Zusammenfassung
In diesem letzten Kapitel soll die Aufmerksamkeit — über die an der Integrationspädagogik beteiligten Personengruppen und deren Beziehungen hinaus -auf eine Problemstellung gelenkt werden, die bisher noch kaum bedacht worden ist, nämlich auf die inhaltliche Gestaltung der Integrationspädagogik unter Berücksichtigung der Geschlechterdimension. Zunächst soll die Praxis untersucht werden. Wird die Geschlechterdimension dort bereits gezielt beachtet, und welche thematischen Bereiche könnten eine geschlechterspezifisch bewußte Integrationsarbeit kennzeichnen? (4.1.) Im Anschluß daran wird der Blick auf die Theoriebildung im Rahmen der Integrationspädagogik gerichtet: Wie können die Bedürfnisse der Integrationspraxis in die Integrationsforschung einfließen, und auf welche Weise kann die theoretische Grundlegung des Faches die zentrale Forschungsperspektive der vorliegenden Arbeit aufnehmen? (4.2.)
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Notes
Helga Deppe-Wolfinger: Integration im gesellschaftlichen Wandel, in: Helga Deppe-Wolfinger, Annodore Prengel, Helmut Reiser: Integrative Pädagogik in der Grundschule, a.a.O., S. 319. In einer kritischen Anmerkung dazu stellt die Autorin fest, daß in der Praxis vor allem die — auch in dem o.g. Zitat widergespiegelten — Möglichkeiten der Individualisierung diskutiert würden. Die Konstituierung gemeinsamen Lernens in Gruppen dagegen und deren Problematik werde weit weniger bedacht (vgl. a.a.O., S. 319 und 323).
Ulf Preuss-Lausitz: Die Integrationsbewegung zwischen Individualisierung und Solidarität als Teil widersprüchlicher Modernisierungsprozesse pluraler Gesellschaften, in: Petra Gehrmann und Birgit Hüwe, a.a.O., S. 25.
Annedore Prengel: Mädchen und Jungen in Integrationsklassen an Grundschulen, a.a.O., S. 36.
Regina Becker-Schmidt: Dynamiken sozialen Lernens. Geschlechterdifferenz und Konflikte aus der Perspektive von Frauen, in: Regina Becker-Schmidt und Gudrun-Axeli Knapp, a.a.O., S. 29f.
Vgl. Regina Becker-Schmidt, a.a.O., S. 31. Was Annedore Prengel in Anlehnung an einige andere Autorinnen/Autoren als Trauerarbeit bezeichnet, nennt Regina Becker-Schmidt hier Trennungsarbeit.
Vgl. a.a.O., S. 34, unter Bezugnahme auf Sándor Ferenczi: Das Problem der Unlustbejahung (1926), in: Schriften zur Psychoanalyse, Bd. II, Frankfurt a.M. 1972.
Vgl. Dieter Schartmann: Wozu Kinder Freunde brauchen, in: Welt des Kindes, Jg. 70, Heft 5/1992, S. 34–37.
A.a.O., S. 35.
Vgl. vor allem: Wiebke Ammann, Ulrike Backofen, Klaus Klattenhoff (Hg.): Sorgenkinder — Kindersorgen. Behindert-Werden, Behindert-Sein als Thema in Kinder-und Jugendbüchern, Oldenburg (Bibliotheks- und Informationssystem der Universität Oldenburg) 1987.
Vgl. Ulf Preuss-Lausitz: Körper und Politik — Zur historischen Veränderung der Körpersozialisation im 20. Jahrhundert, in: Deutsche Jugend, Jg. 35, Heft 7–8/1987, S. 299–312; Ders.: Vom gepanzerten zum sinnstiftenden Körper, in: Ulf Preuss-Lausitz u.a.: Kriegskinder, Konsumkinder, Krisenkinder. Zur Sozialisationsgeschich-te seit dem Zweiten Weltkrieg, Weinheim und Basel (Beltz), 2., überarbeitete Auflage, 1989, S. 89–106.
