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Die Problematik des Demokratiebegriffs

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Demokratie als Herrschaftsordnung

Part of the book series: Ordo Politicus ((OP,volume 7))

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Zusammenfassung

Von den gebräuchlichen Namen für politische Systeme ist heute die Demokratie der am weitesten verbreitete. »Die Demokratie ist heute in aller Munde.«1 Sie »ist der Schlachtruf unserer Zeit geworden«2. Es gibt kaum noch ein Regime, »das darauf verzichtet, das typisch demokratische Vokabular zu gebrauchen, und das nicht eine demokratische Legitimität für sich in Anspruch nimmt«3.

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Literatur

  1. Carl Joachim Friedrich, Demokratie als Herrschafts- und Lebensform, Heidelberg 1959, S. 9.

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  2. Carl Joachim Friedrich, Der Verfassungsstaat der Neuzeit, Berlin-Göttingen-Heidelberg 1953, S. 1.

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  3. Gerhard Leibholz, Freiheitliche demokratische Grundordnung, in: Schicksalsfragen der Gegenwart, Handbuch politisch-historischer Bildung, hrsg. v. Bundesministerium für Verteidigung, 5. Band, Tübingen 1960, S. 19.

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  4. Ernst v. Hippel, Allgemeine Staatslehre, Berlin und Frankfurt 1963, S. 229: »Das Wort Demokratie wird heute mit gedanklichen Gehalten und politischen Wirklichkeiten verbunden, die sich letztlich diametral und einander ausschließend entgegenstehen.

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  5. Es genügt hier, auf den Unterschied dessen hinzuweisen, was der Idee nach sich der Westen als Demokratie vorstellt und was seinerseits der Osten als >Volksdemokratie< ausgibt.« Ernst Fraenkel, Die Wissenschaft von der Politik und die Gesellschaft, in : Gesellschaft, Staat, Erziehung, Blätter für politische Bildung und Erziehung 1963, Heft 5, S. 285: »In einer Stadt, in der jeder der beiden voneinander getrennten Teile beansprucht, >demokratisch< zu sein und jeder den >demokratischem Charakter des anderen Teils verneint, ist die begriffliche Klarstellung dessen, was beide Teile subjektiv unter >Demokratie< verstehen, und was objektiv >Demokratie< bedeutet, die wissenschaftliche Bewältigung eines Problems, das in der Luft liegt…«

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  6. Adolf Grahowsky, Politik im Grundriß, Freiburg u. Frankfurt 1952, S. 135: »Jede Betrachtung des inneren Aufbaus des Staates hat in der Gegenwart von dem Problem der Demokratie auszugehen, da die beiden großen Fronten, die westliche und die östliche, sich gleichmäßig auf die Demokratie berufen.«

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  7. Vgl. dazu auch Joseph A. Schumpeter, »Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie«, Bern 1950, S. 376 f.,

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  8. ferner: H. Moser, Sprachliche Folgen der politischen Teilung Deutschlands«, Düsseldorf 1962, bes. S. 26.

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  9. So vor allem J. L Talmon, Die Ursprünge der totalitären Demokratie, Köln u. Opladen 1961.

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  10. G. Leibholz, Freiheitliche demokratische Grundordnung, in: Schicksalsfragen der Gegenwart, Handbuch politisch-historischer Bildung, hrsg. v. Bundesministerium für Verteidigung, 5. Band, Tübingen 1960, S. 18: »Daß das Grundgesetz nicht von einer demokratischen Grundordnung, sondern einer >freiheitlichen demokratischen Grundordnung< spricht, ist auf den ersten Blick befremdlich. Denn wenn man es für notwendig erachtet, der demokratischen Grundordnung das Epitheton freiheitlich beizufügen, so scheint der Schluß nahezuliegen, daß es auch Demokratien geben kann, die auf dieses Beiwort verzichten zu können glauben.«

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  11. Talmon, Die Ursprünge der totalitären Demokratie, Köln u. Opladen 1961. S. 1.

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  12. Mehrdeutigkeit und Unsicherheit im Demokratiebegriff werden immer wieder konstatiert : G. Leibholz stellt fest, daß das, »was man bis weit ins 19. Jahrhundert hinein unter einer Demokratie verstehen zu können geglaubt hat, dem politischen Bewußtsein allmählich problematisch geworden ist…«, a.a.O., S. 20. Ders. nennt das Phänomen der Demokratie heute »sphinxartig«: Strukturprobleme der modernen Demokratie, Karlsruhe 1958, S. 143. W. Conze im Nachwort zu R. Michels, Soziologie des Parteiwesens, Neudruck der 2. Aufl., Stuttgart 1925, S. 391: »Im Grunde gilt für die Demokratie, daß sie als Bezeichnung einer Herrschaftsform vorrevolutionärer Zeit auf die moderne Welt nicht übertragbar ist, obwohl Demokratie auf Kosten von Monarchie und Aristokratie als einzige Kategorie einer als gerecht oder zeitgemäß angesehenen Verfassung in die Gegenwart übernommen worden ist.

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  13. Der Begriff hat unsere politische Terminologie geradezu überwuchert…« L. Stucki, Gebändigte Macht — gezügelte Freiheit, Bremen 1960, S. 8: »…der Ausdruck >Demokratie< ist derartig zum Modewort geworden, daß sein Inhalt sozusagen unbeschränkt ausgeweitet wird …«

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  14. R. Zorn, Autorität und Verantwortung in der Demokratie, Würzburg 1960, S. 9: »Es gibt bekanntlich viele Auslegungen des Begriffs Demokratie: politische, philosophisch-weltanschauliche und wörtliche. Die Definition des Begriffes bereitet in der Tat gewisse Schwierigkeiten.«

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  15. Carlo Schmid in: Die Bewährung der Demokratie im 20. Jahrhundert, Das Seminar von Berlin, Kongreß für kulturelle Freiheit, Zürich 1961, S. 67: »…wir können sehr viele Dinge Demokratie nennen, die sehr verschieden voneinander sind. Demokratie in Athen zur Zeit des Perikles war nicht das gleiche wie Demokratie der Wikinger in Island, und die Demokratie in Amerika zur Zeit Jeffersons ist etwas anderes als die Demokratie zur Zeit Eisenhowers …«

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  16. H. E. Stier, Die klassische Demokratie, in: Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Geisteswissenschaften, Heft 3, Köln und Opladen 1954: »Wir leben im Zeitalter der Demokratie. Aber herrscht unter uns in Leben und Wissenschaft Einmütigkeit darüber, was unter diesem Begriff zu verstehen ist?«

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  17. G. Schreeb, Demokratie in Deutschland, Osnabrück 1962, S. 90: »Während die totalitären Zwangssysteme dem Volk die freie Selbstbestimmung vorenthalten, besteht hierzulande die Gefahr, daß sich jeder seine Auffassung von der Demokratie nach eigenem Gutdünken zuschneidet.«

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  18. W. Martini, Das Ende aller Sicherheit, Stuttgart 1955, S. 31: »Die Zahl der Vorstellungen von dem Inhalt oder den Prinzipien der Demokratie mag ungefähr der Zahl der Demokraten entsprechen.«

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  19. E. v. Hippel, Vom Wesen der Demokratie, Bonn 1947, S. 5, meint, der Begriff sei »bereits zur Phrase und zum Schlagwort geworden«, es bestehe aber »offenbar über das Wesen der Demokratie in der Praxis des politischen Lebens keineswegs Einmütigkeit«. Auch C. J. F riedrich, Demokratie als Herrschafts- und Lebensform, S. 9, spricht vom »vieldeutigen Sprachgebrauch«.

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  20. A. Brecht, Politische Theorie, Tübingen 1961, S. 66: »Klarheit und Unzweideutigkeit aller benutzten Ausdrücke ist das erste Erfordernis logischer Argumentation. Die meisten Wörter (Verbalsymbole) sind mehrdeutig; ihr wechselnder Sinn umfaßt eine Vielzahl von Sachverhalten oder Werten. Das gilt besonders auf dem Gebiet der Politik, wo Ausdrücke wie Freiheit, Gleichheit, Demokratie, Sozialismus, Patriotismus, Treue, Macht, Autorität, Ordnung viele verschiedene Bedeutungen haben.«

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  21. G. C. Field, Political Theory, London 1956, S. 85: »In quite recent years considerable controversy has arisen about the proper use of the word >democracy<, and it has been applied to different forms of government which have little or nothing in common with each other. So much confusion has been engendered by these controversies that some people in despair have felt inclined to declare that the word ist rapidly ceasing to have any precise meaning, and it has even been suggested that its use had better be abandoned alltogether.«

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  22. Giovanni Sartori, Democrazia e definizioni, Bologna 1957, 2. Aufl., S. 10: »Se questo scritto è dedecato alle definizioni è perché mi sembra che viviamo nell’eta della confusione democratica, della >democrazia confusa<: e cioè nell’indefinito, manipolando e sentenziando su una democrazia che non sappiamo più bene cosa sia.« Hans Peters, Demokratie, in: Staatslexikon, 6. Aufl., S. 560: »Der Begriff Demokratie ist in Geschichte und Politik schillernd und je nach Zeit, Staatsform und sogar individueller Stellung zur politischen Idee der Demokratie mehrdeutig.«

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  23. F. M. Watkins: Democracy, in: Encyclopaedia Britannica, 1962, Vol. 7. S. 177: »The term democracy is used in several different senses.« Vgl. ferner: Democracy in a World of Tensions — A symposium prepared by Unesco, University Chikago Press, 1951; und Die Bewährung der Demokratie im 20. Jahrhundert -Das Seminar von Berlin — Kongreß für kulturelle Freiheit, Zürich 1961, S. 49 ff.

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  24. G. Leibholz, Strukturprobleme …, S. 143.

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  25. Ebda.

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  26. Ebda.

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  27. a.a.O., S. 145 ff.

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  28. M. Duverger, Die politischen Regime, Hamburg, 1960, S. 6.

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  29. M. Duverger, Die politischen Regime, Hamburg, 1960, S. 14.

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  30. Karl Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 1959, S. 69.

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  31. Karl Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 1959, S. 68.

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  32. Karl Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 1959, S. 67.

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  33. Karl Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 1959, S. 69.

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  34. C. J. Friedrich, Der Verfassungsstaat…, S. 33 ff.

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  35. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 234.

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  36. J. A. Schumpeter, Kapitalismus…, S. 428.

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  37. Otto Stammer, Politische Soziologie, in: Gehlen-Schelsky: Soziologie — Ein Lehr- und Handbuch zur modernen Gesellschaftskunde, Düsseldorf-Köln, 1955, 3. Aufl. S. 282.

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  38. R. F. Behrendt, Gefährdung der gesellschaftlichen Voraussetzungen der Demokratie, in: Gewerkschaftliche Monatshefte; 11. Jhg. H. 2, S. 78.

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  39. H. D. Lasswell, Politik und Moral, Analyse des politisch-sozialen Verhaltens, Stuttgart- Düsseldorf 1957, S. 10.

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  40. H. D. Lasswell, Politik und Moral, Analyse des politisch-sozialen Verhaltens, Stuttgart- Düsseldorf 1957, S. 10 f.

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  41. Th. Geiger, Demokratie ohne Dogma, Die Gesellschaft zwischen Pathos und Nüchternheit, München 1963, S. 358

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  42. G. Burdeau, La Démocratie. Essai synthétique, Brüssel 1956, S. 5.

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  43. H. R. G. Greaves, Grundlagen der politischen Theorie, Neuwied 1960, S. 169.

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  44. G. Salomon-Delatour, Politische Soziologie, Stuttgart 1959, S. 33.

