Zusammenfassung
Erst in der Zeit von 1871 bis 1914 erschloß sich Deutschland in vollem Umfange der Industrialisierung. Im Jahre 1882 waren noch 42% der Erwerbstätigen Deutschlands in der Landwirtschaft beschäftigt; 1907 arbeiteten 42% in der Industrie1. Diese Entwicklung ging selbst an den ursprünglich rein agrarischen ostelbischen Gebieten nicht spurlos vorüber.
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Literatur
Vor allem die Caprivischen Handelsverträge (1891–1893) brachten einen ungeheuren Aufsdrwung der deutschen Industrie in den neunziger Jahren. Ziekursch a.a.O., S. 58.
Dittrich a.a.O., S. 52, 64 f.
Krupp hat mehrfach versucht, das Reichstagsmandat im 5. Wahlkreis Düsseldorf (Essen) zu erobern. Es gelang ihm nur einmal in der IX. Legislaturperiode (1893), da Essen gleichzeitig das Zentrum der christlich-sozialen Arbeiterbewegung war. Der christliche Arbeiterführer Gerhard Stötzel hatte sich dort 1877 gegen einen adligen Gegenkandidaten seiner eigenen Partei durchgesetzt und vertrat den Wahlkreis von der III. bis zur VIII. Legislaturperiode und dann wieder in der X. und XI. Legislaturperiode. Seit 1877 war der Wahlkreis jeweils zwischen Krupp bzw. seinen Hintermännern und Stötzel umkämpft. 1890 hatte Krupp sogar eine sogenannte nationale Arbeiterpartei ins Leben gerufen, die 9792 Stimmen gegenüber den 21 665 Stimmen Stötzels und 3342 Stimmen der Sozialdemokratischen Partei gewinnen konnte. 1893 waren die Versuche von Krupp endlich von Erfolg gekrönt; für ihn wurden in der Stichwahl 25 056 Stimmen abgegeben, für Stötzel nur 22 287. 1898 unterlag Krupp allerdings wieder, weil die SPD zugunsten Stötzels auf eine eigene Kandidatur verzichtete; 1903 gelang es dem Kruppschen Kandidaten Klingmann nicht mehr, in die Stichwahl, die nunmehr zwischen Zentrum und SPD ausgetragen wurde, zu gelangen.
Vgl. Lebensgeschichte des Freiherrn von Stumm-Halberg, Hellwig a.a.O. Freiherr von Stumm gehörte für den 6. Wahlkreis Trier (Ottweiler, St. Wendel, Weißenheim) von 1867 bis 1878 und wieder ab 1889 bis zu seinem Tode am 8. März 1901 dem Reichstag an. In der Ersatzwahl wurde am 12. Juni 1901 gegen einen Zentrumskandidaten der dem Stummschen Konzern nahestehende nationalliberale Abgeordnete Prietze gewählt. Erst 1903 gewann der Zentrumsabgeordnete Fuchs endlich den Wahlkreis. Aber schon 1907 fiel er wieder an den Schwiegersohn des Freiherrn von Stumm, den Generalleutnant a. D. von Schubert (Hospitant der Nationalliberalen Partei), obwohl die Bevölkerung des Wahlkreises zu 57,8 °/o katholisch war. Wie stark der politische Einfluß des Stummschen Unternehmens war, geht daraus hervor, daß in diesem doch überwiegend industriellen Wahlkreis die SPD 1903 gerade 170 Stimmen und 1907 571 Stimmen gewinnen konnte. Krupp und Stumm lehnten eine Beteiligung der Arbeitnehmer an den Institutionen der betrieblichen Sozialeinrichtungen konsequent ab. Vor allem der letztere wurde durch den von ihm vertretenen »Herr-im-Haus«-Standpunkt berüchtigt, fand aber damit großen Anhang in schwerindustriellen Kreisen. Er wandte sich gegen jede gewerkschaftliche und politische Betätigung der Arbeiter in seinem Betrieb, verband aber damit eine weitreichende betriebliche Sozialpolitik. Um dieses Ethos des Unternehmers zu bewahren, widmete er sich der Politik und stand mit dieser Gesinnung im Gegensatz zu vielen seiner Standesgenossen, denen nur ihre persönlichen wirtschaftlichen Interessen wichtig waren.