Vgl. Ulf Preuss-Lausitz: Körper und Politik, a.a.O., S. 300f. Im Generationenvergleich charakterisiert Preuss-Lausitz die Jugendgenerationen seit den 70er Jahren durch ein „…Aufwachsen ohne gesellschaftlich akzeptierte körperliche Repression, mit immer mehr Akzeptanz kindlicher Triebäußerungen“, aber andererseits ohne lebenslange Berufsperspektiven, lebenslange Ehe-/ Familiensicherheiten und ohne globale, allgemein verbindliche Werte (a.a.O., S. 308f.). Vor diesem Hintergrund erscheine der Körper — unter einer gesamtgesellschaftlichen Perspektive — in einem neuen Licht: „Es scheint, als ob dem oder der einzelnen in der Krise von Gegenwart und Zukunft nur eines geblieben ist: einen schönen, gesunden, beweglichen, expressiven, lustvollen Körper zu besitzen… Wenn es (aber — U.Sch.) nur noch den eigenen Körper als einzige Gewißheit gibt…, droht bei Gefährdung dieses Körpers der völlige Zusammenbruch. Krankheit, Alter, Behinderung werden dann besonders bedrohlich…“(a.a.O., S. 310f.).
Vgl. a.a.O., S. 300.
Vgl. hier z.B. meine Auseinandersetzung mit den Serigraphien von Ernst Max Praxmarer, die — vor dem Hintergrund einer körperlichen Schädigung und Behinderung — den Anspruch erheben, „aus den sich verändernden Bildinhalten die Veränderung des eigenen Lebens wahrzunehmen“(Untertitel des Bildbandes von Ernst Max Praxmarer, a.a.O.). Vgl. außerdem den Aufsatz „Körper und Politik als Thema in Autobiographien behinderter Frauen“, a.a.O., in dem das Thema Körper exemplarisch untersucht wird an der Autobiographie von Sue Cooke: Zerzaustes Käuzchen. Die Emanzipation einer Epilepsiekranken, Frankfurt a.M. 1987.
Zum Zusammenhang von Normalität und Behinderung unter geschlechterdifferenzierenden Aspekten vgl.: Ulrike Schildmann, Lebensbedingungen behinderter Frauen, a.a.O.
Die Frauenforschung geht davon aus, daß ein Mangel an positiv besetzten weiblichen Identifikationsfiguren besteht. Vgl. dazu exemplarisch: Sachverständigenkommission Sechster Jugendbericht (Hg.): Bericht der Kommission. Alltag und Biografie von Mädchen, Bd. 16, Opladen (Leske und Budrich) 1988.
Der Mangel an weiblichen Leitbildern wird bestätigt durch eine neuere Untersuchung von Lehrbüchern. Vgl. Daniela Hoose und Dagmar Vorholt: „Schule dreht da ganz schön mit!“Berufs- und Lebensplanung von Mädchen. Seminarkonzeption und Materialien für die Fortbildung von Pädagoginnen und Pädagogen, hg. vom Institut für gesellschaftliche Entwicklungsförderung, Bürgerbeteiligung und Politikberatung im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Wissenschaft (BMBW), Bonn (BMBW) 1994. Die Schulbuchuntersuchung kommt u.a. zu folgenden Ergebnissen: „Frauen kommen nicht oder nur am Rande vor“(S. 122f.), „Frauenerwerbstätigkeit — ein gesellschaftlich irrelevantes Randphänomen“(S. 124f.), „Freizeit -Männerzeit?“(S. 126). Aber nicht nur für Mädchen fehlen laut dieser Untersuchung positive Vorbilder, auch für Jungen gibt es so gut wie keine alternativen Leitvorstellungen (vgl. S. 127).
Diese Fragen wurden im Zusammenhang der Sozialisation behinderter Mädchen entwickelt in dem Aufsatz: Die Geschlechterdimension in der Behindertenpädagogik, a.a.O., S. 315f.
In diesem Zusammenhang danke ich Susanne von Daniels für die Überlassung einiger unveröffentlichter Arbeitspapiere zum Thema Praktikumsbetreuung von Integrationsschülerinnen und -schülern, die sie im Rahmen ihrer Tätigkeit in den Integrationsklassen der Gesamtschule Köln-Holweide entwickelt hat.
Für die Arbeit mit geistig behinderten Schülerinnen und Schülern könnte dabei exemplarisch folgende Schrift als Vorbild dienen: Daniela Ditti und Hans Furrer: Freundschaft — Liebe — Sexualität. Grundlagen und Praxisbeispiele für die Arbeit mit
geistig behinderten Frauen und Männern, Luzern (Schweizerische Zentralstelle für Heilpädagogik) 1994.