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  45. G. Salomon-Delatour, Politische Soziologie, Stuttgart 1959, S. 34.

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  46. Vgl. M. G. Lange, Politische Soziologie, Frankfurt 1961, S. 27 ff. — C. J. Friedrich, Verfassungsstaat …, S. 2 ff.

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  47. Ebda.; ferner: Talmon, Die Ursprünge der totalitären Demokratie, Köln u. Opladen 1961. S. 1 ff.; ferner: Conze, a.a.O., S. 389 ff.

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  48. Nell-Breuning und Sacher, Zur christlichen Staatslehre, Freiburg 1957, Sp. 61.

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  49. Ebda.

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  50. G. Leibholz, »Strukturprobleme«, S. 143: »Der… Entwicklungsprozeß im Hinblick auf das, was man heute gemeinhin unter einer Demokratie zu verstehen hat, ist nur Ausdruck einer Entwicklung, die allgemein dahin charakterisiert werden kann, daß die ursprünglich religiösen und später säkularisierten Werte fortschreitend subjektiviert und relativiert worden sind. Ist aber der Mensch der letzte Maßstab, der über Wahrheit und Gerechtigkeit zu entscheiden hat, so ist es nur konsequent, daß er auch der letzte kompetente Beurteiler über das ist, was man unter einer Demokratie zu verstehen hat. Mit dem Prozeß, der in fortschreitendem Maße alle objektiv verbindlichen Werte aufgelöst hat, hängt das… tiefgehende Miß-verständnis über das, was man unter einer Demokratie zu verstehen hat, heute aufs engste zusammen.«

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  51. Alfred Weber, Einführung in die Soziologie, München 1955, S. 341: »Die gegenwärtige, zum mindesten formal universell-demokratische, schlechthin so gut wie alle Teile der Menschheit umfassende Bewußtseinsstufe, der sich auch der Totalitarismus wenigstens in seiner ideologischen Diktion und äußerlichen Gestik anpassen muß, ist eine vor allem aus der letzten kommunikativen verbindenden Stufe der Technik im Zusammenhang mit den unerhörten bewußtseinsaufhellenden Erfahrungen der Weltkriege hervorgegangene, ganz universelle Menschheitsstufe, die eben einer bestimmten überall herbeigeführten Etappe der bewußten Selbstbeleuchtung der menschlichen Existenz und des menschlichen Daseins entspricht. Daher überall, wenn auch in den totalitären Gebieten umgedeutet, Demokratie; eben als Postulat einer gewissen Stufe menschlichen Selbstverständnisses.«

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  52. So H. E. Stier, Die klassische Demokratie, Sitzungsberichte der Arbeitsgemeinschaft für Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, Geistes Wissenschaften, Heft 3, Köln-Opladen 1954, S.7f.

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  53. Hans Maier, Demokratie ohne Tradition?, in: Politisches Seminar der Staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e. V., 8. Tagung 1961, S. 7.

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  54. E. Fraenkel, Die Wissenschaft von der Politik und die Gesellschaft, in : Gesellschaft, Staat, Erziehung, Blätter für politische Bildung und Erziehung 1963, Heft 5, S. 285: »Ohne nähere Qualifizierung ist heute der Demokratiebegriff vage geworden, weil er seinen polemischen Charakter verloren hat, seitdem die metaphysische Legitimation der Herrschaft, das heißt aber des Königtum von Gottes Gnaden unglaubwürdig geworden ist.« Ferner: W W. Martini, Das Ende aller Sicherheit, Stuttgart 1955, S. 29 f.: »In dem Maße aber, in dem der historische Gegenspieler verschwand oder zum konstitutionellen Monarchen reduziert wurde, in dem Maße also, in dem die Geltung der Demokratie von außen her nicht mehr bestritten wurde und sie damit ihren polemischen Gehalt verlor, wurde sie sich selber fragwürdig …«

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  55. W. Röpke, Die Gesellschaftskrisis der Gegenwart, Erlenbach-Zürich 1948, S. 139: »Daß die moderne Demokratie in einem heißen und leidenschaftlichen Kampfe gegen Willkür und Unterdrückung erkämpft worden ist, macht es nur allzu begreiflich, daß der Begriff in uns Assoziationen erweckt, die mit dem eigentlichen Wesen der Demokratie und den in ihr liegenden Möglichkeiten nicht ganz zusammenfallen.«

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  56. Wir können W. Martini nicht zustimmen, wenn er die Demokratie von anderen Staatsformen u. a. dadurch unterscheidet, daß sie die gesellschaftlichen, politischen, wirtschaftlichen und psychologischen Zustände viel eher darstellen wolle als sie zu beherrschen und zu regieren. (A.a.O., S. 27 f.)

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  57. So Leibholz in: Strukturprobleme, S. 80.

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  58. M. Imboden, Die politischen Systeme, Basel und Stuttgart 1962, S. 10 ff.

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  59. Duverger, Die politischen Regime, Hamburg, 1960, S. 23 : »Die wahre Gefahr für die Demokratie liegt vielleicht nicht so sehr in der Anwendung der eben beschriebenen Mittel als in der Unklarheit, die über ihren wahren Begriff zu herrschen beginnt.«

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  60. In einem so umfangreichen Werk wie dem »Verfassungsstaat der Neuzeit« von Friedrich kommt Demokratie als eigener Begriff weder im Inhaltsverzeichnis noch im Sachregister vor. Aron spricht von einer »demokratischen Regierungsform« und fügt ein: » …, oder, wie ich lieber sagen möchte: einer konstitutionell-pluralistischen Regierungsform.« Die politischen Institutionen des Westens in der Welt des 20. Jahrhunderts, in: Die Bewährung der Demokratie im 20. Jahrhundert, a.a.O., S. 19. Dahrendorf versucht zu zeigen, daß »beide, totalitärer und repräsentativer Staat, sich mit einem gewissen Recht als demokratisch bezeichnen», und fährt dann fort: »Und hier liegt auch der Grund, warum ich in meinen Ausführungen den Begriff >demokratisch< weitgehend vermeide. Er ist zumindest vieldeutig, und wir wissen, daß der Begriff einer totalitären Demokratie durchaus sinnvoll sein kann.« Wie ist Freiheit in der modernen Welt möglich?, in: Junge Generation und Macht. Dokumentation vom Kongreß der SPD, Hannover 1960, S. 22.

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  61. A. Bergstraesser, Die Stellung der Politik unter den Wissenschaften, in: Politik in Wissenschaft und Bildung, Freiburg 1961, S. 22.

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  62. C. J. Friedrich, Demokratie als Herrschafts- und Lebensform, S. 9: »Im Folgenden wollen wir, allgemeinem Sprachgebrauch entsprechend, von der totalitären Demokratie absehen und uns ganz der konstitutionellen Demokratie widmen. Denn eine Verfassung im Sinne des abendländischen Konstitutionalismus ist für die Demokratie >im gemeinen Verstande< ausschlaggebend.«

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  63. Vgl. hierzu auch unseren Exkurs über das Ideologieproblem. S. 166 ff.

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  64. Vgl. hierzu E. Voegelin, »Die neue Wissenschaft der Politik«, München 1959, S. 51, über die »zwei Reihen von Symbolen«, »den Sprachsymbolen, die als integraler Teil des sozialen Kosmion zu dessen Selbsterhellung hervorgebracht werden, und den Sprachsymbolen der politischen Wissenschaft«.

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  65. W. Hennis, »Amtsgedanke und Demokratiebegriff« in: »Staatsverfassung und Kirchenord-nung«, Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag, Tübingen 1962, S. 51.

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  66. So auch T. D. Weldom, Kritik der politischen Sprache, Neuwied 1962, S. 41.

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  67. Mit diesen Bemerkungen berühren wir die Problematik des Verhältnisses von politischer Sprache zur politischen Wahrheit und Wirklichkeit, die hier nicht ausgelotet werden kann. Sicher ist, daß für die »Objektivität« der politischen Sprache nicht einfach eine außerhalb des Bewußtseins liegende politische Wirklichkeit als Maßstab zur Verfügung steht, wie es etwa E. Kuby, Die Massenmedien der Meinungssprache, in: »Bestandsaufnahme — Eine deutsche Bilanz«; Hrsg. v. H. W. Richter, München, Wien, Basel, 1962, S. 373 ff.) darstellt. Die politische Wirklichkeit ist in weiten, gerade in ihren entscheidenden Teilen eine Realität des Gehens, d. h. aber der Entscheidung. So sehr man deshalb der Kritik Kubys an den westdeutschen Massenmedien zustimmen mag, so macht er sich die Begründung der Kritik doch zu leicht. Die Frage der propagandistischen Verfälschung der politischen Wirklichkeit wäre in der Tat leichter zu entscheiden, wenn es eine solche »politische Realität« unabhängig von der politischen Entscheidung gäbe, was u. E. aber verneint werden muß.

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  68. Freie Wahlen und ein legislativ zumindest beteiligtes Parlament sind etwa solche institutionellen Merkmale, die zum Minimalbestand der Demokratie gerechnet werden. Aber Duverger (a.a.O., S. 14) begnügt sich sogar mit freien und echten Wahlen als einzigem Merkmal. Die Bezeichnung der Regierenden durch solche Wahlen sei die notwendige und zugleich ausreichende Bedingung für das Vorhandensein einer Demokratie. Würde man dem folgen, dann könnte die Struktur dieser Demokratie zwischen den Wahlakten recht unterschiedliche Gestalt annehmen. Und schließlich gibt es verschiedene Wahlsysteme, die ihre Befürworter und ihre Gegner haben, wobei nicht selten das abgelehnte System als undemokratisch bezeichnet wird, (z. B. F. A. Hermens, Demokratie oder Anarchie? — Untersuchung über die Verhältniswahl, Frankfurt 1951). Parteien werden im allgemeinen als für die moderne Demokratie notwendig angesehen. Dabei wird allenthalben der Parteienplural als demokratisches Merkmal dem diktatorialen Einparteiensystem entgegengesetzt. Dagegen wurde unlängst in einer sicherlich nicht totalitärer Tendenzen zu verdächtigenden Zeitschrift die Auffassung vertreten, die Entwicklung in den westlichen Demokratien tendiere auf ein Einparteiensystem, was keineswegs mit der Gefährdung oder gar Auflösung der Demokratie gleichzusetzen sei.

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  69. (Krippendorf, Das Ende des Parteienstaates?, in: »Der Monat«, Januar 1962, S. 64 ff.)

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  70. Vgl.: Exkurs über den Ideologiebegriff, S. 166 ff.

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  71. J. L. Talmon, Die Ursprünge der totalitären Demokratie, Köln u. Opladen 1961. S. 1.

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  72. Talmon, Die Ursprünge der totalitären Demokratie, Köln u. Opladen 1961. S. 2.

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  73. Arnold Bergstraesser, Politik in Wissenschaft und Bildung, Freiburg 1961, S. 131: »Von der politischen Führung das religiöse Heil zu erwarten, haben wir als eines der großen Mißverständnisse kennengelernt, denen das 20. Jahrhundert ausgesetzt ist.«

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  74. Vgl. dazu auch: Julius Kraft, Theologische und juristische Formen des modernen politischen Wunderglaubens, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 5. Jhg. 1957, S. 173 ff.

