Zusammenfassung
Es ist unvermeidbar und natürlich, daß Menschen ständig Folgen produzieren aus ihrer räumlich-zeitlichen Existenz und in Ergänzung ihrer (biologischen) Unzulänglichkeit als „tool-making animal“:
-
indem sie erhaltend und abwehrend auf natürliches und kosmisches Geschehen reagieren,
-
indem sie früher Geschaffenes benutzen, neu kombinieren, weiterentwickeln;
-
indem sie ihre Rolle als soziales (kommunikatives und organisierendes) Wesen spielen.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Dieses Vorverständnis wird allerdings unterstützt durch die Auswertung von Berichterstattung über (besonders) wahrgenommene „Folgen“ in den Medien und über erste statistisch erfaßte Entwicklungen, insbes. durch die Rückversicherungsgesellschaften (vgl. dazu Näheres w.u., S. 3.5.).
Vielleicht ist selbst hierbei im einen oder anderen Fall eine mitwirkende menschliche Verursachung zu konstatieren; zumindest wird es so sein können. Beispielsweise wurden Überschwemmungen häufig in Verbindung gebracht mit Bodenversiegelung, Flußbegradigung und Waldschäden.
In böser Erinnerung sind die Erdbeben in Armenien (Dezember 1988: 25000 Tote), in China (November 1988: 1000 Tote), in Ecuador (März 1987: 5000 Tote) und in Mexico (September 1985: 10000 Tote — inoffiziell geschätzt 30000); siehe mehrere Berichte u.a. DIE RHEINPFALZ vom 19.10.89. In Industrieländern sind oft die gefährlichen Nebenwirkungen zu beachten: das Naturphänomen Erdbeben eskaliert durch die Zerstörung von Artefakten wie Hochhäuser, Brücken, Staudämme; möglicherweise Kernkraftwerke, wenn diese in Erdbebenzentren liegen.
Vgl. zum „Geschehen“ die Darstellungen zu einzelnen Naturereignissen bei Robert H. May-bury (Ed.): Violent Forces of Nature, Mt. Airy (Lomond) 1986, mit ausführlichen weiteren Hinweisen.
Insbesondere verstärkt durch die Emissionen von CO2, Fluorkohlenwasserstoffe (FCKW), Methan, ozonschädigende Chlorverbindungen und sonstige Spurengase. Vgl. zur Gesamtproblematik den Zwischenbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ Bonn, November 1988. Ferner die Dokumentation: Weltklima in Gefahr? (= Stromdiskussion, Sonderausgabe) Frankfurt 1989 und Otto Ulrich: Der Klimakollaps (unveröff. Typoskript), Bonn 1989.
BRD-Belastungswerte wie nach dem Tschernobyl-Unfall sind durchaus möglich. Bis 1983 wurden rund 14000 Objekte in den Weltraum geschossen, davon stürzten rund 10000 ab bzw. verglühten. Pro Jahr muß mindestens mit einem massiven Wiedereintritt und Erdoberflächenaufschlag gerechnet werden. Vgl. auch BMI: Konzeption zur Optimierung des Krisenmanagements bei großflächigen Gefahrdungslagen, unveröff. Studie, Bonn Juni 1987, Anlage 1. Zur „Unsicherheit“ auch: Münchener Rückversicherungsgesellschaft (Hrsg.): Bericht über das 108. Gechäftsjahr 1987 / 88, München 1988, S. 17ff.
Vgl. das umfassende Material in: Sigma Wirtschaftsstudien 1 / 89 (hrsg. von der Schweizer Rückversicherungsgesellschaft), Zürich 1989
Der Flugzeugabsturz von Addis Abeba im Sommer 1988 wurde zufällig „erzeugt“, weil Vögel in die Triebwerke gerieten. Die Wahrscheinlichkeit des nächsten, vergleichbaren Vorgangs ist gering, aber vorhanden. Auf die lokale Beeinträchtigung des Bodens durch Kerosin u.a. als Nebeneffekt von Abstürzen muß außerdem aufmerksam gemacht werden. Ungefähr ein Jahr nach dem Remscheider Flugzeugabsturz (Dezember 1988) klagen eine wachsende Zahl von Einwohnern über Hauterkrankungen (DIE ZEIT vom 3.11.89).
