Zusammenfassung
Neben den Niederlanden war die alte Bundesrepublik dasjenige Land Westeuropas, in dem die neuen sozialen Bewegungen — d.h. Phänomene des kollektiven Bürgerprotests wie die Bürgerinitiativbewegung, die Antiatomkraft- bzw. Ökologiebewegung, die Frauenbewegung, die Friedensbewegung und die Alternativbewegung (Brand u.a. 1986) — die breiteste Unterstützung in der Gesellschaft erfuhren (Fuchs/Rucht 1994). Der vorliegende Beitrag setzt sich mit der Frage auseinander, auf welche Weise und in welchem Umfang neue soziale Bewegungen auch in der ehemaligen DDR und in den neuen Bundesländern als Phänomen kollektiven Handelns von Relevanz waren bzw. sind.
Wir danken Katja Ahlstich, Oscar W. Gabriel, Karin Lasthuizen, Thomas Poguntke und Jan W. van Deth für hilfreiche Hinweise und Kommentare zu diesem Beitrag sowie Hermann Schwenger für seine Unterstützung bei der Literaturbeschaffung.
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Literatur
Allgemein zum Begriff der sozialen Bewegung vgl. Diani (1992) und Rucht (1993). Zum Stand der Forschung über die neuen sozialen Bewegungen in westlichen Demokratien vgl. Dalton/Küchler (1990), Rucht (1991a) sowie Tarrow (1994). Spezielle Überblicke zum Forschungsstand über die neuen sozialen Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland finden sich bei Rucht (1991b) und Schmitt-Beck (1992).
Traten dem Neuen Forum bei der förmlichen Gründung im Januar 1990 30.000 Bürger ausdrücklich bei, so schrumpfte die Mitgliederzahl bis 1993 auf 1.700 (Hinze 1993). Auch Bündnis 90/Grüne verfügen nur über einen äußerst schmalen Mitgliederstamm. 1990 gab es in den neuen Bundesländern etwa 1.700 Mitglieder. Bis 1995 hat sich der Mitgliederbestand zwar verdoppelt (Bundesgeschäftsstelle Bündnis 90/Die Grünen 1995: 5), aber auch damit ist er in quantitativer Hinsicht noch immer eine marginale Größe.
Erhielten sie bei den Wahlen des Jahres 1990 (Volkskammerwahl, Landtagswahlen, Bundestagswahl) jeweils rund 550.000 Stimmen, so konnten sie vier Jahre später gerade noch zwischen 350.000 (Landtagswahlen) und 370.000 Wähler (Bundestagswahl) mobilisieren.
Die Analysen basieren auf den monatlichen Politbarometer-Erhebungen der Forschungsgruppe Wahlen e.V. in der Zeit von Januar 1990 bis Dezember 1994. Von einer Wiedergabe der numerischen Ergebnisse und einer genaue Erläuterung der Operationalisierungen wird an dieser Stelle aus Platzgründen abgesehen; siehe dazu Schmitt-Beck/Weins (1995).
Frageformulierung: „Bitte geben Sie nun anhand dieser Liste für die einzelnen Bereiche an, ob die Regierung dafür weniger oder mehr Geld ausgeben sollte. Bedenken Sie dabei, daß sehr viel höhere Ausgaben auch höhere Steuern erfordern können. ... Wie ist das mit dem Umweltschutz?“
Frageformulierung: „Wie zufrieden sind Sie heute mit... der Demokratie in der Bundesrepublik ganz allgemein?“ Die in den alten und den neuen Bundesländern insignifikante Variable Elitenvertrauen ist operationalisiert als additiver Index auf der Grundlage folgender Aussagen: „Die Parteien wollen nur die Stimmen der Wähler bzw. Wählerinnen, ihre Ansichten interessieren sie nicht“, Politiker bzw. Politikerinnen kümmern sich darum, was einfache Leute denken“ und „Die Bundestagsabgeordneten bemühen sich um einen engen Kontakt zur Bevölkerung“. Antwortvorgabe war jeweils Skala von -2 = stimme überhaupt nicht zu bis +2 = stimme voll und ganz zu. Zur Indexbildung wurden die Variablen in die gleiche Richtung gepolt.