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  75. A. Bergstraesser, Die Stellung der Politik unter den Wissenschaften, in: Politik in Wissenschaft und Bildung, Freiburg 1961, S. 106: »>Utopisches< und >realistisches< Denken sind in der Geschichte der abendländischen Gesellschaftsphilosophie immer in Widerstreit miteinander gelegen, und keines von beiden ist für die Aufgabe des Menschen entbehrlich, sein Verhältnis zur Gesellschaft und die Gesellschaft selbst zu gestalten.«

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  76. Manfred Hätticb, Das Ordnungsproblem als Zentralthema der Innenpolitik, in: Wissenschaftliche Politik; Eine Einführung in Grundfragen ihrer Tradition und Theorie, hrg. von Dieter Oberndörfer, Freiburg 1962, S. 222: »… Utopien mögen für die Beflügelung des politischen Handelns zum Besseren hin einen gewissen Nutzen haben; sie mögen vor allem ihre Funktion haben als Ausdruck entweder der Unzufriedenheit mit dem Bestehen oder der Angst vor geglaubtem Kommenden; ihre schädliche Verursachung mißglückter Ordnungsversuche mit den nachfolgenden Enttäuschungen und die von ihnen bewirkten Verschwendungen menschlicher Energie und menschlicher Opfer für Unerreichbares dürften stärker ins Gewicht fallen.«

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  77. Über die Bedeutung des Möglichen vgl. auch A. Bergstraesser, Die Stellung der Politik unter den Wissenschaften, in: Politik in Wissenschaft und Bildung, Freiburg 1961, S. 19 f. und M. Hättich, a.a.O., S. 223 ff.

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  78. Wir halten dafür, daß der Utopiebegriff, gerade wenn er mit negativen Vorzeichen versehen wird, immer auf seinen spezifischen Gegenstand bezogen wird. Benützt man ihn zur Charakterisierung ganzer Strömungen und Denkrichtungen, dann wird er als Instrument der Kritik ungenau. So spricht z. B. F. A. Hayek (Der Weg zur Knechtschaft, Erlenbach-Zürich, 3. Aufl. 1952, S. 44) mit Recht Utopisches in der Geschichte des Sozialismus an. Aber die Identifizierung des Sozialismus mit dem Utopischen führt dann zu Feststellungen, die bei bestimmtem Verlauf geschichtlicher Entwicklung nicht mehr haltbar sind wie etwa der, Sozialismus und Freiheit seien unvereinbar. Selbst wenn nachweisbar wäre, daß der freiheitliche Sozialismus mit dem historischen Sozialismus nicht mehr als den Namen gemein habe, könnte man nicht am Selbstverständnis dieser Richtung eben als Sozialismus vorbeigehen.

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  79. Erich von Kahler, »Der übliche Einwand lautet: Eine vollkommene Demokratie hat es nie gegeben und wird es wohl nie geben, … Dies ist gewiß richtig. Aber daraus die Folgerung zu ziehen, daß wir das Vollkommene nicht verlangen sollen, weil wir es nicht erwarten dürfen, eine solche Ansicht ist sehr gefährlich. Wir müssen das Vollkommene verlangen und uns nach dem Vollkommenen einrichten, weil wir sonst auch das Unvollkommene nicht erreichen.« (Das Problem der Demokratie, in: Synopsis, Festgabe für Alfred Weber, Heidelberg 1948, S. 195.) Hierzu und vor allem zur Gleichsetzung von Wirklichkeit und Norm siehe Sartori, Democrazia e definizioni, Bologna 1957, 2. Aufl., S. 47 ff.

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  80. Im Vorgriff auf die noch zu behandelnde Problematik der Typologie sei hier schon an Hand eines Beispiels die Frage nach dem heuristischen Wert utopischer Modellkonstruktionen angeschnitten. Oswald von Nell-Breuning geht bei der Behandlung des Streikrechts in der Demokratie von der Überlegung aus, daß es »in einer wirklich wohlgeordneten, vollkommenen demokratischen Gesellschaft« kein Streikrecht geben würde, »und zwar aus dem Grunde, weil sich dort das Streiken erübrigen würde… Aber diese wirklich wohlgeordnete, vollkommen demokratische Gesellschaft ist ein niemals zu erreichender Grenzwert…« (Wirtschaft und Gesellschaft heute, II Zeitfragen, Freiburg 1957, S. 63.) Hier wird also nicht die perfekte Gesellschaft postuliert und für erreichbar gehalten, aber es wird dem utopischen Modell Erkenntniswert in bezug auf die Realität zugeschrieben. Für eine anwendbare politische Theorie ist aber nicht die Feststellung, daß es in einer vollkommenen Gesellschaft keine machtmäßige Auseinandersetzungen geben würde, relevant, sondern die Erkenntnis, daß es stets solche Auseinandersetzungen geben wird. Das utopische Modell ist keine Prämisse für die Ordnungstheorie, es ist lediglich geeignet, die Realprämissen eben solcher Theorie zu begründen und zu erklären. Dazu bedarf es aber nicht des Demokratiebegriffs. Es wäre richtiger, hier einfach von vollkommener Gesellschaft zu sprechen (was aber im Grunde natürlich eine völlig andere Gesellschaft bedeutet) und den Demokratiebegriff für ein realisierbares Ordnungsmodell zu reservieren. Auf diese Weise käme deutlicher zum Ausdruck, daß Demokratie als politische Ordnung u. a. eben das Problem solcher machtmäßiger Auseinandersetzungen zu lösen hat. Der Konflikt wäre mit in die Ordnungsvorstellung hineingenommen und nicht als Friktion einer nicht realisierbaren Ordnung hinzugefügt.

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  81. Dietrich Schindler, »In der Wirksamkeit des Unterbewußten liegt der Erfolg der politischen Utopie. Denn die Utopie appelliert an das Unfaßbare, verschwommen-gefühlsmäßige; sie bleibt so unbestimmt, daß jeder seine Wünsche in sie hineinlegen und Erfüllung hoffen kann. Sie wird so jedem zur idealen Kompensation der realen Wirklichkeit, zur Abrundung des Gegebenen zu einem befriedigenden Ganzen.« (Verfassungsrecht und soziale Struktur, Zürich 1950, 3. Aufl. S. 86.)

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  82. Zum Verhältnis von Primärzielen und Ordnung vgl. auch Hättich, a.a.O., S. 215 f. und 221.

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  83. Duverger, »Von einer Regierung des Volkes durch das Volk sprechen ist ein nichtssagendes Gerede«; a.a.O., S. 6. O. Stammer, »Gewöhnlich wird Demokratie definiert als Regierung durch das Volk, als Selbstregierung des Volkes. Der >Demos<, d. h. die Summe der erwachsenen Vollbürger, kann aber nicht unmittelbar herrschen.« (A.a.O., S. 281.) Lippmann: »Das Volk kann sein Einverständnis zum Regiertwerden geben oder vorenthalten … Es kann die Regierung wählen. Es kann sie entfernen. Es kann ihre Regierungsausübung billigen oder mißbilligen. Aber es kann die Regierung nicht selbst handhaben, nicht selbst ausüben.« (Philosophia publica. Vom Geist des guten Staatswesens, München 1957, S. 23.) Adolf Schule, »Die geläufige Formel, Demokratie sei gleichbedeutend mit Selbstregierung, sei Regierung >durch das Volk über das Volk für das Volk< vereinfacht trotz des richtigen Kernes die Dinge zu sehr. Die Formel erklärt sich auch weniger aus dem Sachlichen als historisch; sie ist bei Lichte besehen eine Fiktion und wird damit vor allem der politischen Wirklichkeit nicht gerecht.« (Demokratie als politische Form und als Lebensform, in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche, Festschrift für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag, Göttingen 1952, S. 341.) Schumpeter, »das Volk herrscht in Tat und Wahrheit nie, aber durch Definition kann es immer dazu gebracht werden.« (Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie, Bern 1950, 2. Aufl., S. 391.) Vgl. auch O. Stammer, Gesellschaft und Politik, in : Handbuch der Soziologie, hrg. v. W. Ziegenfuß, Stuttgart 1956, S. 583.

