Zusammenfassung
Die Neuwahl zur Nationalversammlung vom Juni 1968 besiegelte das Ende der Streik- und Protestbewegung. Die gaullistische Formation, die „Union pour la Défense de la République“, erhielt im zweiten Wahlgang 46 Prozent der Stimmen und die absolute Mehrheit der Sitze: 294 von 485, während das sozialdemokratische Wahlbündnis FGDS (mit 21 Prozent) eine schwere Niederlage erlitt und sich bald darauf auflöste1. Nach dem Rücktritt Pompidous bildete Couve de Murville eine Regierung, die sich mit Reformen nicht beeilte. Die politische Hegemonie der Rechten schien durch nichts zu erschüttern. Die Linke schlug eine unitäre Strategie ein und einigte sich 1972 auf ein „Gemeinsames Regierungsprogramm“. Die Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen entzog traditionellen keynesianischen Politikmustern die Grundlage. Auf ideologischem Terrain war ein Übergang vom Strukturalismus zu den „Neuen Philosophen“ und der Totalitarismuskritik zu verzeichnen. Auf spektakuläre Weise eroberte die Neue Rechte die Medienbühne. Nach dem Tode Sartres wurde die Frage, ob Linksintellektuelle eine vom Aussterben bedrohte Spezies sind, zeitgemäß.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Anmerkungen zu Kapitel 7
Capdevielle et al. 1988, 172. — Die Autoren bemängeln, daß die Wahlen von 1968, die den Gaullisten die bis dato größte Fraktion bescherten, im Unterschied zu anderen Wahlen kaum erforscht sind.
Rund 450000 Stimmen trennten ihn von Alain Poher.
In diesem Fahrwasser erschienen im März 1975 Vorschläge zur Unternehmensreform (Réforme de l’entreprise) von Pierre Sudreau.
Cf. auch Mendès France 1974, 136sq. sowie 141: „Surtout — comme en 1936 — la classe ouvrière a pris une autre mesure de son pouvoir.“ Die wichtigste Auswirkung sei, daß die Arbeiterklasse sich bewußt geworden sei, daß ihre Macht eine andere Dimension angenommen hatte.
In Frankreich wie in Italien haben die großen Parteien nicht nur Flügel (wie die Jusos in der SPD), sondern bestehen aus mehreren Strömungen (courants resp. Correnti).
Wenige Tage nach dem Kongreß wurde Mitterrand zum Premier secrétaire, zum Parteivorsitzenden gewählt.
Capdevielle et al. 1988, 247
Im August 1973 fand die erste große Demonstration gegen diesen Beschluß des Verteidigungsministers (von 1971) statt.
Schäfer 1989, 92
Cf. Le Monde du 21 mars 1990, 10
Richard William Johnson, The Long March of the French Left; New York, St. Martin’s Press 1981, 72
Johnson 1981, 93, 116, 133
Rassemblement pour la République, im Dezember 1976 gegründet.
Zum Begriff „Fordismus“ cf. Kapitel 5.2; cf. Alain Lipietz, L’audace ou l’enlisement; Paris, La découverte 1984, 16sq.
Johnson 1981, 183
Zu dessen Wirtschaftspolitik cf. neben Max Steinacker/Andreas Westphal, Sozialistische Wirtschaftspolitik in Frankreich (Berlin, Wissenschaftlicher Autoren Verlag 1985) auch: Henrik Uterwedde, Internationalisierung und politischer Wandel in Frankreich 1974–1986 (Ebenhausen, Stiftung Wissenschaft und Politik 1987 ) sowie das weitgehend textgleiche: H. Uterwedde, Die Wirtschaftspolitik der Linken in Frankreich. Programme und Praxis 1974–1986 ( Frankfurt/M., Campus 1988 )
J.-J.Becker 1988, 157
Die kleine Partei der Linksrepublikaner: Mouvement des radicaux de gauche.
Johnson 1981, 206
Johnson 1981, 252sqq.
Zahlreiche Darstellungen des Konfliktes liegen vor: siehe die Hinweise in: Schmidt et al. 1983, 36sqq.
