Zusammenfassung
Die Betrachtung der marxistischen Kunstkonzeption, der Theorie Freuds und der Anthropologie Gehlens sollte einige Hinweise auf die Relevanz nichtphilosophischer Kunsttheorien für die ästhetische Kommunikation der Moderne geben. Historisch folgte sie dem Selbstverständnis der „Avantgarde“, die die Koalition von „autonomer“ Kunst und „philosophischer Ästhetik“ an ihr Ende gekommen sah. Die Bilanz dieses kritischen Einspruchs der Avantgarde gegen die ihr vorausgegangenen rund hundert Jahre ausdifferenzierter ästhetischer Kommunikation ist zwiespältig: Einerseits hat sie eine Vielzahl neuer Themen in die Diskussion gebracht, die aktuell geblieben sind; dies sollte an der Darstellung von Freud und Marx, Benjamin und Gehlen deutlich geworden sein; Begriffe wie „Ideologie“ und „Sublimierung“, „Aura“ und „Entlastung“ haben das Repertoire und die Unterscheidungsmöglichkeiten ästhetischer Kommunikation beträchtlich erweitert. Zudem hat die Avantgarde ein pointiertes Bewußtsein von der Institutionalisierung der Kunst als differenziertes Teilsystem der Gesellschaft geweckt; und zwar vor allem dadurch — und dies führt zu der anderen Seite der Bilanz —, daß sich die Entdifferenzierungssemantik des avantgardistischen Impulses gegen die eigentliche Intention als Spezialsemantik des Kunstsystems erwies. Die Aufhebung der Kunst in den transformierten Alltag blieb ein Ereignis der Kunst. Man konnte daraus lernen — und vor allem Brecht hat sich diese Lehre konsequent wie kaum jemand sonst zu eigen gemacht —, daß die Transformation der funktional differenzierten Gesellschaft von keinem Teilsystem aus allein erzwungen werden kann. Das Kunstsystem nahm in seiner avantgardistischen Programmatik eine „unrealistische“ Beschreibung der Gesellschaft vor; aber genau das war es ja, was die Gesellschaft von der Kunst erwartet: die entlastete Simulation von Alternativen zu ihr.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Vgl. Hermann Mörchen: Adorno und Heidegger, Untersuchungen zu einer philosophischen Kommunikationsverweigerung. Stuttgart 1981; Hauke Brunkhorst: Adorno, Heidegger und die Postmoderne, in: Martin Heidegger: Innen-und Außenansichten. Frankfurt/M. 1989, S. 313 ff.
Gottfried Benn: Probleme der Lyrik. Ges. Werke. Bd. 4, S. 1092.
Marie J.A.N. Caritat, Marquis de Condorcet: Entwurf einer Darstellung der Fortschritte des menschlichen Geistes. Frankfurt/M. 1976, S. 194.
Hans Blumenberg: Arbeit am Mythos. Frankfurt/M. 1979, S. 9.
Ernst Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen. 2. Teil: Das mythische Denken. 6. Aufl. Darmstadt 1973, S. 135.
Alfred Sohn-Rethel: Warenform und Denkform. Frankfurt/M. 1971, S. 122 ff. deuten überhaupt, weil Vernunft selbst zum bloßen Hilfsmittel der allumfassenden Wirtschaftsapparatur wurde“ (III, 47).
Hartmut Scheible: Th.W. Adorno. Reinbek b. Hamburg 1989, S. 115.
Burkhardt Lindner: Herrschaft als T<auma. Adornos Gesellschaftstheorie zwischen Marx und Benjamin, in: Text + Kritik. Sonderband 1977, S. 76.
Franz Kafka: Hochzeitsvorbereitungen auf dem Land und andere Prosa aus dem Nachlaß. New York/Frankfurt 1953, S. 86.
Jürgen Habermas: Th.W. Adorno wäre am 11. September 66 Jahre alt geworden, in: H. Schweppenhäuser (Hg.): Th.W. Adorno zum Gedächtnis. Frankfurt/M. 1971, S. 36.
Rights and permissions
Copyright information
© 1993 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Plumpe, G. (1993). Die Wiederkehr der Philosophie: Adorno. In: Ästhetische Kommunikation der Moderne. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97031-2_7
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-97031-2_7
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-531-12400-1
Online ISBN: 978-3-322-97031-2
eBook Packages: Springer Book Archive