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  84. Wie ungenau mit diesem Begriff der Volksregierung oft umgegangen wird, dafür nur folgendes Beispiel: Glum stellt mit Blick auf die manipulierten Demokratien in Süd-und Mittelamerika und im Ostblock fest: »Alles dies ist in Wirklichkeit keine Demokratie. Denn könnte man sagen, daß in diesen Ländern das Volk regiert oder auch nur die Möglichkeit hat zu regieren? Voraussetzung für die Demokratie ist, daß die Menschen gleiche politische Rechte besitzen und daß sie in Freiheit das Gemeinwesen aufbauen und tragen.» (Politik, Stuttgart 1958, S. 19.) Demgegenüber ist festzustellen, daß gleiche politische Rechte noch längst nicht Volksregierung bedeuten müssen. Die Formulierung »in Freiheit das Gemeinwesen aufbauen und tragen« ist ohnedies nicht sehr ergiebig und sagt über die Struktur der politischen Ordnung kaum etwas aus. Infolgedessen wird also die Behauptung, daß es sich hier nicht um Demokratie handelt mit der Verneinung der Volksregierung in diesen Ländern begründet. Sobald aber diese Volksregierung konkretisiert werden soll, wird auf andere Merkmale übergegangen, die nicht unwichtig sein mögen, die aber eben gerade nicht beweisen, was sie beweisen sollen, nämlich die Regierung des Volkes. Hermann Finer sagt: »Demokratie: das heißt Regierung durch alle, doch in der Praxis bedeutet Demokratie Regierung durch die Mehrheit, die um die Achtung weiß, die sie der Minorität schuldig ist.« (Theory and Practice of Modem Government, New York 1949, zit. nach d. dt. Ausgabe, Der moderne Staat, Stuttgart und Düsseldorf, 1957, Bd. I. S. 26.) Hier muß einfach die Frage gestellt werden, was die Formulierung »Regierung durch alle« für einen Sinn haben soll, wenn in einem Atemzug gesagt werden muß, daß es in der Praxis, also doch wohl generell, nicht nur unter Umständen, Regierung durch die Mehrheit bedeute. Gerade wenn man die Möglichkeit der Regierung durch alle unterstellt, also gerade wenn man die Fiktion aufrechterhält, muß man zugeben, daß das dann doch zwei qualitativ verschiedene Dinge enthält. Die Erklärung findet sich bei Finer später: »Die philosophische Basis der demokratischen Theorie führt zur gemeinsamen Regierung aller — das heißt zur Einstimmigkeit. Man hatte jedoch erkannt, daß, wie auch immer >Volk< definiert wird, diese Einstimmigkeit in der Praxis unmöglich ist, und daß darum die Mehrheit genügen muß.» (ebda. S. 156.) Was ist das für eine »philosophische Basis«, die zu einer politischen Theorie führt, die sich als falsch erweist? Die Unfruchtbarkeit solcher gedanklicher Hilfskonstruktionen, um den Wortsinn des Demokratiebegriffs in irgendeiner Weise noch retten zu können, zeigt sich, sobald man sie konsequent weiterdenkt: Unterstellen wir einmal die Möglichkeit der Einstimmigkeit. Dann stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Erkenntnis und Handeln. Bedeutet Wissen gleich Tun, dann haben wir die perfekte Gesellschaft, in der wahrlich keine Herrschaft mehr notwendig ist. Die Utopie ist vollkommen. Läßt die Übereinstimmung im Wissen des Gesollten aber die Möglichkeit des Entgegenhandelns offen, dann braucht sogar diese einstimmige Gesellschaft Herrschaft, welche dieses Entgegenhandeln verhindert. Und das muß ganz sicher von jedem Mitglied der Gesellschaft aus gesehen eine Herrschaft sein, die nicht mit ihm selbst identisch ist, sonst wären wir bei der Unterstellung der Selbstdisziplin aller, also wieder beim utopischen Fall von oben. Es hat wenig Sinn in der politischen Theorie, ein Idealmodell politischer Ordnung jenseits der Realität und des Möglichen anzusiedeln, um von dorther dann die unvollkommene Demokratie abzuleiten. Wir geben F. A. Hermens völlig recht, wenn er sagt: »… wenn es die Aufgabe der wissenschaftlichen Erforschung der Politik ist, die Wirklichkeit zu erklären, so haben ausführliche Erörterungen über zugestandenermaßen unmögliche Staatsformen keinen Sinn.« (Verfassungslehre, Frankfurt u. Bonn, 1964, S. 28.) Aber die Volksregierung ist nicht nur ideal-utopisches Leitbild, wenn etwa verlangt wird: »Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Demokratie, wir brauchen echte statt falscher, lebendige statt rein formaler, aktive statt defensiver Demokratie. Da immer mehr und mehr an Regierung unvermeidlich wird, brauchen wir wirkliche, verantwortliche Selbstregierung des Volkes, Selbstregierung statt bloßer Freiheit vom Regiertwerden.« (v. Kahler, a.a.O., S. 220.) Solchen Forderungen darf man nicht a priori leicht zu widerlegende naive Vorstellungen unterstellen. Es muß weiter gefragt werden, was denn mit dieser Selbstregierung gemeint sein könne. Ersten Aufschluß erhält man dort, wo die eigentliche Volksherrschaft nicht ins Utopische projiziert, sondern als reale Möglichkeit und historische Wirklichkeit gesehen wird. Das ist die am weitesten verbreitete These, daß die Demokratie als wirkliche Herrschaft des Volkes in der Polis, im Stadtstaat, in kleinen Staatsgebilden möglich sei. Der großräumige Flächen- und Massenstaat ist dann der Grund dafür, warum unmittelbare Volksherrschaft heute nicht mehr verwirklicht werden kann. So z. B. C. J. Friedrich: »Dieser vieldeutige Sprachgebrauch ist deshalb möglich geworden, weil es eine Volksherrschaft im strengen Sinne des griechischen Wortes und der griechischen Welt, wie sie etwa im Perikleischen Athen bestanden hat, gar nicht gibt und gar nicht geben kann.« (A.a.O., S. 9.) Die Stelle ist allerdings nicht ganz klar: bezieht sich das »bestanden hat« auf die Volksherrschaft oder auf die »griechische Welt«? Im letzteren Falle wäre nicht ohne weiteres behauptet, daß es die Volksherrschaft gab, sondern lediglich, daß der Inhalt des Begriffs im Sinne der ihn prägenden Welt nicht realisierbar sei. Obwohl letztere Interpretation etwas gezwungen erscheint, würde sie doch durch eine andere Stelle im selben Werk gestützt. Hier nennt Friedrich sogar den Begriff der Volkssouveränität als »ein Widerspruch in sich selbst« und weist nach, daß das Volk nicht der Souverän sein könne. (A.a.O., S. 23.) In diesem Zusammenhang wird auch ein Satz von H. Jahrreiss zitiert: »Die Regierten setzen die Regierenden ein und ab und lenken sie in ihrem Amt, indem sie bestimmte Aufgaben und bestimmte Methoden der Herrschaft fordern oder erlauben oder verdammen.« Und Friedrich hält dem entgegen: »Es ist mir keine einzige Demokratie bekannt, in der diese Feststellungen als eine Beschreibung der vorhandenen Wirklichkeit bezeichnet werden könnte. Nirgendwo lenken die Regierten die Regierenden in ihrem Amt. Und es wäre das ja auch ein Widerspruch; man brauchte ja die Regierenden gar nicht; wenn die Regierten zur Lenkung berufen wären, dann könnten sie wohl die Sache selbst machen.« (ebda) Es frägt sich, ob die Entgegnung dem von Jahrreiss Gemeinten gerecht wird; jedenfalls zeigt sie aber, daß Friedrich Volksherrschaft nicht für möglich hält. M. Duverger läßt ebenfalls den Begriff der Volksherrschaft auch für die sog. unmittelbaren Demokratien nicht gelten. »In den griechischen und römischen Städten wie in den derzeitigen Schweizer Kantonen werden die Angelegenheiten der Allgemeinheit ständig von einigen Männern verwaltet, die in Wirklichkeit die Regierenden sind. Die Volksversammlung tagt nur in kleineren oder größeren Abständen; sie kann nur einige wenige Fragen regeln. Übrigens bildet sich auch in ihr selbst immer eine Fraktion, eine aktive Minderheit, die die Masse mitreißt: eine weitere Kategorie von Regierenden, die sich von den Regierten unterscheiden.« (A.a.O., S. 6.) Bei Ihtiel de Sola Pool und George Schueler heißt es: »Kann sich aber das Volk selbst regieren? Es liegt in der Natur der Dinge, daß nur wenige Personen zur gleichen Zeit politische Schlüsselstellungen einnehmen können. Es sind daher die verschiedensten Bestimmungen ausgearbeitet worden, um eine weitgehende Beteiligung des Volkes an der Herrschaft sicherzustellen.« (in: Grundlegung der Politischen Wissenschaft, hrsg. v. K. Ossip Flechtheim, Meisenheim 1958, S. 307.) Auch hier verlangt der Text eine Unterscheidung zwischen Selbstregierung und »Beteiligung des Volkes an der Herrschaft«. Tatsächlich ist es, wie wir noch sehen werden, durchaus möglich, daß das Volk beim Herrschaftsakt auf sehr verschiedene Weise beteiligt wird, was keineswegs mit Volksherrschaft gleichbedeutend ist. Trotzdem ist das Kapitel unseres Zitats überschrieben: »Verfassungsbestimmungen zur Verwirklichung der Volksherrschaft«. Interessant ist, daß auch Schumpeter, der zahlreiche Fiktionen der Demokratie-Ideologie mit Scharfsinn auflöst, den Begriff der Volksherrschaft für die sog. unmittelbare Demokratie, wenn auch mit Vorbehalten gelten läßt.« In kleinen und primitiven Gemeinwesen mit einfacher sozialer Struktur, wo es wenig gibt, worüber man uneinig sein könnte, ist es denkbar, daß alle Individuen, die das durch die Verfassung definierte Volk bilden, tatsächlich an allen Pflichten der Gesetzgebung und Verwaltung teilnehmen. Gewisse Schwierigkeiten mögen auch in solchen Fällen bestehen bleiben, und der Psycholog, der das kollektive Verhalten analysiert, hätte noch manches zu sagen über Führerschaft, Reklame und andere Quellen der Abweichung vom populären Ideal einer Demokratie. Trotzdem dürfte es hier offenbar sinnvoll sein, vom Willen oder von den Handlungen des Gemeinwesens oder des Volkes als solchen -von Regierung durch das Volk zu sprechen, namentlich wenn das Volk mittels Debatten, die in der physischen Anwesenheit aller geführt werden, zu politischen Entscheidungen gelangt, wie zum Beispiel in der griechischen polis oder in den Stadtversammlungen Neu-Englands. Dieser Fall, von dem manchmal als dem Fall der unmittelbaren Demokratie< gesprochen wird, hat tatsächlich vielen politischen Theoretikern als Ausgangspunkt gedient.« (A.a.O., S. 389 f.)

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  85. Demokratie im Neuen Europa, in: Politische Bildung im demokratischen Staat, Ansprachen zur Eröffnung der Akademie für politische Bildung, Tutzing 1959 S. 8 ff.

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  86. Interessant ist in diesem Zusammenhang eine bei O. H. von der Gablentz (Die politischen Theorien seit der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung, Köln und Opladen, 2. Aufl. 1963, S. 300) zitierte Stelle Sun Yat Sens, wo zwischen Volksselbständigkeit und Volksherrschaft unterschieden wird. »Früher, als China noch von der Mandschu-Dynastie beherrscht war, trachteten sämtliche Revolutionäre nur nach der Volksselbständigkeit. Die Volksherrschaft (Demokratie) und den Volkswohlstand (Sozialismus) haben sie dagegen nicht wichtig genommen.«

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  87. Darüber mehr in Kap. V. Demokratie als historischer Prozeß; S. 62 ff.

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  88. Gut dargestellt ist der Unterschied von »Gestaltproblem« und »Legitimationsproblem« von M. Imboden (Rousseau und die Demokratie, Tübingen 1963, S. 6 ff.).

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  89. Vgl. Dritter Teil, Kap. XI, S. 138 ff.

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  90. Je weniger widersprüchlich und damit sinnvoll der Gedanke der Volksherrschaft gefaßt wird, um so mehr weitet er sich aus zu einem allgemeinen Phänomen der Politik überhaupt, eben zum Phänomen der Legitimität, als der Alternative zur reinen, von den Unterworfenen nicht akzeptierten Ursurpation. Das bedeutet aber, daß die Idee der Volkssouveränität in eben dem Ausmaß, in dem sie nicht ideologisiert ist, die Staatsformen übergreift, somit kein spezifisches Kriterium der Demokratie wird. »Die Legitimität ist vorhanden, wenn es dem System gelingt, im Volke die Überzeugung zu schaffen und zu erhalten, daß die bestehenden politischen Institutionen für die betreffende Gesellschaft die bestmöglichen sind.« (S. M. Lipset, Soziologie der Demokratie, Neuwied 1962, S. 70.) Diesen soziologischen Sachverhalt kann die politische Theorie, wenn sie nicht nur normative Sozialphilosophie sein will, nicht ignorieren. Legitimität in diesem soziologischen Sinne ist Fundament jeglicher Herrschaftsordnung, insoweit sie nicht ausschließlich auf Angst und Schrecken erzeugender Gewalt beruht. Das heißt nicht, daß über Legitimität nicht mehr und nichts Substantielleres auszusagen wäre. Aber auch wenn man das Problem der Legitimität staatsphilosophisch angeht, bleibt der Charakter der Allgemeinheit bestehen. Staatsformenlehre und Legitimitätsproblem sind die beiden großen Problemkreise aller politischen Theorie und Philosophie. Auch in der Tradition der Herrschaftsbegründung wird sichtbar, daß es gerade der Kern demokratischen Legitimitätsdenkens ist, der — einmal freigelegt — nicht mehr allein der Demokratie als Ordnungsform zugeordnet ist.

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  91. Vgl. hierzu vor allem: W. Hennis, »Amtsgedanke und Demokratiebegriff« in: »Staatsverfassung und Kirchenord-nung«, Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag, Tübingen 1962, S. 51 ff.

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  92. Vgl. auch E. Krippendorf, Legitimität als Problem der Politikwissenschaft, Zeitschrift für Politik, 1962, S. 1 ff., der u. E. allerdings die Frage zu sehr eingrenzt auf die Legitimität der jeweiligen Regierung in der Demokratie und damit außer acht läßt, daß es gerade der Sinn der Demokratie ist, daß die Regierung nicht nur von der sie wählenden Mehrheit, sondern auch von der Opposition als legitim betrachtet wird.

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  93. Ferner: Dolf Sternberger, Grund und Abgrund der Macht, Frankfurt a. M. 1962, vor allem S. 11 ff., und Arten der Rechtmäßigkeit, in: Politische Vierteljahresschrift, 3. Jhg., H. 1, März 1962.