Meine erste wissenschaftlich orientierte Erfahrung mit persönlichen Lebensentwürfen behinderter Mädchen machte ich im Rahmen der empirischen Erhebung zur Si-tutation behinderter Mädchen (a.a.O.). Vgl. dazu vor allem: „Zukunftswünsche und -befürchtungen eines behinderten Mädchens — Ergebnisse eines Interviews“, S. 126ff. sowie die davon weit abweichenden Vorstellungen der Mutter und der (Sonderschul)Lehrerin des Mädchens.
Mit diesen Begriffen arbeitet Marianne Pieper: „Seit Geburt körperbehindert…“, a.a.O., S. 324 und 326.
Vgl. dazu vor allem die Ausführungen von Georg Feuser: Allgemeine integrative Pädagogik und entwicklungslogische Didaktik, a.a.O.
„Selbstbestimmt leben“ist das Motto der Behindertenbewegung, die in den späten 60er Jahren in den USA entstand (Independent Living Movement) und sich seit den 80er Jahren auch in der (alten) Bundesrepublik entwickelt. Heute ist diese Bewegung mit einigen Zentren für selbstbestimmtes Leben (ZSL) in den Großstädten fest etabliert.
Auf diesen Zusammenhang habe ich auch hingewiesen in dem Aufsatz: Zum Verhältnis von Selbstverständnis und Fremdverstehen, a.a.O., S. 21.
Zu den frühen Arbeiten zählen: Ulrike Schildmann: Lebensbedingungen behinderter Frauen, a.a.O. (1983) sowie Annedore Prengel: Schulversagerinnen. Versuch über diskursive, sozialhistorische und pädagogische Ausgrenzungen des Weiblichen, Gießen (Focus) 1984.
Als Überblick geeignet ist vor allem: Hessisches Koordinationsbüro für behinderte Frauen (Hg.): Literatur von und über Frauen mit Behinderung. Eine Bibliographie, Kassel (Hessisches Koordinationsbüro) 1994. Die meisten meiner eigenen wissen-schaftlichen Arbeiten sind unter dem Themenbereich „Behinderung und Geschlecht“zusammenzufassen, wobei die Ausgangsposition jeweils bei der sozialen Lage behinderter Frauen — verglichen mit nichtbehinderten Frauen sowie behinderten Männern — liegt. In einzelnen Aufsätzen habe ich versucht, die jeweils aktuelle Forschungslage zusammenzufassen. Vgl. Ulrike Schildmann: Anmerkungen zur Situation behinderter Frauen in den achtziger Jahren, a.a.O. (1988); Dies: Zur Situation behinderter Frauen damals und heute, a.a.O. (1991); Dies.: Wissenschaftliche Arbeiten zur Lebenssituation behinderter Frauen, a.a.O. (1993).
Vgl. hierzu: Hans Braun und Mathilde Niehaus: Lebenslagen behinderter Frauen. Eine empirische Studie in Rheinland-Pfalz, Idstein (Schulz-Kirchner) 1992; Claudia Born u.a.: Du mußt Dich halt behaupten. Die gesellschaftliche Situation behinderter Frauen, Würzburg (Edition Bentheim) 1992; Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (Hg.): Frauen in der beruflichen Rehabilitation, Bonn, o.J. (1988); Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation: Frauen in der beruflichen Rehabilitation, Frankfurt (Tagungsbericht, Bundesarbeitsgemeinschaft) 1993; Theresia Degener: Behinderte Frauen in der beruflichen Rehabilitation. Rechtsgutachten zur Frage der Diskriminierung behinderter Frauen im beruflichen Rehabilitationsverhältnis, Kassel (Hessisches Netzwerk behinderter Frauen und Hess. Koordinationsbüro für behinderte Frauen) 1994;
Vgl. Ursula Pixa-Kettner: Geistigbehindert und Mutter?, in: Sonderpädagogik, Jg. 21, Heft 2, S. 60–69; Bundesvereinigung Lebenshilfe für geistig Behinderte e.V. (Hg.): Geistig behinderte Eltern und ihre Kinder — Lebenssituationen und Lebensperspektiven, Marburg (Lebenshilfe) 1993.