Vgl. Peter Brödner: Fabrik 2000. Berlin 1985 und die Aufsatzreihe „Fabrik der Zukunft“ in: Bild der Wissenschaft 1987 (u.a. Heft 9)
Die „Totalverbreitung“ der IKT könnte auch zur Informationsüberflutung, ja zur Informations „Verschmutzung“ mit vielen psycho-sozialen Schädigungen und Verlusten in der zwischenmenschlichen Kommunikation fuhren.
Im Gefolge des Windscale-Unfalls (England) sind in der norddeutschen Tiefebene höhere radioaktive Umweltbelastungen gemessen worden als nach dem Tschernobyl-Unfall (vgl. Speyerer-Expertenrunde April 1988).
Auch wenn unterstellt wird, daß eine gewisse Strahlenmenge /-art sogar „lebensnotwendig“ (geworden) ist, so bleibt die artifiziell erzeugte zusätzliche Strahlung die kritische Dosis.
So auch Igor Schkljarewski (UdSSR) in Liturnaja Gaseta nach DIE ZEIT vom 24.11.89. S. 96: „...die Spätfolgen sind unabsehbar. Wissenschaftler vermuten heute, daß niedrige Strahlendosen über einen längeren Zeitraum hindurch gefährlicher sind als höhere, denen man nur kurze Zeit ausgesetzt ist...’
Die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl hat nach neuesten Darstellungen sowjetischer Experten 200 ha Wald direkt geschädigt; 150000 ha Wald mußten darüber hinaus zum „Schutzgebiet“ erklärt werden. Vgl. Bericht über Anhörung in der Enquetekommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“ (19.6.89) in wib 12 / 1989, S. 27
Vgl. Bericht in: DIE RHEINPFALZ, Nr. 138 vom 19.6.89; außerdem T.Ch. Chow / R.M. Oliver, 1988, S. 51f.; und Berichterstattung in: DER SPIEGEL 5 / 1990, S. 30ff.: Zeitbombe Tschernobyl Nord sowie über Reaktorpannen in Greifswald / DDR.
Vgl. exemplarisch mit Nachweisen von Vergiftungssyndromen G. Neumeier: Argumentationsmuster bei Risikoabschätzungen für chemische Substanzen im Rahmen von Grenzwertfestlegungen am Beispiel von PCB, in: A. Kortenkamp / B. Grahl / L.H. Grimme (Hrsg.): Die Grenzenlosigkeit der Grenzwerte, Karlsruhe 1988, S. 55 f.
E.K. Roloff in: Rheinischer Merkur, Nr. 16, vom 21.4.89
Vgl. Münchener Rückversicherungsgesellschaft: Arzneimittelschäden, München 1986, S. 6 und 28 mit Hinweisen auf weitere 15 Arneimittel, die Großschäden verursachen.
Ebda. S. 7ff.
Ebda. S. 62f.
Ebda. S. 1
Vgl. dazu auch den Begriff der „schleichenden Katastrophe“, Abschn. 3.4.f.)
Vgl. Münchener Rückversicherungsgesellschaft 1986, S. 16
Ein Beispiel für viele noch nicht abgeschlossene Untersuchungen: 1988 war in rheinland-pfälzischen Mittelgebirgen (Hunsrück, Pfälzer Wald) das Trinkwasser stark belastet; vgl. Die Rheinpfalz vom 11.1.90
Vgl. auch Patrick Lagadec: Das große Risiko, Nördlingen 1987, insbes. S. 29ff. Dort auch die Beschreibung von zwei (gefahrlichen) „Chemie-Korridoren“ (Canvey Island / GB und Süd-Lyon / F) S. 97ff.