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  94. C. J. Friedrich, Die Legitimität in politischer Perspektive, Politische Vierteljahresschrift, 1. Jhg. H. 2, Dezember 1960, und die dort angegebene Literatur; auch Sckumpeter, a.a.O., S. 390 ff. Dabrendorf (Gesellschaft und Freiheit, München 1961, S. 237 ff.) »Die Berufung auf göttliche Gnade oder alte Tradition reicht im totalitären wie im repräsentativen Staat nicht aus, um die Herrschaft zu rechtfertigen. Beide müssen zumindest so tun, als sei jede Entscheidung im Willen aller oder der Mehrheit begründet, >rational< legitimiert. In dieser Tatsache liegt der Grund, warum beide, totalitärer und repräsentativer Staat, sich mit einem gewissen Recht als >demokratisch< bezeichnen — und warum es sich empfehlen mag, diesen vieldeutigen Begriff zu vermeiden.« Hier handelt es sich also um inhaltliche Legitimitätstypen. Im oben erwähnten formalen und soziologischen Sinne geschieht die Legitimierung stets bezogen auf die Herrschaftsunterwor-fenen. Auch der Legitimitätstypus des Gottesgnadentums ist nur wirksam, wenn er geglaubt, angenommen wird. Die Bemerkung Dahrendorfs macht uns aber darauf aufmerksam, daß auch der demokratische Legitimitätstypus im engeren Sinne noch nicht notwendigerweise eine bestimmte Ordnungsform impliziert.

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  95. Iring Fetseber, »Im Grunde wäre die reine Demokratie eine >Regierung ohne Regierung< .. Das heißt, wo man eine reine Demokratie errichten könnte, bestünde fast ebenso die Möglichkeit, jede Regierung abzuschaffen.« (Rousseaus politische Philosophie, Neuwied 1960, S. 155.)

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  96. So kommt C. J. Friedrich zu der »herausfordernden Feststellung«, »daß in einem strengen Sinne in der Demokratie der Staat nicht existiert«. (A.a.O., S. 22.)

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  97. Vgl. auch Schumpeter, a.a.O., S. 386 ff.

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  98. A. Bergstraesser, »Im Zentrum des politischen Denkens und Handelns steht… die Herrschaftsordnung, kraft deren verbindliche Entscheidungen über das Ganze eines Gemeinwesens getroffen, mit Hilfe der Möglichkeit des Zwanges zur Durchführung gebracht und in der Durchführung erhalten werden.« (A.a.O., S. 23.) Reinbold Niebuhr, Staaten und Großmächte, Gütersloh 1960, S. 41: »Herrschaft ist bei jeder Art von Gemeinwesen unerläßlich, sei es auf der niedersten oder höchsten, der frühesten oder spätesten Stufe.« Duverger, »Im Innern einer jeden sozialen Gruppe — der kleinsten wie der größten, der primitivsten wie der entwickeltsten, der vergänglichsten wie der dauerhaftesten — besteht ein grundlegender Unterschied zwischen den >Regierenden< und den >Regierten<… der Unterschied ist mehr oder weniger deutlich, die Machtverteilung mehr oder weniger vollkommen, aber es gibt immer eine Unterscheidung, immer besteht eine Organisation von Machtverhältnissen.« (A.a.O., S. 5.) Finer, »Auch die demokratische Regierung übt einen Zwang aus.« (A.a.O., S. 21.)

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  99. Forsthoff, »Der Staat ist, wie immer man ihn definieren mag und wie freiheitlich er auch verfaßt sei, eine Herrschaftsorganisation.« (Verfassungsprobleme des Sozialstaats, München 1954, S. 5.) Gerhard Lange, »Mit der Unterscheidung von Regierten und Regierenden ist es unvereinbar, wenn es zum ideologischen Selbstverständnis der Menschen in der Bundesrepublik zu gehören scheint, den Herrschaftscharakter des demokratischen Verfassungsstaates zu leugnen. Demgegenüber sei betont, daß Herrschaft und Unterordnung universelle Sozialbeziehungen sind.« (A.a.O., S. 28.) Mit dieser Bemerkung berührt Lange eine Problematik des derzeitigen politischen Bewußtseins speziell bei uns in Deutschland. Auf der einen Seite haben wir es nach wie vor mit zähen Ablagerungen obrigkeitsstaatlichen Denkens sowohl bei Amtsträgern wie bei Bürgern zu tun. Auf der anderen Seite hat die Erziehung zur Demokratie in Reaktion auf die deutschen Erfahrungen häufig zu einseitig gegen den Typus des Untertanen zu wirken versucht und dort, wo sie erfolgreich war, die Illusion geweckt, als wäre Herrschaft auf jeden Fall etwas, wogegen man sich stellen müsse. So sind wir nach wie vor bei uns nicht über das zwiespältige Verhältnis zum Staat hinweg. Wenn die Herrschaftsphänomene unbefangen und nüchtern in den Blick des politischen Denkens genommen werden sollen, dann verhilft dazu gerade in der deutschen Situation u. E. nur rationale politische Bildung und Information, weder autoritäres noch demokratisches Pathos.

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  100. Escbenburg, »Die Demokratie mildert die Herrschaftstendenzen der Staatsgewalt, hebt sie aber nicht auf.« (Staat und Gesellschaft in Deutschland, Stuttgart 1956, 3. Aufl., S. 277.)

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  101. Vgl. auch Dabrendorf, Wie ist Freiheit in der modernen Welt möglich?, 1956, S. 18.

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  102. Zum Problem der Herrschaftslosigkeit vgl. neuerdings auch Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, Stuttgart 1964, S. 654 ff.

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  103. Vgl. W. Lippmann, a.a.O., S. 18.

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  104. Lippmann, a.a.O., S. 23.

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  105. So Duverger, Die politischen Regime, Hamburg, 1960, S. 10.

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  106. Ulrich Scheuner, Das Wesen des Staates und der Begriff des Politischen in der neueren Staatslehre, in: Festschrift für Smend, S. 251.

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  107. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 204 ff.

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  108. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 205.

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  109. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 205.

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  110. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 205.

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  111. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 223.

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  112. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 234 ff.

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  113. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 236.

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  114. Carl Schmitt, Verfassungslehre, 3. Aufl., Berlin 1957, S. 237.

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  115. Es sei noch einmal betont, daß wir uns bei dieser Kritik eng an die zitierten Äußerungen C. Schmitts gehalten haben, ohne in eine Auseinandersetzung mit diesen Identitätsthesen im Gesamtzusammenhang seines Werkes zu treten. Vgl. hierzu neuerdings vor allem: Jürgen Fijalkowski, Die Wendung zum Führerstaat, Köln und Opladen, 1958, vor allem auch S. 174 ff. F. kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, daß die Überlegungen Schmitts »so logisch und unzweifelhaft sie sind« in Wahrheit nichts zeigen, »was von Bedeutung für die Unterscheidung von Staatsformen wäre«. Wie F. hier zu dem Prädikat »logisch und unzweifelhaft«, dem wir uns für diese Stelle bei Schmitt nicht anschließen können, kommt, ist etwas verwunderlich, da er kurz vorher bemerkt: »Der Sinn dieser Unterscheidung zwischen Identitäts- und Repräsentationsprinzip ist etwas dunkel.«

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  116. Sh. ferner zur grundsätzlichen Auseinandersetzung: Heinz Laufer, Das Kriterium politischen Handelns, Münchner Diss. 1961.

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  117. Mathias Schmitz, Die Freund-Feind-Theorie Carl Schmitts, Köln und Opladen 1965.

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  118. Hans Scbaefer, Politische Ordnung und individuelle Freiheit im Griechentum, in Hans Freyer u. a.: Das Problem der Freiheit im europäischen Denken von der Antike bis zur Gegenwart, München 1958, S. 5 ff. Schaefer vermerkt auch, daß die Definition der Demokratie als Identität von Regierenden und Regierten bei Aristoteles referierend ist und nicht die Meinung des Aristoteles selbst wiedergibt.

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  119. Hanna Arendt, »Die athenische Polis regierte sich selbst ohne Scheidung zwischen Herrschern und Beherrschten zu kennen …« (Fragwürdige Traditionsbestände im politischen Denken der Gegenwart, Frankfurt 1957, S. 12.) Nach F. A. Hermens (Verfassungslehre, S. 36) hingegen bestand die »Identität« zwischen Herrschern und Beherrschten im Stadtstaat ebensowenig… wie in der modernen >indirekten< Demokratie.

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  120. G. Dürig (HDSW Bd. 9 S. 747) schließt von der Formel: »Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus«, die er zu Recht durch die Feststellung von der Rückwirkung dieser Gewalt auf das Volk ergänzt, auf die Identität: »Man kann daher die Demokratie als die Staatsform definieren, die eine Identität von Subjekt und Objekt der Herrschaftsgewalt anstrebt.« Diese Formulierung läßt aber eine sinnvolle Interpretation zu. Sie ist nicht gleichbedeutend mit Identität von Herrschenden und Beherrschten, da von Staatsgewalt als solcher die Rede ist. Man würde vielleicht statt Subjekt und Objekt besser sagen: Ausgang, Grund und Zweck der Staatsgewalt liegt in einem: dem Volk. Aber es bleibt bestehen, daß damit nicht unbedingt spezielle demokratische Ordnungsformen determiniert sind. Imboden, Die politischen Systeme, Basel u. Stuttgart, 1962, S. 23 f.: »Dieser dem Verfassungsstaat eigene Gedanke einer letzten Harmonie von Herrscher und Beherrschtem bleibt aber wiederum eine nur gedachte Gegebenheit. Sie nur als >Scheinvorstellung< zu bezeichnen, wäre zwar ein zu hartes Urteil; jedenfalls aber entspricht ihr keine greifbare Wirklichkeit. Denn das >Volk<, wie es am Ursprung der Herrschaft steht, ist eine andere Größe als das Volk, wie es schließlich zum Gegenstand der Herrschaft wird. Das Volk als vorgestellter Träger der Staatsgewalt ist nicht eine reale Potenz, eine sichtbar handelnde Einheit; es ist eine bloße Idee.«

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  121. Vgl. auch Imboden, Rousseau und die Demokratie, 1962, S. 19 f. Die Identität im Sinne der Einheit stiftenden Homogenität, gleichzeitig aber ihre »repräsentative« Seite kommt bei C. J. Friedrich zum Ausdruck, wenn er die Frage nach den Eigenschaften stellt, die einem Gewählten abverlangt werden. (A.a.O., S. 24 f.) Es sind nicht nur persönliche Eigenschaften, sondern vor allem auch die Repräsentationseignung. So bei aus mehreren Nationalitäten zusammengesetzten Wahlkörperschaften wie in Amerika: es »wird bei einem Wahlgang, wenn die Mehrheit italienisch sein sollte, der Italiener oft auch dann gewählt, wenn seine Eigenschaften in anderer Beziehung durchaus zu wünschen übriglassen. Offensichtlich hat in einem solchen Falle die Eigenschaft, Italiener zu sein, den Vorrang vor allen anderen Eigenschaften«. »Es folgt daraus, daß jeder, der sich um die Führung bewirbt, versuchen muß, die Gemeinsamkeiten zu verdeutlichen, die ihn mit den Gefährten verbinden, denn nur durch die Heraushebung der Gemeinsamkeiten kann er hoffen, von der Wählerschaft als repräsentativ empfunden zu werden.«

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  122. Schumpeter, »Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie«, Bern 1950, S. 418: »Wir sehen uns bei der Analyse politischer Prozesse weithin nicht einem ursprünglichen, sondern einem fabrizierten Willen gegenüber.«

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  123. Hennis, »Amtsgedanke und Demokratiebegriff« in: »Staatsverfassung und Kirchenord-nung«, Festgabe für Rudolf Smend zum 80. Geburtstag, Tübingen 1962, S. 65: »Es sollte heute eigentlich keiner weiteren Erfahrung mehr bedürfen, daß von dem Vorhandensein eines >einheitlichen Volkswillens< nur unter der höchst nachdrücklich erzwungenen Voraussetzung des stillen Schweigens aller derer die Rede sein kann, für die das Gesamtinteresse nicht mit dem jeweiligen Volkswillen identisch ist.« Es sei ferner verwiesen auf die von Wolfgang Mommsen zitierte Äußerung Max Webers, daß Begriffe wie »Wille des Volkes« und »Wahrer Wille des Volkes« für ihn bloße Fiktionen seien. (Max Weber und die deutsche Politik 1890–1920, Tübingen 1959, S. 392, und: Die »plebiszitäre Führerdemokratie«

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  124. bei Max Weber, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1963, H. 2.) Bei dieser Gelegenheit sei wiederum auf den Eigen-(nicht ausschließlichen) Wert des systematischen Verfahrens aufmerksam gemacht. In unserem Zusammenhang interessiert diese Feststellung Webers lediglich hinsichtlich ihres Wahrheitsgehaltes. Nicht interessiert uns hingegen der Stellenwert, den die Aussage im Werk Webers hat, weshalb wir uns mit dem Zusammenhang, den das Zitat bei Mommsen hat, nicht auseinanderzusetzen haben. Da wir der Feststellung Webers zustimmen, d. h. sie für richtig halten, bleibt sie für uns unabhängig von unserer Stellung zum Kontext sowohl bei Weber wie bei Mommsen wahr. Der Unterschied zwischen historischer Reflexion und ahistorisch-systematischer Reduktion kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden.

