Zusammenfassung
In bisherigen soziologischen Analysen der Mutter-Tochter-Beziehung wurde mit Hilfe der Rollentheorie die Funktion der Mutter beschrieben und bestimmt. Danach galt sie als Anleiterin, die die Tochter in die Rolle der Frau einführt. Neuere Untersuchungen beschäftigen sich mit der Frage der Entwicklung und Heranbildung der Geschlechtsidentität und der Funktion, die die Mutter in dem Entwicklungsprozeß der Tochter übernimmt. Geschlechtsidentität ist mehr als Geschlechtsrolle. Geschlechtsidentität ist das, was in der Gesellschaft als ‚männlich‘ oder ‚weiblich‘ definiert und bewertet wird. Dies gilt es zu übernehmen bis zu dem Grad, daß die soziale Definition zur Selbstdefinition wird. Der Definitionskatalog ist weit gefaßt. In ihm enthalten sind die objektiv auszumachenden Aufgabenbereiche der Geschlechter als auch die subjektive Verhaltensebene. Es ist z.B. vorgesehen, daß der Mann im öffentlichen Bereich tätig ist, die Frau im privaten; daß eine Frau Einfühlungsvermögen entwickeln muß, der Mann dagegen Egoismus. Es ist vorgeschrieben, was ein Mann und eine Frau fühlen muß, um als männlich oder weiblich zu gelten.
Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es. Kein biologisches, psychologisches, wirtschaftliches Schicksal bestimmt die Gestalt, die das weibliche Menschenwesen im Schoß der Gesellschaft annimmt. Die Gesamtheit der Zivilisation gestaltet dieses Zwischenprodukt zwischen dem Mann und dem Kastraten, das man als Weib bezeichnet.
Simone de Beauvoir 1949
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Rosen, R. (1993). Die Heranbildung der Geschlechtsidentität. In: Mutter — Tochter, Anne — Kiz. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95953-9_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95953-9_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-8100-0938-8
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