„Gefährliche Chemikalien können in Produktions-, Lager- und Transportbehältern enthalten sein. Diese Behälter können durch Brände, Explosionen, Unfälle und andere Einwirkungen beschädigt oder zerstört werden. Dabei werden die Chemikalien langsam oder schnell aus ihrem Reservoir freigesetzt und über die Transportmedien Luft, Wasser und Boden weitergetragen. Abhängig von den Eigenschaften der Schadstoffe werden Menschen, Tiere, Pflanzen oder Sachgüter geschädigt (S. 33)... Bei der langsamen oder schlagartigen Freisetzung von Chemikalien tritt das Schadensereignis mit seinen Auswirkungen ohne Vorlaufphase ein. Eine Schadensbekämpfung wird nur dann wirksam, wenn sie ohne Zeitverzögerung nach Eintritt des Ereignisses einsetzt... Ein längerer Zeitraum steht für Koordinierungsmaßnahmen bei Schadstoffen, die auf dem Boden abgelagert werden zur Verfügung, der allerdings durch die Gefahr der Schadstoffabsenkung in den Boden bis zum Grundwasser begrenzt wird.“ (S. 10) aus BMI: Konzeption zur Optimierung des Krisenmanagements bei großflächigen Gefahrdungslagen (unveröff.), Bonn 1987
Drei Monate nach dem Unglück ist die Verseuchung nicht behoben; die Anzahl der toten Vögel steigt (vgl. auch die rheinpfalz vom 30.6. 89). Als Langfristfolge einer durch eine Havarie verursachten Ölpest vor der Bretagne waren noch 10 Jahre später die Austern vergiftet. Vgl. M. Schwelien: Das Geschäft mit der Katastrophe, in: die zeit Nr. 17, vom 21.4.89, S. 8
Vgl. C. Alsen, O. Wassermann und U.E. Simonis: Umwelttoxologie (= WZB papers FS II 88–405), Berlin 1988, S. 145
Vgl. Karl Hans Simmrock: Kontrolle und Verordnungen aus der Sicht der Chemietechnik, in: Christoph Zöpel (Hrsg.): Technikkontrolle in der Industriegesellschaft, Bonn 1988, S. 75–83
Die Abfallmenge in der Bundesrepublik betrug 1975 rund 58720 Mio Tonnen, 1980 waren es schon rund 85000 Mio Tonnen (lt. Umwelt, Nr. 92 / 1982). Mindestens 5000 der Altlastdeponien müssen dringend saniert werden. Vgl. auch Rheinischer merkur Nr. 19, vom 12.5.89, S. 14
Vgl. C. Böhret / W. Jann: Verwaltungsskandale, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B27 / 1982
Ralph Baumheier: Altlasten als umweltpolitisches Problem (Discussion paper 96), Siegen 1987.
Nach: Bild der Wissenschaft 3 / 1985, S. 66 — vereinfacht.
Vgl. Deutsches Nationalkommittee für Denkmalschutz (Hrsg.): Probleme des Steinzerfalls in der Denkmalpflege, Bonn 1984
Wolfgang David: Vom Smog zerfressen, von Verfall bedroht, in: Rheinischer Merkur Nr. 20 vom 19.5.1989, S. 23 sowie VDI-Nachrichten Nr. 23 vom 9.6.1989 („Gefräßigkeit von Bakterien“).
Es ist eben nicht auszuschließen, daß „Freisetzungen“ unterschiedlicher Art unkontrolliert stattfinden und bedenkliche Folgen erzeugen. Historische Beispiele — „importierte“ Tiere oder Pflanzen brechen schädigend in einheimische Kulturen ein — gibt es zuhauf. Gefährlicher könnten die biotechnisch erzeugten Organismen werden. Die Empfehlungen der Enquete-Kommission „Gentechnologie“ (1987) wären zu prüfen und ggfs. umzusetzen; die Richtlinien der Zukunfts-Kommission für die biologische Sicherheit (ZKBS) sind ggfs. anzupassen bzw. zu verschärfen. Vgl. neben dem Bericht der Enquete-Kommission (Bonn 1987) auch Sabine Rosen-bladt: Biotopia, München 1988, passim. Freisetzungen können auch hilfreich und nötig sein. Beispiele: Einbau fremder Gene in Nutzpflanzen, die damit resistent gegen Krankheiten werden. Oder: die Entwicklung von „Eigengiften“ durch die Pflanze gegen Schädlinge, oder gar die Eigenschaft zur „Selbstdüngung“ aus der Luft. — Durch Gen-Kombination werden „bakterielle Allesfresser“ erzeugt und in Kläranlagen, Deponien etc. eingesetzt; sie bauen unerwünschte Schwermetalle, Kunststoffe, Erdöl(-produkte) etc. ab.
