Zusammenfassung
D.BERG-SCHLOSSERs häufig zitierte Monographiel galt jahrelang als die erste (und einzige) deutschsprachige umfassende, systematische Studie. Wie kein anderer deutscher Autor vor ihm referierte er in großer Ausführlichkeit die Entwicklung des Konzepts von den wissenschaftshistorischen und -theoretischen Anfängen über die struktural-funktionale Theorie. Allerdings ging er lediglich auf ALMONDs erste Entwürfe von Definitionen, Typologien und Klassifikationen ein; die empirischen Umsetzungen von ALMOND/VERBA und PYE/VERBA wurden von ihm weit weniger berücksichtigt. Die innerwissenschaftlichen Kontroversen um theoretische Implikationen dieses Konzepts, die Gefahren des Ansatzes, blieben unerwähnt. BERG-SCHLOSSER sah das ALMOND/VERBA-Konzept ‚etwas zu eng gefaßt‘. Ihre ‚allein systembezogenen‘ Indikatoren für politische Orientierungen blieben weitgehend an der Ober-fläche und vernachlässigten eine Vielzahl relevanter, tieferliegender Faktoren und Ebenen der Gesellschaftsanalyse; ihre Typologie bleibe ‚im wesentlichen plakativ-klassifikatorisch‘. Ihre Begriffe seien aber als erste Arbeitshypothesen, als Anfang sozialwissenschaftlicher vergleichender Forschung jedoch brauchbar.2 Aufgrund seiner Skepsis gegenüber „gewissen Methoden und Ergebnissen der Erforschung politischer Kultur“3 begründete und diskutierte BERG-SCHLOSSER ausführlich die methodischen Notwendigkeiten, die erst Generalisierungen erlaubten: operationalisierte Definitionen, Verläßlichkeit und intersubjektive Überprüfbarkeit der angewandten Methoden, präzise Indikatoren ‚relativ andauernder organisierter Meinungen‘ in einer Person bzw. Gesellschaft.
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Literatur
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972, Politische Kultur. Eine neue Dimension politikwissenschaftlicher Analyse, München. - Ganz ähnliche Ausführungen, in wesentlich geraffterer Form, finden sichin der von D.BERG-SCHLOSSER/ H.MAIER/T.STAMMEN herausgegebenen “Einführung in die Politikwissenschaft”, München 1974. D.BERG-SCHLOSSER zeichnete dort für den Teil über ‘Die Lehre vom politischen System’ (S.158–263), in dem er auch den ’Subjekt-Aspekt der gesellschaftlichen Grundlagen der Politik’ behandelt
vgl. besonders S.176–185).
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:52 f.
Hier zielte BERG-SCHLOSSER wohl insbesondere auf die in den ‘Nationalcharakter’-Studien verwendeten Untersuchungsmethoden.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972, Politische Kultur, S. 63.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:64–77.
Im Gegensatz zu dem “engen, allein systembezogenen Begriff des Politischen” von ALMOND, verstand BERG-SCHLOSSER als politisch “alle in einer Gesellschaft anzutreffenden Einstellungen und Werte, die, direkt oder indirekt, fúrden Prozeß autoritativer, öffentlicher Entscheidungsfindung eine Rolle spielen.”
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:79.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:80.
Auf pragmatische Art wurde einerseits versucht, die bisher vorliegenden Untersuchungen politischer Kultur auf die in ihnen behandelten Variablen durchzusehen und diese in etwas kohärenterer Form zusammenzustellen und zum anderen aus unserer einleitenden Definition des Politischen den Kreis der in Frage kommenden Variablen etwas genauer abzustecken. Selbstverständlich kann die anschließend behandelte Liste von Variablen aus den genannten Gründen nur sehr vorläufiger Natur sein.“
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:82 f.
Diese Variablen sollten den ‘Rahmen der politischen Gemeinschaft’, die jeweils bestehende ’polis’ nach ’Art und Umfang der Identifikation des einzelnen mit seiner näheren und weiteren sozialen Umwelt’ deutlich machen. BERG-SCHLOSSER nannte im einzelnen: Gefühl der nationalen Identität; Identifizierung mit ethnischen, religiösen u.ä.