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  125. Fetscher, »unter volonté générale verstand Rousseau den einigen Willen einer politischen Gemeinschaft, der diesem >être moral et collectif zukommt und nicht mit der Summe der Einzelwillen identisch ist, noch ausschließlich das Interesse aller Einzelnen als Einzelnen, sondern vielmehr in erster Linie die Aufrechterhaltung ihrer >union< zum Ziele hat«. A.a.O., S. 117. Leibholz stellt die Frage, »wie es in einer funktionierenden Demokratie überhaupt dazu kommen kann, daß wir von einem Gemeinwillen oder Volkswillen oder >general will< sprechen, obwohl dieser Wille, wie wir gesehen haben, bei einer näheren Analyse sich doch nur als ein Wille der Minderheit des Volkes darstellt. Anders ausgedrückt: Wie kommt es in der Demokratie zur Herrschaft des Volkes als Einheit über das Volk als Vielheit? Wie wird das Volk zu einer politisch-willensfähigen Einheit integriert?« (Strukturprobleme, S. 144 f.) Seine Antwort bedient sich wieder der beiden Prinzipien Repräsentation und Identität. »Der Volkswille … könnte sich … nicht konstituieren und bliebe richtungs- und wirkungslos, wenn nicht repräsentative, gleichgültig wie formierte Instanzen beständen, durch die die vielspältige Menge individueller Willen zu einem wirklichen individualisierten Gemeinschaftswillen einheitlich zusammengeschlossen werden könnten.« (S. 145.) Aber das Prinzip der Repräsentation erklärt nach L. die Gemeinwillensbildung nicht völlig. Es kommt das Prinzip der Identität hinzu. Der Wähler z. B. tritt als »politisch akzentuierter Bürger und nicht als Repräsentant in Erscheinung«. »In der plebiszitären Demokratie, … in der sich das Volk in Gestalt der Aktivbürgerschaft sozusagen selbst versammelt, wird niemand repräsentiert und kommt der Gemeinwille ohne Zuhilfenahme repräsentativer Strukturelemente dadurch zustande, daß der Wille der Mehrheit der Aktivbürgerschaft mit dem des gesamten Volkes identifiziert wird. Anders ausgedrückt: Neben dem integrierend wirkenden politischen Prinzip der Repräsentation gibt es noch ein anderes Prinzip, das in der plebiszitären Demokratie willensvereinheitlichend wirkt und das man als das Prinzip der Identität, das den Willen der jeweiligen Mehrheit der Aktivbürgerschaft mit dem Volkswillen, d. h. der >volonté générale< identifiziert, bezeichnen kann.« (S. 145 f.) Auch dieser Darstellung gegenüber erhebt sich die Frage, ob nicht ein viel einfacherer Sachverhalt so kompliziert erklärt wird, daß der tatsächliche Vorgang dadurch eben eher verdeckt und somit das Denken über ihn ideologisch wird. L. weist kurz vorher überzeugend nach, daß von einer realen Identität irgendwelcher Teile des Volkes mit dem Gesamtvolk nicht die Rede sein kann. Wo immer also im Namen des Ganzen gehandelt wird, handeln Teile für das Ganze. Das aber bedeutet, daß immer eine Art Identifizierung im Sinne der geistigseelischen Zuordnung vor sich geht. Derselbe Vorgang läßt sich ebensogut — wir würden meinen besser — als Repräsentation bezeichnen. Was repräsentiert wird, ist stets das Ganze. Wenn beim plebiszitären Vorgang die Mehrheit der Aktivbürgerschaft, also Teile des Teils, sich real identisch mit dem Volk versteht, ergibt sich eine typische Demokratie-Ideologie! Diese Ideologie ist nur auflösbar, wenn auch der plebiszitäre Vorgang als ein im Grunde repräsentativer gewußt wird, was gleichzeitig heißt, daß er ein — von der Willenshomogenität zur handlungsfähigen politischen Einheit getragener — Herrschaftsvorgang ist. (Vgl. hierzu auch unsere Darstellung im Exkurs über die Repräsentation.)

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  126. Vgl. Tb. Eschenburg, a.a.O., S. 122 f.

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  127. Vgl. Heinrich Weinstock in seiner Einführung zu: J. J. Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Stuttgart 1958, S. 23.

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  128. Auf die umfangreiche Literatur zur politischen Theorie Rousseaus kann hier nicht eingegan-gen werden. Für das Bemühen, Demokratieideologien an der Wirklichkeit der tatsächlichen Prozesse zu messen, dürfte nach wie vor Schumpeter repräsentativ sein (a.a.O., S. 386 ff.). Bei Eschenburg (a.a.O., S. 68 ff.) stehen die Ausführungen über Rousseau am rechten Ort, nämlich unter dem Titel: »Rechtfertigung der staatlichen Gewalt«. Es ist die immer wieder anzutreffende Verwechslung und Vermengung von Staatsphilosophie und politischer Morphologie, welche in sich fruchtbare Denkansätze und Fragestellungen in politische Ideologien umschlagen läßt. Insoweit es richtig ist, daß für Rousseau das »Beobachtungsgebiet« die reine Demokratie ist (Hermens, a.a.O., S. 27), findet sich solche Verwechslung bei Rousseau selbst. Hermens weist in diesem Abschnitt, der mit »Der ideologische Demokratiebegriff« überschrieben ist, mit Recht auf eine hinter der Identitätslehre stehende Identitätsideologie, nämlich der »von Denken und Handeln« hin (a.a.O., S. 28). Auch die Überlegungen von Hermens führen schließlich zu der Feststellung: »daß die aktive Lenkung der organisierten Gesellschaft immer in der Hand einer Minorität liegen wird« (a.a.O., S. 39).

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  129. Sehr deutlich neuerdings von W. Hennis herausgearbeitet in: Meinungsforschung und repräsentative Demokratie, Tübingen 1957, vor allem S. 38 ff.; und: Amtsgedanke und Demokratiebegriff, a.a.O.

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  130. Ernst Fraenkel, »Das repräsentative und das plebiszitäre Regierungssystem beruhen … auf verschiedenartigen Legitimitätsprinzipien.« Die repräsentative und die plebiszitäre Komponente im demokratischen Verfassungsstaat, Tübingen 1958, S. 7.

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  131. Fraenkel, Die Wissenschaft von der Politik und die Gesellschaft, in : Gesellschaft, Staat, Erziehung, Blätter für politische Bildung und Erziehung 1963, Heft 5, S. 7.

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  132. Amtsgedanke und Demokratiebegriff, a.a.O., S. 55 ff.

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  133. Hennis, a.a.O., S. 55.

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  134. Hier zitiert nach der Übertragung von Hans Zbinden, Stuttgart 1959, S. 16 f.

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  135. Vgl. G. Burdeau, La Démocratie. Essai synthétique, Brüssel 1956, S. 37 ff.

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  136. W. Abendroth, Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: Aus Geschichte und Politik, Festschrift für Ludwig Bergstraesser, Düsseldorf 1954, S. 284.

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  137. Der Zusatz Abendroths, demzufolge diese Ordnungen zur Disposition »der Gesellschaft gestellt« sind, »die sich im demokratischen Staat selbst bestimmt«, ist geeignet, diesen Sachverhalt der Herrschaft zu verdecken.

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  138. W. Abendroth, Obrigkeitsstaat oder soziale Demokratie? in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Juni 1959, S. 349. Mit der Umkonstituierung der Gesellschaft als »zentraler Aufgabe der öffentlichen Gewalt« wird eine inhaltliche Bestimmung der Regierungsaufgabe gegeben. Ein Konsens kann hierin wohl kaum vorausgesetzt werden. Geschieht die Umkonstituierung auf Grund des Mehrheitswillens, dann liegt ein Beispiel für einen weitreichenden und weitgehend irreversiblen Herrschaftsakt vor. Hier wird das Postulat aber mit der Ordnung selbst verbunden. Wer sich für Demokratie entscheidet, muß sich demnach gleichzeitig für eine Umkonstituierung der Gesellschaft entscheiden. Damit wird die Entscheidung über eine so weitreichende gesellschaftspolitische Maßnahme ordnungspolitisch dem Willensbildungsprozeß vorweggenommen. Sie bleibt ihrer Intention nach außerhalb der Diskussion. Solche Ausweitung des Demokratiebegriffs ist deshalb problematisch, weil sie den Konsens im Grundsätzlichen der Ordnung erschwert, wenn nicht verhindert. Selbst wenn Übereinstimmung darin zu erzielen wäre, daß die Gesellschaft umkonstituiert werden müsse, also eine Übereinstimmung in der Kritik an der gegenwärtigen Gesellschaftsstruktur gegeben wäre, dann ist dies noch lange nicht gleich dem Konsens in der Frage des Wie. Soll eine Umkonstituierung auf nicht gewaltsam revolutionäre Weise vor sich gehen, dann setzt sie eine politische Ordnung mit entsprechenden Willensbildungsvorgängen voraus — mit dem Risiko zugegebenermaßen, daß sie überhaupt nicht erfolgt, wenn sich für sie keine Mehrheit findet. Die Einbeziehung der grundlegenden Gesellschaftsverhältnisse — wobei in der Praxis je stets bestimmte Änderungsvorstellungen bestehen — in die Demokratie als Wesensbestandteil, macht die Demokratie zum Parteibegriff und schließt die Gegner der Umkonstituierung — in Wirklichkeit eben einer ganz bestimmten — aus dem die demokratische Grundordnung tragenden Konsens aus.

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  139. W. Abendroth, Obrigkeitsstaat oder soziale Demokratie? in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Juni 1959, S. 349.

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  140. W. Abendroth, Zur Funktion der Gewerkschaften in der westdeutschen Demokratie, in: Sultan und Abendroth, Bürokratischer Verwaltungsstaat und soziale Demokratie, Hannover und Frankfurt 1955, S. 60. Ferner ebda.: Abendrotb, Demokratie als Institution und Aufgabe, S. 111 ff.