Vgl. dazu für viele R. Hohlfeld: Probleme der Technikkontrolle im Bereich der Gentechnologie und Biotechnologie, in: Christoph Zöpel (Hrsg.), 1988, S. 47–61; mit Verweisen auf den Bericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags zur „Biotechnologie“. Zum Ganzen auch Sabine Rosenbladt, 1988, passim und S.B. Primrose: Biotechnologie, Heidelberg 1989
Vgl. GLOBAL 2000, 45. Aufl., Frankfurt 1981, S. 86. Dabei ist zu bedenken, daß das erwartete weltweite Bevölkerungswachstum dazu beitragen wird, dann auch noch die verbliebenen unberührten Lebensräume einer Nutzung durch den Menschen zugänglich zu machen.
Vgl. Bericht über eine Studie der Akademie für Raumforschung und Landesplanung, Hannover, in: Badische Neueste Nachrichten vom 30. 3. 87.
Vgl. GLOBAL 2000, Frankfurt 1981, S. 86ff. und S. 854ff.
Vgl. Hans Jörg Ferenz: Heuschrecken — ein Problem zwischen Politik und Wissenschaft, in: Spektrum der Wissenschaft, Juli 1989, S. 14ff. Die Heuschreckeninvasionen treten übrigens (ähnlich wie die Zigeunermotte) in unregelmäßigen Abständen auf — und dauern unterschiedlich lange.
Vgl. den Bericht in die rheinpfalz Nr. 138 vom 19.6. 89
Die große Vermehrungsrate und die schnelle Generationenfolge erleichtern den Insekten die Anpassung an veränderte Umweltbedingungen. Vgl. auch Theo Löbsack: Das unheimliche Heer — Insekten erobern die Erde, Frankfurt 1989
Vgl. generell und zur Schädigung der Nadelbäume in europäischen Ländern: H. Prokop u.a.: Reaktionsmuster der öffentlichen Verwaltung angesichts von Ereignissen mit (bisher) unbekannten Folgen, (= Speyerer Forschungsberichte Nr. 80), Speyer 1989, S. 77ff. und die dort angegebene Literatur; Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten: Waldschäden (= Agrarpolitische Mitteilungen 16), Bonn 1988
Vgl. zu den Einzelheiten H. Prokop u.a.: Reaktionsmuster ... a.a.O. 1989, insbes. S. 15ff. und die dort angegebene Literatur
Vgl. zu den Einzelheiten H. Prokop u.a.: Reaktionsmuster ... a.a.O. 1989, insbes. S. 15ff. und die dort angegebene Literatur
Vgl. zum Drogenproblem auch Werner Jann: Staatliche Programme und „Verwaltungskultur“, Opladen 1983
und Heimo Prokop: Koordinierung und Abschottung, Speyer 1987
Vgl. u.a.: Technik für den Umweltschutz, VDI-Nachrichten No. 14 vom 7.4. 1989, S. 49ff.
