicago; vgl. auch die bahnbrechende Wahlstudie von P.F.LAZARSFELD/B.BERELSON/H.GAUDET, 1944, The People’s Choice, New York. LAZARSFELD war schon vor dem II. Weltkrieg in Wien, bevor er zur Emigration gezwungen wurde, durch seine empirisch-soziologischen Forschungsarbeiten hervorgetreten; vgl. M.JAHODA/P.F.LAZARSFELD/H.ZEISEL (1933), Die Arbeitslosen von Marienthal, Wien 1960.

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  21. DAHRENDORF (1963) nennt sie treffenderweise “mavericks”. Vgl. auch die charakteristischen Beschreibungen dieser Soziologen von C.W.MILLS in seiner Einleitung zu Th.VEBLEN, 1953, The Theory of the Leisure Class, New York.

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  22. Vgl. besonders Th.VEBLEN (1899), The Theory of the Leisure Class,New York 1953,(dt.: Theorie der feinen Leute, Köln), eine scharfsinnige Anklage gegen Sport, Spiel, Reichtum und Muße in Amerika.

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  23. Vgl. P.SOROKIN, 1961, Social and Cultural Dynamics, New York (4 Bde.). In seinem letzten Werk “Fads and Foibles in Modern Sociology and Related Sciences”, London 1958, fordert SOROKIN die herrschende Soziologie mit seiner beißenden Kritik geradezu heraus, während seine Gründung eines “Laboratoriums für altruistische Liebe” an der Harvard University eher belächelt wurde.

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  24. Die kritische Analyse einer (amerikanischen) Gesellschaft ‘außengelenkter’ Menschen, die D.RIESMAN et.al. (1950) mit “The Lonely Crowd”, New Haven, dt.: Die einsame Masse, Hamburg 1958, vorlegte, wurde zum Welterfolg soziologischer Analyse. Vgl. dort auch seineTypologie augengeleiteter politischer Verhaltensstile: Gleichgültige, Moralisten, Informationssammler. - Kritisch zu den Thesen RIESMANs, vgl. S.M.LIPSET/L.LOWENTHAL (eds. ), 1961, Culture and Social Character,Glencoe, darin u.a. Beiträge von PARSONS, EASTON, M.MEAD, DAHRENDORF und eine selbstkritische Rückschau von RIESMAN selbst.

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Iwand, W.M. (1985). Wissenschaftstheoretische Anfänge des ‚Culture‘-Konzepts. In: Paradigma Politische Kultur. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97171-5_3

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