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  141. Weniger problematisch, aber deshalb auch in ihrer Notwendigkeit noch weniger überzeugend ist die Begriffsverwendung da, wo die Bereiche sauber unterschieden werden. So unterscheidet Duverger zwischen politischer und sozialer Demokratie, wobei letztere »auf einer ganz anderen Ebene« liegt; a.a.O., S. 19 f. Die soziale Demokratie will »vor allem der wirtschaftlichen Versklavung ein Ende machen«. Die hauptsächlichen Techniken zur Verwirklichung der sozialen Demokratie sind die Entwicklung der Sozialversicherung, um allen Not und Risiken zu ersparen und die Ersetzung der kapitalistischen Unternehmerformen durch neue Formen (Kooperativen oder Verstaatlichungen). Nun kann man sehr wohl für neue Unternehmungsformen eintreten; und gegen die Sozialversicherung wird prinzipiell kaum mehr jemand sein. Aber all dies sind doch sozialpolitische Maßnahmen, die mit der politischen Ordnung unmittelbar nichts zu tun haben, sie sind auch in anderen Systemen, die man nicht als Demokratien bezeichnen kann, möglich. Man kann ja noch nicht einmal generell sagen, sie seien in diesem oder jenem System leichter zu verhindern oder durchzusetzen.

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  142. O. Stammer, Gesellschaftliche Entwicklungsperspektiven und pluralitäre Demokratie, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Oktober 1961, S. 577.

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  143. O. Stammer, Gesellschaftliche Entwicklungsperspektiven und pluralitäre Demokratie, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Oktober 1961, S. 582.

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  144. Vgl. unten S. 98 ff.

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  145. Stammer, Gesellschaftliche Entwicklungsperspektiven und pluralitäre Demokratie, in: Gewerkschaftliche Monatshefte, Oktober 1961, S. 584.

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  146. Vgl. Anmerkung 11.

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  147. v. d. Gablenz, »Der totale Staat hat seinen Namen daher, daß er sämtliche Grundfunktionen des gesellschaftlichen Lebens gleichmäßig regelt.« — Der Staat in der pluralistischen Gesellschaft, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, 4. Jg., S. 135. Zur »Fundamentaldemokratisierung« siehe vor allem: Karl Mannheim, Man and Society in an Age of Reconstruction, London 1940.

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  148. Dolf Sternberger bemerkte in einem Rundfunkvortrag, »daß schon soziologische Theorien und Forschungen aufgestellt worden sind, die das autoritäre Element nicht allein im Staat und in anderen großen kollektiven Verbänden, sondern bis in die kleinsten gesellschaftlichen Gebilde, bis in die Beschaffenheit der Familie, ja bis in die Anlage der individuellen menschlichen Person hinein verfolgen, mit dem Ziel, es dort an seinem vermeintlichen Ursprung zu bekämpfen, und in der Erwartung, daß es dann aus der politischen Ordnung von selber verschwinde«. Aus »Autorität, Freiheit und Befehlsgewalt«, Manuskript des Südwestfunks, 1. Teil, S. 9.

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  149. Man muß allerdings unterscheiden zwischen der gesamtgesellschaftlichen Ausweitung des Begriffs und der These, daß die politische Ordnung nicht nur eine Organisation darstellt, sondern als lebendige Form realisiert wird, also Lebensformen im politischen Sinne voraussetzt oder bewirkt. Bei C. J. Friedrich (Demokratie als Herrschafts- und Lebensform) geht das Verständnis mehr in diese letzte Richtung, womit es in unser nächstes Kapitel gehört.

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  150. Richard F. Behrendt, a.a.O., S. 78.

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  151. Behrendt, a.a.O.

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  152. H. D. Lasswell, Politik und Moral, Analyse des politisch-sozialen Verhaltens, Stuttgart- Düsseldorf 1957, S. 9.

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  153. Otto Stammer, Politische Soziologie, 1957, S. 278 f.

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  154. Kurt Sontheimer, Antidemokratisches Denken in der Weimarer Republik, in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, 5. Jg., S. 42 ff.: »Montesquieu hat in der Tugend das Lebensprinzip der Demokratie gesehen. Er hat dieses Prinzip streng geschieden von der Natur der Demokratie als ihrer formalen Staatsstruktur.«

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  155. Finer, a.a.O., S. 11.

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  156. Vgl. M. Hättich, Das Toleranzproblem in der Demokratie, in: Civitas, Jahrbuch für christliche Gesellschaftsordnung, 4. Bd., Mannheim 1965, S. 15 ff.

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  157. Adolf Schüle, Demokratie als politische Form und als Lebensform, in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche, Festschrift für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag, Göttingen 1952, S. 329.

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  158. Schüle, Demokratie als politische Form und als Lebensform, in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche, Festschrift für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag, Göttingen 1952, S. 329.

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  159. Schüle, Demokratie als politische Form und als Lebensform, in: Rechtsprobleme in Staat und Kirche, Festschrift für Rudolf Smend zum 70. Geburtstag, Göttingen 1952, S. 329.

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  160. Schüle nennt weiterhin die »Achtung vor der Menschenwürde« und »das Gebot der Gleichbehandlung« (a.a.O., S. 331). »Die Demokratie verlangt von uns, daß niemand sich für etwas Besseres halte als den anderen, daß jeder seinen Mitmenschen als seinesgleichen ansehe und daß er sich im täglichen Umgang entsprechend gebe.« (a.a.O., S. 333.) Das alles stimmt nur, wenn der Demokratiebegriff beliebig ausgeweitet und mit dem guten Zusammenleben gleichgesetzt wird. Will man das nicht, dann handelt es sich auch bei diesem Zitat um eine der vielen in diesem Zusammenhang antreffbaren nie bewiesenen Behauptungen. Beschränkt man den Demokratiebegriff sinnvoll auf die politische Ordnung, dann stimmt es nicht, daß die Demokratie solches von uns verlangt. Vielmehr gilt: Wenn diese Forderungen in einer Gesellschaft als zum guten Zusammenleben notwendig angesehen werden, dann muß solche über die Gleichheit vor dem Gesetz hinausgehende Gleichheit selbständig und in Eigenverantwortung von den Menschen realisiert werden, gerade weil die politische Ordnung als freiheitliche solches Verhalten nicht »verlangen« kann. Was der ausgeweitete Demokratiebegriff alles decken muß, zeigt sich wieder, wenn Schüle fortfährt: »Die Unterlassung eines Grußes bezeugt daher nicht nur schlechte Erziehung, sondern auch undemokratische Einstellung.« -»Auch die Art der Anrede ist in diesem Zusammenhang von Wichtigkeit: in der Demokratie ist jedermann ein >Herr< und nicht mehr als dieses.« (a.a.O., S. 334.) Warum genügt es nicht, die Grußunterlassung als Unhöflichkeit zu bezeichnen? Wo es notwendig ist, dafür die Demokratie zu strapazieren, ist eigentlich bewiesen, daß in einer Gesellschaft das, was man damit will, gerade nicht verwirklicht ist. Und das Beispiel der Anrede macht die Demokratie nicht wertbesetzter, sondern verstrickt sie in die zeitliche und örtliche Relativität von Sitten und Gebräuchen. Ähnliche Beispiele finden sich bei Sultan (Bürokratie und politische Machtbildung, in: Sultan-Abendroth, Bürokratischer Verwaltungsstaat und soziale Demokratie, Hannover und Frankfurt, 1955, S. 7 ff.). Er vergleicht die deutschen Amtsbriefe ohne Anrede und Schluß-floskel mit den englischen, die mit »Dear Sir« beginnen und mit »Your obedient servant« enden (a.a.O., S. 7). Auch hier handelt es sich um Fragen des Anstandes und der Höflichkeit, die mit der politischen Ordnung nicht unmittelbar zu tun haben. (Auch in der Sowjetunion gibt es eine Erziehung zur Höflichkeit.) Mit der demokratischen Ordnung hat es zu tun, daß wir unserer Auffassung über den Verkehr der Bürokratie mit dem Bürger Ausdruck und Geltung verschaffen können, was in unfreiheitlicher Ordnung versagt werden kann. — Das zweite Beispiel Sultans ist etwas differenzierter zu sehen. Er berichtet von einem englischen Bürger, der bei einem Disput über seine Gemeindesteuer vom town-clerk aus dem Zimmer verwiesen wird. Der Mann ist nicht gegangen, sondern erklärte: »Sie sind mein Angestellter, ich bezahle Sie mit meinen Steuern — und ich verlasse das Zimmer dann, wenn es mir paßt, und nicht, wenn Sie es mir sagen.« Und Sultan bemerkt, daß in Deutschland der Bürger »einen Prozeß wegen Beamtenbeleidigung an den Hals« bekommen hätte; d. h. er hätte geschwiegen und seinem Herzen zu Hause oder am Stammtisch Luft gemacht. -Ohne auf Einzelheiten der Erzählung eingehen zu wollen, sei darauf verwiesen, daß hier allerdings etwas zum Ausdruck kommt, das mit Demokratie mehr zu tun hat als die bisherigen Beispiele. Es ist die Idee der Volkssouveränität, in deren Konsequenz die staatlichen Behörden nicht primär als Hoheitsorgane, sondern als im Dienste der Bürger stehende Institutionen betrachtet werden. Hier haben wir es mit einer Ausdrucksform der hinter der Ordnung liegenden politischen Idee zu tun. Insofern stellt dieses Beispiel etwas Richtiges heraus, unbeschadet der Tatsache, daß es wörtlich genommen natürlich auch überzogen ist. Einmal geht letzten Endes auch in England wie anderswo der Mann nicht auf jeden Fall nur aus dem Behördenzimmer, wenn es ihm paßt. Zum anderen haftet der Feststellung »Sie sind mein Angestellter« etwas Ideologisches an. Sie verdunkelt den Sachverhalt, daß diese Behörde eben doch Herrschaftsfunktionen ausübt und nicht in einem bloßen Unterordnungsverhältnis zum Bürger steht. Außerdem ist dieses Verhältnis auf ein individuelles reduziert, was ebenfalls nicht stimmt. Der Behördenvertreter ist keineswegs in einem solchen Verhältnis gegenüber dem einzelnen Bürger. Der Dienstcharakter käme besser zum Ausdruck, würde er sagen: Sie sind unser Angestellter. Denn nur über diesen gesellschaftlichen Bezug wird die Aussage sinnvoll. Immerhin dürften die angeführten Beispiele verdeutlicht haben, worum es uns geht. Wir halten gerade in der politischen Erziehung und Bildung, die den Bürger zur bewußten Bejahung der Demokratie führen will, die beliebige Ausweitung des Demokratiebegriffs und seine moralische Füllung im dargelegten Sinne für verhängnisvoll. Sie vermittelt nicht Einsicht in die politischen Ordnungszusammenhänge, sondern kultiviert im Sprechen über Politik das Unpolitische.

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  161. Auf eine hier berührte Problematik verweist Dahrendorf, wenn er feststellt: »… in ihrer Antwort auf autoritäre Tradition sind der totalitäre und der repräsentative Staat einander verblüffend ähnlich. Vielleicht liegt in dieser Verwandtschaft eines der großen politischen Probleme unserer Zeit… Der totalitäre Staat beruht ebenso wie der repräsentative auf der Teilnahme der Bürger am politischen Geschehen. Beide hängen sogar davon ab, daß der einzelne in den politischen Prozeß hineingezogen wird, daß er nicht, wie im autoritären Staat, abseits steht und sich völlig auf seine Privatsphäre beschränkt. Sowohl im totalitären als auch im repräsentativen Staat nehmen die Institutionen der Erziehung eine zentrale Stellung ein. Für beide Staatsformen ist es außerordentlich wichtig, daß junge Menschen durch ein allgemeines Erziehungswesen zu den allgemeinen und den besonderen politischen Werten der Gesellschaft hingeführt werden.« (Wie ist Freiheit in der modernen Welt möglich, a.a.O., S. 21 f.) Diese Ausführungen lassen übrigens auch den Unterschied zwischen soziologischer und ordnungspolitischer Betrachtung mit ihren je eigenen Erkenntnisfunktionen erkennen.