Vgl. für viele Peter Brödner, 1985, und die Reihe „Fabrik der Zukunft“ in: Bild der Wissenschaft 1987 (mehrere Hefte); ferner: K. Furmaniak / U. Weihe (Hrsg.): Flexibilisierung der Arbeitszeit, München 1986
und J. Baillod u.a.: Handbuch Arbeitszeit, Zürich 1989
Vgl. Manfred Wermuth: Gerät unser Raum-Zeit-Gefüge aus den Fugen? in: S. Bachmann u.a. (Hrsg.): Industriegesellschaft im Wandel, Hildesheim 1988, S. 313ff., S. 337
Theoriebildung ist die genuine Aufgabe der Wissenschaft, sie soll zuverlässige Aussagen über die reale Welt (genauer von Ausschnitten der realen Welt) machen. Ein wichtiger Schritt ist die hypothesengeleitete Beobachtung und Datengewinnung. Vielleicht ist die Hypothesengewinnung und Mustererkennung die eigentlich schöpferische Leistung des Wissenschaftlers. Theorien sind nicht abgeschlossen, der permanente Erkenntnisprozeß „verändert“ oder „ersetzt“ sie.
Vgl. Werner Jann: Typologie, in: A. Görlitz / R. Prätorius (Hrsg.): Handbuch Politikwissenschaft, Reinbek 1987, S. 573ff.
Vgl. Charles Perrow, Normale Katastrophen. Die unvermeidlichen Risiken der Großtechnik, Frankfurt, New York 1987 (engl. New York 1984). Perrow weist für seine 3 Fallgruppen auch auf die unterschiedlichen „Opfer“-Größen hin; sie sind letztlich entscheidend für seine Kategorisierung: Störfall — Bedienungspersonal Unfall — „System“ –benutzer Katastrophe — Unbeteiligte (Beispiel: Flugzeugabsturz). In Anlehnung an Perrow werden die zwei anderen Typen der Tab. 6 zusätzlich beschrieben: Problemhäufung — viele (z.T. unwillentlich) Betroffene, aber „erträglich“ bzw. sozial auffangbar; schleichende Katastrophe — unbekannte Menge / Gruppe; (viele) Lebenszeitbetroffene: z.B. Seuchen, Drogen; Ungeborene. Zukünftige Generation (generationsübergreifend): z.B. Strahlen, Verseuchung (Boden etc.), genetische Schäden. Für das in Tab. 6 nicht einbezogene „Geschehen“ gilt entsprechend: wenige bis viele Betroffene (Unbeteiligte): z.B. Vulkanausbruch.
Erinnert sei an die Gewalt des Erdbebens in Armenien 1988 mit mindestens 25000 Toten.
Vgl. auch H.G. Vester: Die wiederkehrende Vergänglichkeit von Katastrophen, in: Universitäs Heft 7 / 1988, S. 746f.
Auf die kontinuierliche, weltweite Zunahme folgenreicher Verkehrsunfälle macht die Schweizer Rückversicherungs-Gesellschaft aufmerksam; vgl. Sigma 1 / 1989, a.a.O.
Vgl. dazu auch Münchner Rückversicherungs-Gesellschaft: Umweltschäden und Haftpflichtversicherung, München 1984 und diess.: Schadenspiegel, 31. Jg., Heft 2, München 1988.
Charles Perrow 1982, S. 105, weist darauf hin, daß „bekannte Störfalle“ oft schlimmere Folgen vermeiden helfen; es kann die Ursache einer latenten Katastrophe frühzeitig behoben werden. Perrow beschreibt auch wie zahlreich die Bedingungen sind, die alle gegeben sein müssen, damit ein folgenreicher Unfall bzw. eine Katastrophe eintritt. Beispiele: Tetondamm versus Veltlin-Talsperre (Dammbruch), Harrisburg versus Tschernobyl (Reaktorunfall), Lousianna-Ammoniak versus Bhopal (Chemieunfall).
Vgl. Charles Perrow 1987, S. 96f. und die Daten bei Sigma-Wirtschaftsstudien Zürich 1 / 1989, 1 / 2–1988; ferner BMI (Hrsg.): Konzeption zur Optimierung des Krisenmanagements bei großflächigen Gefahrenlagen, Bonn 1987.
Siehe zur Unfall- und Katastrophendefinition — auch zur sozialen Relevanz von „Katastrophen“ Wieland Jäger: Katastrophe und Gesellschaft, Darmstadt / Neuwied 1977, insbes. S. 142ff.; ferner Lars Clausen / W.R. Dombrowski: Einführung in die Soziologie der Katastrophen, Bonn 1983, passim und Charles Perrow 1987, passim.