Der Aussage: „Der Sozialismus ist im Grunde eine gute Idee, die nur schlecht ausgeführt wurde“ konnten die Befragten auf einer Skala von 1 bis 4 zustimmen.
Frageformulierungen: „Wenn Sie bitte einmal sorgfältig diese Liste mit verschiedenen Organisationen und Gruppen durchlesen und mir bitte sagen, welcher davon Sie angehören.“ bzw. „Es gibt eine Reihe von Grupppen und Bewegungen, die Unterstützung von der Bevölkerung suchen. Würden Sie mir bitte zu jeder Gruppe, die ich vorlese, nach diese Liste hier sagen, ob Sie dafür sind oder dagegen sind?“ Es muß ausdrücklich darauf hingewiesen werden, daß beide Arten von Orientierungen nicht im selben sachlichen Kontext des Fragebogens erhoben wurden. Besonders mißlich ist, daß sich auch die verwendeten Stimuli partiell unterscheiden: Die Mitgliedschaftsfrage verwendet den Stimulus „Frauengruppen“, die Sympathiefrage hingegen den Stimulus „Frauenbewegung“. Noch problematischer ist der Fall der Ökologiebewegung; die Mitgliedschaftsfrage ermittelt nämlich die Orientierung der Befragten gegenüber „Ökologie- und Umweltgruppen“, während die Sympathiefrage den Stimulus „Umweltbewegung oder Naturschutz“ verwendet.
Frageformulierungen: „Ich würde auf einen Teil meines Einkommens verzichten, wenn ich sicher sein könnte, daß das Geld für Umweltschutz verwendet wird“ und „Ich wäre mit einer Steuererhöhung einverstanden, wenn dieses Geld für den Umweltschutz verwandt wird“. Auf beide Stimuli konnten die Befragten auf einer vierstufigen Skala von „stimme sehr zu“ (1) bis „stimme überhaupt nicht zu“ (4) reagieren. Aus beiden — zuvor umgepolten — Items wurde ein additiver Index gebildet.
Frageformulierung: „Könnten Sie mir bitte zu jedem Punkt auf dieser Liste sagen, wieviel Vertrauen Sie in jeden haben, ob sehr viel Vertrauen, ziemlich viel, wenig oder überhaupt kein Vertrauen? ... Die Bundeswehr“.
Frageformulierung: wie Anmerkung 12. Aus den Fragen zum Vertrauen in die Gesetze, den Bundestag und die Verwaltung wurde ein additiver Index gebildet.
Datenquelle: IPOS-Umfragen „Einstellungen zu aktuellen Fragen der Innenpolitik in Deutschland“ 1991, 1992, 1993.
Datenquelle: KSPW-Umfragen 1993 und 1995.
Da Protestaktionen für die neuen sozialen Bewegungen eine „normale“ Handlungsorientierung darstellen, rechnen wir Befragte, die angaben, daß sie nur unter schwerwiegenden hypothetischen Umständen („wenn der Staat und die Behörden einfach taub bleiben und auf nichts eingehen“) zum Einsatz solcher Beteiligungsformen bereit seien, nicht zum Protestpotential.
Vgl. die Variablenbeschreibungen in Abschnitt 3.3.2.
Additiver Index auf der Grundlage folgender Aussagen: „Leute wie ich haben keinen Einfluß auf die Regierung.“ und „Die ganze Politik ist manchmal so kompliziert, daß jemand wie ich nicht versteht, was vorgeht.“ Antwortvorgabe war jeweils Skala von -2 = stimme überhaupt nicht zu bis +2 = stimme voll und ganz zu.
Die Operationalisierung erfolgt durch additive Indices, die auf Zählungen der tatsächlich bereits praktizierten legalen bzw. illegalen Formen unkonventioneller Partizipation beruhen.
Für die Analysen wurde ein von Steffen Kühnel geschriebenes SPSS-Programm eingesetzt (vgl. Kühnel 1990).
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Schmitt-Beck, R., Weins, C. (1997). Gone with the wind (of change). In: Gabriel, O.W. (eds) Politische Orientierungen und Verhaltensweisen im vereinigten Deutschland. Beiträge zu den Berichten der Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern e.V. (KSPW), vol 3.3. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95869-3_13
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
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