The Crisis of Democracy. Report on the Governability of Democracies to the Trilateral Commission. Michel Crozier et al.; New York, New York University Press 1975
Entspricht 158,8 Liter
Cf. zur Kritik verschiedener Krisenerklärungen: Kowalsky 1989, 212sq.
Cf. Wolfgang Kowalsky, Die Entwicklung der französischen Gewerkschaftsbewegung. Aktuelle Tendenzen unter den Linksregierungen, in: Lendemains 41/1986, 104–113, bes. 104sq.
Sirinelli, in: Rémond 1988, 554
Sirinelli, in: Rémond 1988, 918sq. — 1974 besaßen 80% der Haushalte ein Fernsehgerät gegenüber 98% in den USA.
Cf. Données sociales 1987; Paris, INSEE o.J., 397. — Bis 1964 gab es nur einen Fernsehkanal, erst seit 1972 drei.
Capdevielle et al. 1988, 7Osq. sowie Danielle Tartakowsky in: Margairaz 1989, 317–333
Von 1949 bis 1985: cf. Données sociales 1987, 356
Claus Leggewie, Propheten ohne Macht. Die neuen sozialen Bewegungen in Frankreich zwischen Resignation und Fremdbestimmung, in: Karl-Werner Brand (Ed.), Neue soziale Bewegungen in Westeuropa und den USA. Ein internationaler Vergleich; Frankfurt/Main, Campus 1985, 83–139
Leggewie 1985, 136
Leggewie 1985, 100sq.
Améry 1971a, 79
Laut Cohen-Solal 1985, 535: „On n’emprisonne pas Voltaire“.
Améry 1971, 166
Europäisierung Europas: Zwischen französischem Nuklearnationalismus und deutschem Nuklearpazifismus. Materialienband von Claude Bourdet und Alfred Mechtersheimer (Hrsg)., Berlin, Verlag Europ. Perspektiven 1984, 64 (Nachdruck aus: links, Mai 1984 )
In „La Pensée“ vom Oktober 1967 antwortete Lucien Sève Maurice Godelier.
Bruno Schoch, Marxismus in Frankreich seit 1945; Frankfurt/M., Campus 1980
Améry 1985, 53 resp. 61sq. Wie Oswald Spengler komme Foucault „von Nietzsche her“ (ib. 238).
Améry 1985, 58, 60
Lothar Baier, Wer unsere Köpfe kolonisiert. Zur Frage, ob die Emanzipation von der ratio fällig ist, in: Literaturmagazin 9. Der neue Irrationalismus; Reinbek, Rowohlt Taschenbuch Verlag 1978, 81
Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen; Frankfurt/ Main, Suhrkamp 2. Aufl. 1985, 292 ( I X. Vernunftkritische Entlarvung der Humanwissenschaften: Foucault )
Habermas 1985, 302 resp. 302 Fußnote
B. Schmidt et al. 1983, 106
Altwegg 1986, 141 resp. 112. - Über die Nouveaux philosophes cf. Les Nouvelles littéraires vom Juni 1976, über B.H.L. u.a. die Literaturhinweise in: Rousso 1987, 340 (n. 17–20).
Altwegg 1986, 23
Rousso 1987, 166
Lévy 1981, 252
Altwegg 1986, 150sq.
Altwegg 1986, 29
Europäisierung Europas 1984, 190
Grand Prix de l’essai. Cf. Rousso 1987, 208
Altwegg 1986, ll9sqq. - Bisher: Figaro Dimanche. Die erste regelmäßige Ausgabe von „Le Figaro Magazine“ erschien am 7. Oktober 1978. - Ende der 80er Jahre betrug die Auflage des „Figaro Magazine” 665.000 und lag damit auf dem zweiten Platz nach „Paris Match“ mit 875.000 Exemplaren.