Vgl. Ce Be eF Schweiz (Hg.): Sexuelle Ausbeutung bitterzart, Luzern (Ce Be ef Sekretariat) 1992; Anne Voss und Monika Hallstein (Hg.): Menschen mit Behinderungen. Schriftenreihe Sexueller Mißbrauch, Bd. 5, Ruhnmark (Donna Vita) 1993; Charlene Y. Senn: Gegen jedes Recht. Sexueller Mißbrauch und geistige Behinderung, Berlin (Donna Vita) 1993.
Kontakt- und Informationsstelle der Initiative Münchner Mädchen Arbeit (IMMA, Hg.): Arbeit mit behinderten Mädchen und jungen Frauen. Ergebnisse einer Fachtagung (11/91), München (IMMA) 1992.
Zu dieser Auseinandersetzung vgl. vor allem: Carola Ewinkel u.a.: Geschlecht: behindert. Besonderes Merkmal: Frau, München (AG SPAK) 1985; Gerlinde Barwig und Christiane Busch: Unbeschreiblich weiblich!? Frauen unterwegs zu einem selbstbewußten Leben mit Behinderung, München (AG SPAK) 1993; Jenny Morris: Feminismus und Behinderung, in: Beiträge zur feministischen Theorie und Praxis, Jg. 17, Nr. 37, Köln 1994, S. 65–76; aber auch die Arbeiten von Barbara Rohr: Mädchen — Frau — Pädagogin. Texte zu Problemen der Persönlichkeitsentwicklung, Köln (Pahl-Rugenstein) 1984, und: Die allmähliche Schärfung des weiblichen Blicks. Eine
Bildungsgeschichte zwischen Faschismus und Frauenbewegung, Hamburg (Argument-Verlag) 1992.
Vgl. Ulrike Schildmann: Zum Verhältnis von Selbstverständnis und Fremdverstehen, a.a.O. (1994).
Diese Fragen wurden im Rahmen der Arbeit „Integrationspädagogik: Biographische Zugänge“, a.a.O., entwickelt.
Vgl. exemplarisch: Monika Ortmann, Integration und Qualifikation, a.a.O.; Annedo-re Prengel, Subjektive Erfahrungen mit Integration, a.a.O.; Ulrike Schildmann, Aufbruch im Erzieherinnenberuf?, a.a.O.
Vgl. exemplarisch: Ulf Preuss-Lausitz, Soziale Beziehungen in Schule und Wohnumfeld, a.a.O.
Gabriele Klein u.a., Integrative Prozesse in Kindergartengruppen, a.a.O.; Maria Krön, Kindliche Entwicklung und die Erfahrung von Behinderung, a.a.O. Sie untersucht explizit das Thema Fremdwahrnehmung.
Vgl. nochmals Monika Ortmann, Integration und Qualifikation, a.a.O.
Zur Auswertung von Interviews nach der biographisch-narrativen Methode vgl. Ulrike Schildmann und Reinhard Völzke, a.a.O.
In diesem Spannungsfeld bewegte sich die doppelseitige Auswertung der Interviews mit Erzieherinnen in Integrationsgruppen. Das Methodenexperiment, Leitfaden-Interviews nach der dafür nicht vorgesehenen Methode des biographisch-narrativen Interviews auszuwerten, wurde in der Arbeit „Integrationspädagogik: Biographische Zugänge“ausführlich dokumentiert. Vgl. a.a.O.
Vgl. „Lebensbedingungen behinderter Frauen“, a.a.O. (1983), sowie — in bereits modifizierter Form — „Zur Situation behinderter Mädchen“, a.a.O. (1985).
Vgl. Ernst Max Praxmarer (unter Mitarbeit von Ulrike Schildmann): Wenn Blumen aus Beton wachsen…, a.a.O. (1984).
Vgl. Ulrike Schildmann und Reinhard Völzke, a.a.O. (1994).
Vgl. die Arbeit „Körper und Politik als Thema in Autobiographien behinderter Frauen“, a.a.O. (1993).
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Schildmann, U. (1996). Zur Relevanz der Geschlechterdimension im professionellen Umgang mit den Zielgruppen. In: Integrationspädagogik und Geschlecht. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95743-6_5
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