Gemeinschaften; Klassenbewußtsein; Individualismus.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:84 ff. Als Meßinstrument empfahl er z.B. die ‘Bogardus-Skala’.
Hierzu zählte BERG-SCHLOSSER das Gefühl der.’ego-Identität’ (im Sinne von E.ERIKSON); Vorstellungen von Entfremdung/Anomie; Prädispositionen gegenüber ‘autoritärem Verhalten’; Grad der Neigung zu Gewalttätigkeit; Vertrauen gegenüber Mitbürgern.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:90 ff., 116.
Hier zielt BERG-SCHLOSSER auf Orientierungen, die “auf den ersten Blick nicht unmittelbar als politisch erscheinen”, wie z.B. im ökonomischen Bereich: Leistungsstreben (n-achievement), Zufriedenheit mit der ökonomischen Situation und ökonomische Zukunftserwartungen; im religiösen Bereich: säkulare oder transzendentale Orientierung, rationale oder magische Erklärungsversuche; im sozialen Bereich: Grad an Freiheit, der als möglich angesehen wird; Ausmaß, in dem diese Freiheit jedem zugebilligt wird; Grad des Mitgefühls, der menschlichen Wärme, des sozialen Empfindens, gegenüber den Problemen und der Not anderer.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:100 ff.
Gemeint sind “Orientierungen, die unmittelbar politischer Natur sind”, wie der Grad an Bereitschaft zur Teilnahme am öffentlichen Leben,zur aktiven Mitwirkung an der Politik; staatsbürgerliches KompetenzbewuBtsein; Grad der politischen Informiertheit; politische Toleranz und Respektierung politischer Opposition; politische Rolle der Frau; Grad der Verpersönlichung der Politik; Grad der Legitimität eines Systems; Vertrauen zu politischen Parteien; Vertrauen in zentrale politische Institutionen; Vertrauen in die Effizienz der Verwaltung.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:105 ff., 117.
Wiederholt machte BERG-SCHLOSSER auf den “notwendigerweise vorläufigen und theoretisch wie praktisch unbefriedigenden Charakter dieser Zusammenstellung” aufmerksam. Er war sich klar darüber, “daB die gewählte Einteilung grob ist, die behandelten Variablen nicht vollständig sind und vor allem Ober die Wechselbeziehungen zwischen den Variablen in den einzelnen Bereichen und den Bereichen untereinander nur sehr ungenügende Aussagen gemacht werden können.”
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1978, The Political Culture of Kenya. A Comparative Analysis of its Main Ethnic Components and Their Interactions at the National Level, Augsburg (unveröff. Habilitationsschrift).
BERG-SCHLOSSER folgte hier - oft wortwörtlich - seinen schon 1972 (a.a.O.) gemachten Überlegungen für einen theoretischen Rahmen.
Vgl. besonders ‘the theoretical framework’, 1978:19–54. Allerdings beschreibt der Autor auch sehr ausführlich die ’methodisch-technischen’ und budgetären Verfahrensschwierigkeiten bei der Durchführung des Surveys in Kenia (1978:56–62).
Einzelne Indikatoren erscheinen mir allerdings relativ unscharf in der Bezeichnung, was auch für ihre Zuordnung zu den fünf Variablengruppen gilt. Wie in seiner ersten Analyse (Politische Kultur, 1972) betont BERG-SCHLOSSER: “Our final list can, of course, only be of a preliminary nature and further empirical research and subsequent theoretical refinement will probably one day bring us closer to our goal.”
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1978:49.
A truly ‘structural’ analysis of these societies… remains essential.“ Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1978:21.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1978:406. Der Autor holte allerdings eine ‘strukturale Analyse’ an anderer Stelle nach:
vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1979, The Social and Economic Bases of Politics in Kenya - A Structural and Cultural Analysis, Berkeley ( Ph. D. Thesis);
vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1980, Soziale Differenzierung und Klassenbildung in Kenia, in: PVS,20. Jg., Heft 2 /1980, S. 313–329.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1978:16. Diese Einschätzung hatte er bereits früher differenziert: “Die für die Erforschung politischer Kultur und der sie bewirkenden ‘politischen Sozialisation’ nach wie vor bestehenden Probleme, sowohl methodisch-praktischer als auch theoretisch-analytischer Art, sind erheblich und werden sich zum Teil sicherlich nur annäherungsweise lösen lassen.