Nach Sombart, »Die deutsche Volkswirtschaft« a.a.O., S. 448, ergibt sich folgende Rechnung: Im Jahre 1895: größere Unternehmer mit mehr als 50 Beschäftigten ca. 19 000 kleinere Unternehmer (abzüglich der selbständigen Landwirte, Handwerker usw.) ein Drittel der Gesamtzahl = 22 000 größere Handelsbetriebe (11–50 Beschäftigte) 10 000 Gesamtzahl: 50 000 bis 60 000 einschließlich Familienangehörige 150 000 bis 200 000 gleich 1,3 bis 1,8 % der Bevölkerung. Man könne aber auch von der Einkommensschichtung ausgehen. 1895 gab es in Deutschland rund 2 Millionen Erwerbstätige mit 3000 bis 12 500 Reichsmark Einkommen, also mit Familienangehörigen 3 bis 5 % der Bevölkerung.
Die erste Spaltung der Interessen war mit dem Übergang zum Schutzzoll erfolgt. Wie tief der Gegensatz war, zeigt der Umstand, daß die Nationalliberale Partei von da an keine eindeutige Stellung zur Außenhandelspolitik mehr beziehen konnte.
MdR I–XI für Deutsche Reichspartei. Er stand von 1849–1855 als Sohn eines dem mecklenburgischen Uradel angehörigen schleswig-holsteinischen Amtmannes im Staatsdienst und war zuletzt Landrat. 1855 kaufte er sich an, aber beschränkte sich, ungleich vieler seiner Standesgenossen, nicht auf die landwirtschaftliche Tätigkeit, sondern erwarb sich vor allem in der Gründerzeit ein großes industrielles Vermögen. Als einer der ersten entdeckte er aber auch die politischen Möglichkeiten von Verbandsgründungen und begründete zusammen mit Axel Henry Bueck 1876 den Zentralverband der deutschen Industriellen, etwas später die schutzzöllnerische Vereinigung der Steuer-und Wirtschaftsreformer, und er fehlte schließlich auch einige Jahre später nicht bei der Gründung des Bundes der Landwirte.
Die Differenzierung in die verschiedenen Unternehmertypen kann für unsere Erörterung außer Betracht bleiben — vgl. hierzu Wolfgang Zorn, Typen und Entwicklungskräfte des deutschen Unternehmertums a.a.O. -, da diese für die soziale Schichtenbildung nicht sehr erheblich ist. Ob Unternehmereigentümer, Aufsichtsratsunternehmer, Direktor-Unternehmer oder gar Sachverwalter-Verbandsgeschäftsführer, die politischen und sozialen Interessen werden vermutlich annähernd auf einer Ebene stehen. Falls solche Differenzierungen eine Rolle spielen sollten, ist jeweils im Text darauf Bezug genommen.
Die Differenz der hier angegebenen Zahlen gegenüber der Tabelle 18 S. 191 ergibt sich durch die Eliminierung der Kategorie IV.
MdR V–XIII, Großaktionär und langjähriger Aufsichtsrat der Schlesischen Aktiengesellschaft für Bergbau und Zinkhüttenbetrieb. Lipine, Oberschlesien, Standesherr und Großgrundbesitzer.
Bein a.a.O.
Regierungsbezirk Düsseldorf Nr. 6: Duisburg.
Verein zur Wahrung der wirtschaftlichen Interessen in Rheinland und Westfalen.
Bein a.a.O.
Erst in der XIII. LP gehörte der Nationalliberalen Fraktion von schwerindustrieller Seite wieder der Vorsitzende des Vereins deutscher Eisen- und Stahlindustrieller, Wilhelm Meyer, an.
Es handelt sich hier um Theodor Schlumberger, MdR, X, XI; Max Jaunez MdR XI, kons. wild; Baron de Schmid MdR X, XI, kons. wild; Charles de Wendel MdR XII, kons. wild; Albert Gregoire MdR XII, liberal wild; August Windeck MdR XIII, kons. wild.
MdR X–XIII.
Dafür stehen Namen wie die der Abgeordneten Klemm, Siegle, Möller, Bassermann.