Vgl. dazu auch eine ähnlich ansetzende Definition von „Altlasten“ als „Schäden, die zwar bereits eingetreten, aber bislang noch nicht entdeckt oder jedenfalls noch nicht bereinigt worden sind“. (Münchner Rückversicherung-Gesellschaft: Bericht über das 108. Geschäftsjahr 1987 / 88, München 1988, S. 21f.
Diese spezifische Definition und die genauere Beschreibung erstmals bei C. Böhret: Innovative Bewältigung neuartiger Aufgaben, in: ders. u.a. (Hrsg.) 1987, S. 37–39 und S. 625; und ders.: Technikfolgen und Verantwortung der Politik, 1987, S. 5. Zwischenzeitlich hat sich der Begriff eingebürgert, wenngleich er oft mit Variationen gebraucht wird. So sprechen z.B. Stille und Helm von der schleichenden Katastrophe „AIDS“ und von der „erstaunlichen Unfähigkeit unserer Gesellschaft, schleichende Katastrophen richtig einzuschätzen.“ (Stille / Helm in: AIFO, Mai 1987, S. 237 und in: Der Spiegel, No. 18 / 1987, S. 249. In der Zeit vom 25.12.1987, S. 3, heißt es sogar: „Seit Bhopal und Seveso, Tschernobyl und Basel sind wir so katastrophengehärtet, daß uns auch der schleichende Ökozid der Laub- und Nadelhölzer nicht mehr so stark aufregt wie in früheren Jahren.“ Die mangelhafte Alarmfähigkeit von latenten Krisen thematisiert E. Neumeier im Rheinischen Merkur Nr. 10 vom 10.3.89, S. 1: „Schleichende Katastrophen alarmieren niemanden und plötzlich hereinbrechende sind in friedlichen Zeiten selten.“ Bei der Analyse der Folgen des „saueren Regens“ benutzt Philippe Roqueplo 1986 die Bezeichnung „Unfall in Zeitlupe“. Im 11. Deutschen Bundestag wurden mehrere Anträge zum „Seehundsterben“ bzw. zur Rettung von Nord- und Ostsee eingebracht. Im SPD-Antrag (11 / 2426) wird das Fisch- und Seehundsterben als Alarmzeichen einer sich seit längerem schleichend vollziehenden Umweltkatastrophe bezeichnet. Wenn auch mit anderer Begriffswahl („Spätschadengefahr“) so doch in der Beschreibung ähnlich, werden „verdeckte Spätfolgen“ im Arzneimittelsektor eigentlich als schleichende Katastrophe benannt. „Die Schadenhöhe wird ... durch eine besondere Langzeitwirkung („außerordentlich langsame Entwicklung“)beeinflußt. Ein Schaden durch Arzneimittel entsteht oft erst nach mehr oder weniger langer Dauerverwendung von Medikamenten. Schon deshalb kann er geraume Zeit unerkannt bleiben. Außerdem wird häufig erst nach Jahren die schädigende Wirkung ... erkannt.“ (Gelegentlich handelt es sich sogar um „Katastrophen-Schäden“) Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft: Arzneimittelschäden, München 1986, 15
Vgl. ferner Andreas Kortenkamp / B. Grahl / L. Horst Grimme (Hrsg.): Die Grenzenlosigkeit der Grenzwerte, Karlsruhe 1989, S. 9: „Nicht nur Katastrophen finden Beachtung in der Öffentlichkeit. Auch unbekannte Gefahren fuhren zu Besorgnis. Dies gilt insbesondere für die mögliche Gefährdung der Bevölkerung durch kleine, aber kontinuierlich einwirkende Belastungen mit chemischen Stoffen oder energiereichen Strahlen in der Atemluft, am Arbeitsplatz oder in Lebensmitteln.“ Oder H.G. Vester, a.a.O. 1988, S. 750 „schleichende Entwicklungen“ und Ulrich Beck: Gegengifte, Frankfurt 1988, S. 20 „schleichende, vermutete Katastrophe“; kulturkritisch zitiert Wolfgang Welsch: Unsere postmoderne Moderne, Weinheim 1988
Jean Baudrillard: Les Stratégies fatales, Paris 1983, S. 151, dem die materiellen Paradiese als „Katastrophe im Zeitlupentempo“ erscheinen. Die Gleichgültigkeit von Wählern gegenüber „schleichenden Katastrophen“ erkennt E. Neumeier „Die Partie ist eröffnet“ in Rheinischer Merkur Nr. 10 vom 10.3. 89, S. 1
vgl. ferner D. von Richthofen: Verwaltungsmodernisierung in deutschen Städten durch Aus- und Weiterbildung (Typoskript), Gelsenkirchen 1989, S. 3
Rund 4 Jahre nach der Giftgas-Katastrophe von Bhopal (1984) scheint die Zahl der „Spätopfer“ zu wachsen. Vgl. Bericht in Die Rheinpfalz vom 29.4. 89.