Insgesamt eröffnet diese For-schungsrichtung aber, wenn sie in sinnvoller Weise mit den ‘strukturellen’ Fragestellungen des ’Objekt’-Bereichs verzahnt und auch die jeweils normativ bedeutsame Relevanz nicht außer acht gelassen wird, eine Reihe von Perspektiven, die bedeutsame Anworten auf wichtige Fragestellungen der modernen Politikwissenschaft erhoffen lassen.
So kann z.B. die bislang häufig zu beobachtende ‘Eindimensionalität’ rein strukturaler Analysen in wesentlicher Weise ergänzt werden.
Die getroffenen Aussagen und Prognosen über Art und Entwicklung politischer Systeme, ob nun in ‘Entwicklungsländern’ oder ’hoch-kapitalistischen Gesellschaften’, werden damit wesentlich realitätsbezogener und basieren nicht mehr allein auf axiomatisch hergeleiteten Verhaltenspostulaten.“ Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1974, in: ders./H.MAIER/ T.STAMMEN, Einführung in die Politikwissenschaft, München 1974, S. 185.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:83; vgl. ders., 1978:18. Zu erinnern ist auch an den Vorentwurf eines von BERG-SCHLOSSER entwickelten “Fragebogens zur Erfassung der politischen Kultur eines Landes”, der immerhin ein pragmatischer Einstieg für seine Kenia-Untersuchung war.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1972:167–185.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1981, im “Forum ‘Politische Kultur’ der PVS” in: PVS, Heft 1/1981, S.110–117 (hier S.115).
In der normativen Diskussion um die Wertbezogenheit des Konzeptes- seit dem Vorwurf eines angelsächsischen ‘bias’ der Civic Culture-Studie (ALMOND/VERBA 1963) - kulminiert immer wieder die wissenschaftstheoretische Kontroverse.
Vgl. auch D.BERG-SCHLOSSER, 1980, Politische Kultur der Bundesrepublik (Sammelbesprechung), in: PVS-Literatur, Heft 1 /1980, S. 36.
Eine sinnvoll theoretisch eingegrenzte Analyse sowohl der jeweiligen horizontalen (z.B. ethnische, religiöse etc. Gruppierungen), als auch der vertikalen (Klassen und Schichten) Sozialstrukturen ist hierfür unabdingbar.
Gerade in der mangelhaften Erfassung der letzteren durch relativ vage und in der Kategorienbildung willkürliche Konzepte wie des ‘sozio-ökonomischen Status’ (SES) von befragten Personen liegen erhebliche Defizite des überwiegenden Teils der bisherigen P.K.Forschung.
Genauso ist die ausschließliche Beschränkung auf’objektive’ Klassenanalysen im marxistischen Sinne meiner Auffassung nach unzureichend. Das jeweilige ‘subjektive’ Bewußtsein ist in konkreten Situationen letztlich entscheidend, wenn ich auch nicht so weit gehen würde wie Parkin (1979), der den ’objektiven’ Teil einer Klassenanalyse für gänzlich verzichtbar ansieht. Bei einer derartigen komplementären Sichtweise lassen sich ’Mikro’- und ’Makro’-Ebene iner Analyse durch die ’Zwischenschaltung’ konflikttheoretisch ein-grenzbarer sozialer Aggregate in erheblichem Maße einander annähern.“
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1981:114 f.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1981:115.
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1982, Politische Kultur - political culture, in: Handlexikon zur Politikwissenschaft, hg. v. A.GSRLITZ, Bd. 2, 2. Aufl., München (in Vorbereitung).
Vgl. D.BERG-SCHLOSSER, 1982, Politische Kultur - political culture, a.a.O. Zur Analyse der ‘Mikro-Ebene’
vgl. auch D.BERG-SCHLOSSER, 1981, Demokratische Persönlichkeit, in: Handwörterbuch zur politischen Kultur der Bundesrepublik Deutschland, hg. v. M.GREIFFENHAGEN u.a., Opladen 1981, S.123–130.
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Berg-Schlosser, D. (1985). Pragmatische Versuche zur empirischen Erforschung einer neuen Dimension politikwissenschaftlicher Analyse. In: Paradigma Politische Kultur. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97171-5_24
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