Zusammenfassung
Martin Heidegger hat Fragen der Kunst und zumal der Dichtung erst im Zusammenhang der „Kehre“ seines Denkens größere Aufmerksamkeit geschenkt. Der Ausdruck „Kehre“, mit dem Heidegger selbst die Bewegung seiner Philosophie seit Anfang der dreißiger Jahre charakterisiert hat, ist doppeldeutig. Einerseits kann mit ihm eine „Wende“ gemeint sein, im Sinne eines Zurückgehens, einer Umkehr. Heidegger dachte aber zweifellos an das Bild eines Weges in den Bergen, der in der Weise der Serpentine die Rückwendung der Gehrichtung gleichzeitig als Vorankommen in Erscheinung treten läßt. Man hat die „Kehre“ als Wende von einer existentialontologischen Fragestellung, die quasitranszendental nach den Strukturen menschlichen „Daseins“ in der Welt fragt — „Sein“ also von der Subjektivität her auslegt —, hin zu einer Konzeption des „Seins“ gedeutet, die dessen „metaphysische“ Fixierung in Frage gestellt und überwunden habe. Wenn das „Sein“ aber nicht mehr von der Subjektivität, sondern diese aus dessen „Geschick“ verstanden wird, dann meint „Kehre“ nicht länger eine willkürliche Denkbewegung der Subjektivität — des Philosophen Heidegger —, sondern ein Geschehen des „Seins“ selbst, das sich im Ereignis des Denkens „zeigt“. Das „Denken“ ist aber nur eine Weise, von diesem „Seinsgeschehen“ Kenntnis zu nehmen; eine andere, für Heidegger zunehmend wesentliche, ist die Weise der Kunst und der Dichtung. Kunst versteht Heidegger freilich nicht mehr im Denkzusammenhang der Metaphysik, d.h. nicht länger „ästhetisch“ aus der Stellung der Subjektivität, sondern vom „Sein“ her als eine Weise des „Wahrheitsgeschehens“, der die Subjektivität sich öffnen oder sich verweigern, die sie aber niemals von sich aus herstellen kann. Heidegger versteht unter „Ästhetik“ Metaphysik der Kunst, unter Metaphysik aber die Vergegenständlichung des „Seins“ zur Präsenz eines Seienden für ein Subjekt — als dessen Objekt —, und im Vorgang der Verwindung dieser metaphysischen Denkbewegung wird die Philosophie der Kunst nach-ästhetisch.
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Literatur
Walter Schulz: Metaphysik des Schwebens. Untersuchungen zur Geschichte der Ästhetik. Pfullingen 1985, S. 58 f.
Jürgen Habermas: Der philosophische Diskurs der Moderne. Frankfurt/M. 1985, s. 190.
Vgl. Ernst Nolte: Heidegger. Politik und Geschichte im Leben undDenken. Berlin/Frankfurt 1992.
Winfried Franzenn: Martin Heideger. Stuttgart 1976, S. 62.
Stefan George: Das neue Reich. Geamtausgabe. Bd. 9, S.134.
Jacques Derrida: Randgänge der Philosophie. Frankfurt/Berlin/Wien 1976, S. 35 f.
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Plumpe, G. (1993). Das Sein der Kunst: Heidegger. In: Ästhetische Kommunikation der Moderne. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97031-2_8
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