Ein weiteres Beispiel: Fast alles spricht (beim derzeitigen Kenntnisstand) dafür, daß über lange Zeiträume das artendifferenzierte Aussterben der Saurier nicht aus einer großen, plötzlichen Katastrophe stammt, sondern eine Form der „schleichenden Mehrfaktoren-Katastrophe“ aus einer zunehmenden Umweltverschlechterung darstellt. „Ein weiteres auffälliges Merkmal der meisten Massensterben ist ihr schleppender und oftmals wellenartiger zeitlicher Ablauf.“ Steven M. Stanley: Krisen der Evolution, Heidelberg 1988, S. 217; eine enge Beziehung zur Umwandlung des Ökosystems wird begründet angenommen (S. 167f.); vgl. auch Brigitte Hirth: Vom Ende der Saurier (Typoskript Südd. Rundfunk, Südfunk 2, 23.3.87).
„Zähe Masse“ ’ Verbindungen von Öl mit Plankton und Algen — „Schokoladenschaum“ (M. Schwelien: Das Geschäft mit der Katastrophe, in: die zeit, Nr. 17 vom 21.4.89, S. 8).
Vgl. P. Frankhauser: Wie Ballungsgebiete entstehen, in: FAZ Nr. 275 vom 27. 11.85, S. 34f. und J. Prigogine, 1985, S. 136ff.
Auf eine vollständige Erfassung muß verzichtet werden; es gibt sie (noch) nicht. Zudem würde dadurch die „Tendenz“ nicht unbedingt als „richtiger“ belegt, weil das Verhältnis von tatsächlichem Ereignis und latenten Folgen nicht offenkundiger wird. Immerhin ist auf die systematisierte Sammlung von folgenreichen Ereignissen in Charles Perrow: Normale Katastrophen, a.a.O. 1988 und auf viele Berichte und Aufsätze über bundesrepublikanische Vorgänge zu verweisen, u.a. die aktuellen Berichte in den großen Tageszeitungen. — Ferner Wieland Jäger, 1977 mit vielen Beispielen. — J. Grow: Dschungel Chemikalienrecht, in: NG / FH 8 / 1988, S. 773 und andere Beiträge daselbst. Eine weitere Zusammenstellung von „Unfallverdichtungen“ (mit Todesopfern — von technischen Artefakten ausgehend) sei noch genannt: 19.4. 89, 9.5. 89 und 14.5.89 Explosionsunglücke auf drei US-Kriegsschiffen; 19.5.89 Hamburger Raffinerie (Explosion / Großfeuer mit Katastrophengefahr); 3.6.89 Schwere Gasexplosion im Ural; am gleichen Tag an der rumänischen Grenze ein ähnliches, weniger schwerwiegendes Unglück; 7.6. 89 Flugzeugabsturz in Surinam; 23.6. 89 Havarie dreier Tankschiffe innerhalb von 24 Stunden an verschiedenen Stellen. Vgl. auch den Bericht von J.H. Maurus: Ist Großbritannien das neue Katastrophenland Europas? in: Die Rheinpfalz Nr. 195 vom 2. 8. 89; innerhalb von gut zwei Jahren (1987–89) ereigneten sich 10 schwere Unfälle in Serie.