Siehe die Liste bei: Taguieff 1984, 70. - Armin Mohler nennt die Figaro-Beilage einen „Blockadebrecher“ (A. Mohler, Wir feinen Konservativen. Was lehrt uns die französische „Neue Rechte”? in: Criticon. Konservative Zeitschrift 54, Juli-August 1979, 171 )
Zitiert nach: Alain de Benoist, Kulturrevolution von rechts. Gramsci und die Nouvelle Droite; Krefeld, Sinus 1985, 19; ähnlich in: Aus rechter Sicht. Eine kritische Anthologie zeitgenössischer Ideen; Tübingen, Grabert-Verlag 1983, 17. Im Original: Vu de droite. Anthologie critique des idées contemporaines; Paris, Copernic (1977) 1979, 18
Benoist 1985, 20; der zweite Teil identisch in: 1983, 19. Im Original: Benoist 1979, 19
Benoist 1985, 21sq. - Oberst La Rocque stand als Führer der Feuerkreuzler (Croix-de-Feu) an der Spitze der Massen, die im Februar 1934 auf das Parlament zumarschierten und eine Straßenschlacht mit der Polizei anzettelten. General Boulanger begründete eine antirepublikanische Bewegung und drohte mit einem Staatsstreich. Er gewann 1887/89 verschiedene Wahlen und gilt als Initiator früher rechter Massenbewegungen.
Benoist 1985, 23sq. Im Original: A. de Benoist, Les idées à l’endroit; Paris, Libres-Hallier 1979a, 65
Benoist 1985, 25sq. Im Original: Benoist 1979a, 67
Einen Überblick bietet das Dossier: L’été de la nouvelle droite, in: éléments no 3211979, 6–14: Fast „500 Artikel“ über die „n.d” (also: nouvelle droite) seien erschienen (ib. 7), und der Auftritt in der Literatur-Fernsehsendung von Pivot wird so gewertet: „Apostrophes: une,consécration` intellectuelle pour tout nouveau courant de pensée“ (ib. 13). Thema des Heftes war: La nouvelle droite à visage découvert.
Cf. dazu Marieluise Christadler, Die Nouvelle Droite. Zwischen revolutionärer Rechten und konservativer Revolution, in: Eike Hennig/Richard Saage, Konservativismus — eine Gefahr für die Freiheit? München, Piper 1983, 209. — Rémond hält das Vichyregime vom Faschismusverdacht frei.
Vorwort von Armin Mohler zu Benoist 1985, 9sqq.
Mohler in Benoist 1985, llsq.
Altwegg 1988, 141
Le Débat s’est fondé (..) sur la conviction qu’une véritable métamorphose du modèle intellectuel était en train de s’opérer.“ (Die Zeitschrift wurde gegründet aus der Überzeugung heraus, daß das Modell des Intellektuellen sich grundlegend verändert — So Le Débat no. 50, 3). Die Zeitschrift magazine littéraire spitzte zu: „Nos modernes intellectuels parlent à l’unisson. L’intellectuel de gauche s’est évanoui. Du Nouvel Observateur de Jean Daniel à l’Express de Jimmy Goldsmith, de Commentaire à l’Esprit en passant par le Débat, le même discours sur la démocratie, l’individualisme et les droits de l’homme se répète” (Unsere modernen Intellektuellen sprechen mit einer Stimme. Der Linksintellektuelle ist verschwunden. Überall wiederholt sich der gleiche Diskurs über Demokratie, Individualismus und Menschenrechte — no 248, déc. 1987, 16). Und der Chefideologie der Nouvelle Droite, Alain de Benoist, flankierte: „L’idéologie des droits de l’homme, nouvelle religion d’une modernité finissante“ (Die Ideologie der Menschenrechte ist die neue Religion einer zu Ende gehenden Modernität — ib. 48). Bereits der Begriff „Menschenrechte” ist verkürzend, da er unterschlägt, daß 1789 ebenfalls von zivilbürgerlichen Rechten die Rede war: „La Déclaration des droits de l’homme et du citoyen“. — Der Herausgeber der Zeitschrift „le débat”, Pierre Nora, verfaßte für die Jubiläums-Nr. 60 (mai-août 1990) eine selbstgefällige und rechthaberische Bilanz („l’histoire nous a donné raison“, „on ne s’était pas beaucoup trompé”, 5, cf. 3, 4), in der der „tote Hund“Sartre nicht einmal mehr erwähnt wird.
