Zusammenfassung
In einer früheren Arbeit habe ich das ärztliche Fragen als ein institutionelles sprachliches Muster analysiert, das sich durch spezifische Veränderungen aus dem alltäglichen Muster der Frage herleitet (Rehbein 1993). So hat der fragende Arzt ein professionelles Wissensdefizit dergestalt, daß ihm zwar typmäßig ein Wissen über Krankheit, Diagnose und Behandlung verfügbar ist, nicht jedoch dessen konkrete Instanz beim Patienten. Der Arzt muß die Fragen deshalb so stellen, daß er das für sein professionelles Wissensdefizit einschlägige (= “saliente”) Wissen aus dem Patienten “herausfragt”: In dieser Perspektive wurde gesagt, daß der Arzt die Antwort der Patienten präformuliere und bereits beim Fragen typisches professionelles Wissen appliziere. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Arzt den Patienten “Suggestivfragen” stellt (so Koerfer, Köhle & Obliers 1994), sondern nur, daß er in Anbetracht des professionellen, bestimmten Nichtgewußten mit vielen Antworten der Patienten nichts anfangen kann; nichts wäre für die ärztliche Wissensgewinnung unangemessener, als den Patienten die Antwort in den Mund zu legen.
Die Arbeit wurde im Rahmen des DFG-Projekts “Arzt-Patienten-Kommunikation” (Re 524/4-1) abgefaßt. Den sprachlichen Daten des Beitrags liegen die Sprachaufnahmen der fachärztlichen Kommunikation des Forschungsprojekts zugrunde. Dem Projekt gehören J. Rehbein und U. Kleeberg als Leiter, P. Löning als Forschungsassistentin sowie K. Anders, K. Bührig, H. Dießel, M. Hartung, Ch. Hohenstein und C. Knapheide als studentische Hilfskräfte an. — Angelika Redder sei für eine kritische Lektüre einer ersten Fassung dieser Arbeit recht herzlich gedankt.
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Literatur
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Rehbein, J. (1994). Zum Klassifizieren ärztlichen Fragens. In: Redder, A., Wiese, I. (eds) Medizinische Kommunikation. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97049-7_10
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