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  162. Voegelin, Demokratie im Neuen Europa, in: Politische Bildung im demokratischen Staat, Ansprachen zur Eröffnung der Akademie für politische Bildung, München 1959, S. 8.

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  163. Die Aktivität der Bürger als Kriterium der Demokratie läßt diese stets nur als graduelle Annäherung an ein Nichtrealisierbares erscheinen. So, wenn Leibholz sagt: »… je mehr Staatsbürger politisch mobilisiert werden, um so mehr kann ein Regime beanspruchen, als Demokratie angesprochen zu werden. Denn je mehr das Volk politisch aktiviert wird, um so näher kommt man in der politischen Wirklichkeit der Idee, daß das Volk als Ganzes als real handelnde Einheit in Erscheinung tritt«. (Freiheitliche demokratische Grundordnung, a.a.O., S. 22.) Wir dürfen hier auf unsere obigen Ausführungen über den ideologischen Demokratiebegriff verweisen. Das Volk tritt nie als real handelnde Einheit in dem hier von Leibholz gemeinten Sinne, sondern stets nur im Sinne der Repräsentation auf, was nicht von der Zahl der Repräsentanten, sondern von der Zustimmung zur Repräsentationsform abhängt.

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  164. In unseren Zusammenhang gehört auch die Diskussion um die sog. »Formaldemokratie«. Nach dem bisher Gesagten wird man verstehen, daß wir die negative Beurteilung des »Formalen« nicht teilen, wenn etwa gesagt wird, die Demokratie müsse »zu einer Gesinnung, einer Lebenshaltung werden und sich aus formalen Regeln zu einer lebenden Daseinsform entwickeln«. (Michael Freund, Zum Schlagwort »formale Demokratie, in: Welche Freiheit meinen wir? Stuttgart 1958, S. 33.)

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  165. Vgl. auch Weiser, Konformismus und Demokratie, in: Hamburger Jahrbuch für Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik 1959, S. 323: »Demokratie ist eine Ordnungsform. Man spricht jedoch auch von >demokratischer Gesinnung<. Damit ist eine bestimmte Haltung zu sittlichen und kulturellen Fragen des sozialen Lebens gemeint.« Es scheint uns auch fraglich, ob man so ohne weiteres behaupten kann, die Weimarer Republik sei an ihrem Formalismus zugrunde gegangen (Kurt Sontheimer, a.a.O.). Wir würden gerade auch im verbreiteten Unverständnis gegenüber dem Formalen eine der Ursachen sehen. Weil man die zündenden Ideen, die Einheit und die Harmonie, den feststehenden Inhalt und das moralisch Erhebende in ihr vermißte, deshalb liebte man diese Demokratie u. a. nicht. Für die politische Bildung erhebt sich die Frage, ob sie nicht dazu beitragen sollte, daß das Denken über die Demokratie sachlicher, weniger heilsbezogen und das heißt nicht zuletzt formaler wird. Sontheimer ist insofern wieder recht zu geben, als natürlich das Formale nicht Selbstwert ist, sondern an im Konsens gründende Primärwerte gebunden, erst — aber eben als das Formale — wert- und bedeutungsvoll wird.

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  166. Vgl. Tocqueville, a.a.O., vor allem die Einleitung S. 5 ff.

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  167. Lange, Politische Soziologie, Frankfurt 1961, S. 30.

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  168. Finer, a.a.O., S. 129 f.

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  169. Finer, ebda.: »Dem entsprechend sind sich die Demokraten im Prinzip einig, aber in den meisten Einzelheiten uneinig. Sie waren und sind in einer Negation vereint: in ihrer Gegnerschaft zur Willkürherrschaft eines Monarchen oder sehr weniger Einzelner. In positiven Vorschlägen findet man sie jedoch weitgehend getrennt… Die Wahrheit ist, daß die europäische Monarchie von einem Konglomerat von Menschen angegriffen und überwältigt wurde, in dem sich die verschiedensten Absichten und die verschiedensten Beweggründe ein Stelldichein gaben. Nach gelungenem Vollzug tauchten die ursprünglichen Interessen weiterhin nebenher auf, neue kamen hinzu, und jede neue Regierungskonstruktion erhielt die Form, die von den eigentümlichen und komplizierten Kräften jener Interessen gebildet worden war. Diese Ideen waren unterschiedlich, sie sind unterschiedlich, sie unterscheiden sich weiterhin; und solange dies so ist, bleiben demokratische Institutionen, Hoffnungen und Grundsätze der Kritik notwendigerweise so verschiedenartig, daß sich die Demokraten manchmal untereinander entweder einfältig oder boshaft vorkommen.«

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  170. Leibholz, Strukturprobleme…, S. 13. Mit diesem Zitat ist nicht behauptet, daß Leibholz damit die Demokratie erklärt haben will.

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  171. Auch Georges Burdeau begreift Demokratie nicht primär als Staat, sondern als Bewegung (siehe a.a.O., vor allem S. 110).

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  172. Habermas, Reflexionen über den Begriff der politischen Beteiligung, in: Habermas u. a.: Student und Politik, Neuwied 1961, S. 15

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  173. Dazu auch: Franz L. Neumann, The Concept of Political Freedom, in: The Democratic and the Authoritarian State, Glencoe, IL, 1957. Einigt man sich auf Demokratie als im Wesen freiheitssteigernde Bewegung, dann muß man sich damit abfinden, daß der Begriff die Funktionen, die wir ihm abverlangt haben, nicht leistet. Dann aber muß man sich für die spezifische Ordnung auf eine andere Bezeichnung einigen.

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  174. Vgl. hierzu auch: Wright, Democracy and Progress, New York 1949;

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  175. ferner: Ossip K. Flechtheim, Das Dilemma der Demokratie, in: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie, 1963, XLIX/2–3, S. 213 ff. Selbstverständlich sind für die historische Betrachtung Begriffsbildungen wie liberale Demokratie, Sozialdemokratie oder Christliche Demokratie sinnvoll, vor allem, wenn sie Begriffe eines politischen Selbstverständnisses entsprechender Gruppen und damit geschichtlicher Entwicklungen sind.

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  176. Vgl. etwa: Michael P Fogarty, Christliche Demokratie in Westeuropa, Basel, Freiburg, Wien 1959;

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  177. und Hans Maier, Revolution und Kirche, Studien zur Frühgeschichte der christlichen Demokratie 1789–1850, Freiburg 1959. -Solche Bewegungen und Gruppierungen stehen zu der von uns postulierten Ordnungsvorstellung in einem ähnlichen Verhältnis wie etwa Kapitalismus oder wirtschaftlicher Liberalismus zum Ordnungsmodell der Marktwirtschaft, wie älterer Sozialismus oder Kommunismus zur Zentralverwaltungswirtschaft. Ihre historische Erhellung ist im Gesamt der Politikwissenschaft unentbehrlich, aber ihre Begriffsbildungen sind für eine angewandte politische Theorie in der Regel nicht brauchbar. 1 Schumpeter, »Die Demokratie ist eine politische Methode, das heißt: eine gewisse Art institutioneller Ordnung, um zu politischen … Entscheidungen zu gelangen, und daher unfähig, selbst ein Ziel zu sein, unabhängig davon, welche Entscheidungen sie unter gegebenen historischen Verhältnissen hervorbringt.« (a.a.O., S. 384.)

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  178. Wie fruchtbar die »morphologische« Methode für die Theorie ist, zeigt in der neueren Literatur das Vorgehen Eschenburgs, wo vor der Staatsformenbestimmung und vor der Beschreibung eines konkret-geschichtlichen Staatsgebildes die möglichen Formen der politischen Willensbildung herausgearbeitet werden; a.a.O., S. 115 ff.

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  179. Es sei noch einmal betont, daß wir die meisten auf diesem Wege zustande gekommenen Begriffsbestimmungen der Demokratie für brauchbarer halten als alle bisher von uns kritisierten. Wenn etwa die Abhängigkeit der Regierungsbildung und Gesetzgebung von periodisch wiederkehrenden Volkswahlen zum Kriterium gemacht werden (so auch Eschenburgy Elemente der Herrschaftsordnung des Staates, in: Schicksalsfragen der Gegenwart, Bd. II, 1957, S. 94), so ist das für die politische Theorie eine sinnvolle Bestimmung, die den Zweck der Abgrenzung zu anderen Systemen erfüllt. Wir werden zwar im zweiten Teil zeigen, daß wir eine generalisierendere, die Institutionen noch nicht benennende Morphologie für möglich und für zweckmäßig halten. Bei dem eben genannten institutionellen Demokratiebegriff läßt sich auch der Innentypus- die Legitimitätsformel, die von der Theorie getrennt untersucht werden muß (vgl. Eschenburgy Staat und Gesellschaft… Rechtfertigung der Staatsgewalt, S. 50 ff.), mitdenken und von jedem Bürger geistig vollziehen, indem der Satz für ihn eigentlich erst recht sinnvoll wird, wenn ihm das Warum dieser Abhängigkeit von Volkswahlen vor Augen steht. Da dieses Mitdenken der Legitimitätsformel erstens gar nicht zu verhindern und zweitens für den realen Bestand einer politischen Ordnung wesentlich ist, erweist sich der Versuch, die Demokratie ohne jeglichen Wertbezug zu definieren, als eine Scheinlösung. Lipset: »Wenn ein politisches System sich nicht zu einem System der Werte bekennt, das dem friedlichen Kräftespiel Raum gibt, wird die Demokratie zum Chaos.« (a.a.O., S. 33 f.) Finer weist darauf hin, daß »das Ziel der Herrschaft und die Folgen der Herrschaft immer zum Wesensgehalt der Definition und zur Bezeichnung der Herrschaftsformen gehört haben, und daß ihre bloß technische Seite … kaum je als ausreichend angesehen wurde, eine Regierung zu charakterisieren.« (a.a.O., S. 129.) Habermas: »Die politischen Wissenschaften verzichten nach und nach auf eine Ableitung der Demokratie aus Prinzipien, wie sie der klassischen Sozialphilosophie und der älteren Staatsrechtslehre geläufig war; sie ersetzen den objektiven Sinn der Institutionen durch ihre abstrakten Bestimmungen. Statt etwa vom Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit und der Volkssouveränität zu deduzieren, definieren sie Demokratie durch ihren tatsächlichen Apparat … Den Staat nunmehr unter dem Aspekt einer Einrichtung politischer Herrschaft zu begreifen, ist fraglos auch ein Fortschritt. Aber die neuere Demokratieforschung bezahlt ihn mit dem Preis einer folgenreichen Beschränkung: Demokratie gilt fortan als eine bestimmte politische Methode; ihre Einrichtungen erscheinen formal als ein System möglichen Gleichgewichts; und am Ende brauchen nur die Gleichgewichtsbedingungen zureichend erkannt zu werden, um den Apparat sachgemäß zu steuern. Diese sozialtechnische Auffassung unterstellt die Demokratie als ein Modell, das sich vom realen Prozeß ihres gesellschaftlichen Ursprungs ablösen und, Anpassungen eingerechnet, auf beliebige Situationen übertragen läßt.« (a.a.O., S. 13 f.) Daß wir eine Identifizierung der Demokratie mit dem Prozeß ihres gesellschaftlichen Ursprungs für untauglich halten, haben wir im vorigen Kapitel zu zeigen versucht. Im Unterschied zu Habermas sprechen wir der Modelltheorie unverzichtbaren Erkenntniswert zu.

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Hättich, M. (1967). Die Problematik des Demokratiebegriffs. In: Demokratie als Herrschaftsordnung. Ordo Politicus, vol 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96258-4_1

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