Hier seien nur die Namen Schrader, Georg von Siemens, Frese, Karl Johannes Kämpf, Otto Wiemer, Heinrich Dove und Otto Fischbeck genannt.
Gustav Siegle MdR VII–IX; Peter Paul Mauser MdR X.
MdR II–VIII, NL, dann LibV, dann FVP.
MdR V–VII, IX, X LibV Fvgg; dann Demokrat. Vgg.
MdR VIIKX.
MdR II, VI, VII, VIII, X Fvgg.
Pachnicke a.a.O., S. 48.
Georg v. Siemens, Freiherr v. Heyl unter den Abgeordneten.
Die Fraktion der DRP wurde von v. Kardorff, Freiherrn von Gamp und Freiherrn von Stumm geführt.
Man kann vermuten, daß die Zahlen, die Kremer a.a.O. angibt, meist nur kleine und mittlere Unternehmer erfassen, da in den Handbüchern die Großunternehmer oft andere Berufe angegeben haben. Die Zahl der aktiv tätigen mittleren Unternehmer beträgt nur 48. Vgl. Tabelle 20, S. 208.
So z.B. Tille: Die Arbeitgeberpartei a.a.O. S. 8. Er führt als Gründe für die schlechte Vertretung der Industrie im Reichstag neben dieser Teilnahmslosigkeit das System der Parteien an. Die Unternehmer müßten neben den Weltanschauungs- und Interessenparteien bei allgemeinem, gleichem Wahlrecht immer unter ihrer Bedeutung für das Gesamtwohl vertreten sein. Nachteilig wirke sich vor allen Dingen auch dazu hin die Unbeliebtheit der Industrie und der Neid breiter Kreise ihr gegenüber aus.
Vgl. F. v. Rauchhaupt: Handbuch a.a.O. S. 52.
In den Reichstagsdebatten der XI. Legislaturperiode (Sten. Ber. des Deutschen Reichstages XI. Legislaturperiode, Band 258, Seite 152 ff., Seite 219 und Band 259, Seite 1009, 1395, 1414 ff.) wünschte sich unter anderem der Staatssekretär Delbrück mehr Industrielle im Reichstag, die ihre Interessen selbst verträten. Es wurde darauf hingewiesen, daß der Hansa-Bund gerade dazu dienen sollte.
z. B. der zeitweilige Vizepräsident des Deutschen Reichstags, Reinhart Schmidt, MdR V, VII–XI; August Hoffmeister, MdR X–XII; Erwin Goller, MdR XI–XII; L. H. Buddeberg, MdR V–VIII, XII.
Vgl. Sternberger, Dolf (Hrsg.): Kandidieren zum Bundestag, Köln 1961, S. 203 ff.
Tatsächlich führt auch Tille (Arbeitgeberpartei a.a.O. S. 7) für die XII. Legislaturperiode nur zehn »richtige Industrielle« auf, nämlich die konservativen Abgeordneten Beuchelt und Zindler, die nationalliberalen Hausmann, Freiherrn von Heyl, Merkel, Wehl, ferner Schmidt-Altenburg (Deutsche Reichspartei), den Lothringer de Wendel, die Freisinnigen Wagner und Hoffmeister.
Beuchelt, MdR XII, Schmidt-Altenburg, MdR XII.
Karl Timmemann, MdR V–X, Friedrich Schaettgen, MdR VIII–X, Michael Krings, MdR XIII.
Als finanzielle Mittelsmänner sollen die Gebrüder Klöckner auch schon vor dem Weltkrieg eine Rolle gespielt haben.
MdR IX–XII.
Unter 172 nationalliberalen Abgeordneten gab es 13 Katholiken, davon waren wieder vier Industrielle.
Der nachgewählte SPD-Abgeordnete Carl Sperka, MdR XI u. XII (Nachwahl für 4. Württemberg [Böblingen]).
Vgl. Kapitel 14, S. 250.
Eine Ausnahme davon bilden natürlich die Banken und Versicherungen. Jedoch waren hier die Direktoren meist so maßgeblich beteiligt, daß sie bei der Vertretung der Interessen des Großkapitals abgehandelt wurden.
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Molt, P. (1963). Das Gewerbliche Grossbürgertum im Reichstag. In: Der Reichstag vor der improvisierten Revolution. Politische Forschungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-96234-8_12
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