Pascal Ory et al. 1986, 6, 41 etc.
Données sociales 1987; Paris, INSEE, 356.
Jean-Michel Besnier /Jean-Paul Thomas, Chronique des idées d’aujourd’hui. Eloge de la volonté; Paris, Presses Universitaires de France (PUF) 1987, 67.
Erst in jüngster Zeit erkannten klarsichtigere Denker aus den Reihen des PS wie Claude Estier, daß der Niedergang des PCF — auf eine Wählerschaft von 1,4 Mio. bei der Europawahl 1989 gegenüber beispielsweise 5 Mio. 1945 oder 5,7 Mio. 1978 — der gesamten Linken schadet (France Inter, 19 juin 1989, 19.15 h)
Z.B. in der Nuklearfrage, in der Einstellung zu Gorbatschow: Wenn die Rocard-Regierung 1989 positiv vom neuen sowjetischen Kurs sprach, ließ sie heraushören, daß es ganz überflüssig ist, den Kapitalismus in Frankreich anzugreifen, da doch Moskau sich gerade um dessen Wiedereinführung bemühe.
Selbst die utopiefeindliche FAZ forderte in einem Leitartikel am 27. Februar 1989: „Aufbruchstimmung und Zuversicht — warum nicht auch einmal eine Vision?“ und beklagte den „permanenten Zwang zur Wählersuche”, „der Berechnung der Stimmenmaximierung“ und seine Auswirkungen: „Die Parteien streben zur Mitte und zum Mittelmaß.” Die Sozialdemokraten und Rechten „unterscheiden sich (..) nur in Nuancen voneinander.“
Le Monde 5 mai 1987, 9
Hinter der Redeweise von den „Modernisierungsopfern“, die zur Erklärung des Aufschwungs rechtsextremer Parteien bemüht wird, steht ein mechanistischer Erklärungsansatz, der die Relevanz der strategischen Umsetzung politischer Ziele verkennt. Die Ursachen sind in der Politik, im Versagen politischer Führung i.S.v. Hegemonie zu suchen; den Ausschlag geben nicht unbeeinflußbare „objektive” Faktoren.
Gilbert Ziebura, Über das Chamäleonhafte linker Intellektueller, in: Prokla 70, März 1988, 19–32; im folgenden Seiten 20, 23, 24.
Seit 1939 Leiter der Agitations-und Propagandaabteilung der KPdSU (B). Erinnert sei an sein Lagertheorem, das die Konzeption für die internationale Ebene formulierte: Es gebe „zwei Lager, das imperialistische und antidemokratische Lager einerseits und das antiimperialistische und demokratische andererseits“.
Einige können unter bundesdeutschen Verhältnissen die Abstülpung der Sichtweise noch um Jahre hinausschieben, indem sie in Nischen des Alternativsektors flüchten. Doch spätestens mit dem Wechsel vom Ökobäcker zur (Öko-)Bank, von der „taz“ zum „Spiegel” können sie sich nichts mehr vormachen.
Während Frankreich zu Beginn des Zweiten Weltkriegs eine zerstrittene Nation war, in der einzig über Pazifismus ein weitgehender Konsens bestand, war die englische Nation im Willen zur Verteidigung der Demokratie und damit in der Bereitschaft zum Widerstand gegen Hitlerdeutschland geeint. (Eine solche Betrachtungsweise erfordert die Revision naiv-internationalistischer Konzeptionen von „Nation“: Cf. dazu meinen Beitrag in: Zeitschrift für sozialistische Politik und Wirtschaft spw 54/ 1990, 51–57.)
Rights and permissions
Copyright information
© 1991 Leske + Budrich, Opladen
About this chapter
Cite this chapter
Kowalsky, W. (1991). Vom „Mai 68“ zum Mai 81: ungleichzeitige Entwicklung von Politischem und Kulturellem. In: Kulturrevolution?. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95943-0_7
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95943-0_7
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-0914-2
Online ISBN: 978-3-322-95943-0
eBook Packages: Springer Book Archive