Vgl. Sigma-Wirtschaftsstudien, hrsg. von der Schweizer Rückversicherungs-Gesellschaft, Zürich 1985–1989; außerdem Berichte über das 108. Geschäftsjahr der Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft, München 1988, S. 16 und passim.
Zusammengestellt nach Berichten in mehreren Zeitschriften.
Solche Ereignisverdichtungen hatte Benoit Mandelbrot in Form von „chaotischen“ Schwankungen der Baumwollpreise und der an- und abschwellenden Übertragungsfehler im Telefonnetz wahrgenommen. Es kam immer zu unregelmäßigen „Fehlerperioden“, denen wiederum fehlerfreie Zeitspannen folgten. — Vgl. auch Jörg Albrecht: Mit dem Chaos rechnen, in: ZEIT-Magazin vom 13.4.1989, S. 44ff. und Näheres in Teil II dieser Arbeit S.ff. „Das Gesetz der großen Zahl ist in der Nähe von Verzweigungen nicht mehr gültig, und die strenge Eindeutigkeit der Lösung von Master-Gleichungen für die Wahrscheinlichkeitsverteilung geht verloren.’ Ilya Prigogine, 1985, S. 212.
Vgl. Stephan Wehowsky’s Bericht „Neues Denken in einer veränderten Welt, in: Süddeutsche Zeitung Nr. 198, vom 29.8.1988, S. 24.
„Von Tschernobyl geht nicht nur die radioaktive Wolke aus, sondern auch die Vorstellung einer kollektiven Bedrohung. ... Bei solchen anscheinend kettenreaktionsartig erfolgenden Epidemien des Katastrophalen wird nicht immer deutlich, ob es die Ereignisse selbst sind oder die ihr zuteil werdende Aufmerksamkeit, die in Wellen und Schüben auftreten...“ (H.G. Vester, a.a.O. 1988, S. 753). — Der Zoologe Jürgen Rieß, in: Hirth 1987, S. 16, vermutet einen Zusammenhang zwischen erhöhter Aufmerksamkeit für katastrophische Ereignisse und sozio-ökonomische Krisen: die erste Meteoritentheorie (zum Sauriersterben) wurde zur Zeit der Weltwirtschaftskrise publiziert.
Vgl. W. Jäger, a.a.O., 1977, S. 14ff. weist auf die drei zentralen Verursacher hin: Menschliches Versagen, unkontrollierbare Natur und sich quasi „verselbständigende“ Technik (S. 24f.).
Vgl. zur Karriere von Katastrophen in der Medienberichterstattung auch H.G. Vester, a.a.O. 1988. S. 751 und passim.
Peter Sloterdijk: Eurotaoismus. Frankfurt 1989, spricht von „panischer Kultur“ und sieht kata-strophen-pädagogische Implikationen (Warnkatastrophen). Außerdem Peter Sloterdijk, 1987 passim
Vgl. Klaus Vondung. 1988
Vgl. auch Heinz Theisen. 1985 S. 9
Vgl. umfassend zu diesem Thema auch Heinz Theisen, 1985; ebenfalls mit Verweis auf apokalyptische Grundtendenzen.
Je mehr Technik, je schneller und energiegeladener manche Artefakte, je größer die Verdichtungsräume und je dichter die Verkehrsbewegungen, umso mehr nimmt die Wahrscheinlichkeit von folgenreichen Ereignissen zu. Vgl. dazu auch Abschnitt 3.5.1.
Rights and permissions
Copyright information
© 1990 Springer Fachmedien Wiesbaden
About this chapter
Cite this chapter
Böhret, C. (1990). Befunde: Häufung neuartiger Folgen?. In: Folgen. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95750-4_3
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-95750-4_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-0846-6
Online ISBN: 978-3-322-95750-4
eBook Packages: Springer Book Archive