Zusammenfassung
Kollektive Identitäten im allgemeinen können als intersubjektiv geteilte Identifikationen von Individuen verstanden werden. Ausschlaggebend für Identität ist also das Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Kollektiv, der Ähnlichkeit und Zusammengehörigkeit sowie die Anerkennung einer Gemeinschaft, die die Identität bestimmt. In den letzten zwei Jahrhunderten wurde die Idee der Nation zum dominierenden Konzept, um solche kollektiven, öffentlichen Zugehörigkeiten festzulegen. Die praktische Umsetzung dieses Konzepts erfolgte in der Organisation in Nationalstaaten, was die Vorstellung festigte, daß „Staat“ und „Nation“ untrennbar miteinander verbunden seien. Doch während der Staat eher auf Regierungsausübung, auf bürokratische Effizienz und territoriale Ansprüche zielt, ist die Idee der Nation vor allem darauf gerichtet, eine emotionale Bindung der Bürger zum Staat herzustellen (vgl. Berezin 1999: 232). Ein solches Gefühl der Zugehörigkeit, eine nationale oder politische Identität wird aus politikwissenschaftlicher Perspektive vor allem als notwendig erachtet, um sinnvoll am Gemeinwesen zu partizipieren, also um sich politisch zu beteiligen und den Staat zu unterstützen (vgl. Berezin 1999).
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Anmerkungen
Einen empirischen Beitrag, der sich kritisch mit der gängigen Unterscheidung auseinandersetzt, liefern Mummendey/Simon 1997.
Für die Darstellung der Ergebnisse im Buch haben wir uns allerdings entschieden, die Verbundenheit mit den alten und neuen Bundesländern in Kapitel 4 darzustellen, da dort explizit das Ost-West-Verhältnis thematisiert wird.
In der ersten Welle des DJI-Jugendsurveys war nach der Frage zum allgemeinen Nationalstolz offen nach Gründen gefragt worden, warum die Befragten stolz oder nicht stolz darauf seien, Deutsche zu sein bzw. warum sie die Antwort verweigerten. Aus diesen Antworten waren dann drei Typen von Kollektivbewußtsein gebildet worden, traditionales, reflektiertes und postnational weites (vgl. Westle 1995b).
Nicht aufgenommen wurde der Stolz auf ökonomische Leistungen, obwohl dies in der BRD ein Hauptmerkmal für Nationalstolz darstellt. Da mit diesem Instrument verschiedene Typen nationaler Identität unterschieden werden sollten, wurden hier nur Kollektivgüter aufgenommen, die eindeutig dem ethnisch-kulturellem oder dem politisch-demokratischen Bereich zuzuordnen sind. Dies ist beim Stolz auf ökonomische Leistungen zwar theoretisch der Fall; das Item hat sich aber sowohl im Jugendsurvey-Pretest als auch in einer Analyse der entsprechenden Frage im ALLBUS 1996 empirisch als nicht trennscharf erwiesen. Insgesamt wurden die Itemformulierungen gegenüber dem Instrument von Blank/Schmidt etwas vereinfacht, um sie an die hier untersuchte Altersgruppe anzupassen.
Da die verschiedenen Items zum Stolz auf Kollektivgüter und der allgemeine Nationalstolz alle deutlich untereinander korrelieren und daher davon ausgegangen werden kann, daß die Faktoren ebenfalls nicht voneinander unabhängig sind, wurde eine Hauptkomponentenanalyse mit schiefwinkliger Rotation durchgeführt (vgl. hierzu Anhang A.2). Die beiden Faktoren korrelieren mit.47; beide Formen von Nationalbewußtsein stützen sich also gegenseitig.
Obwohl beide Faktoren relativ hoch miteinander korrelieren, haben wir uns dafür entschieden, zwei getrennte Summenindices zu bilden, um empirisch zu überprüfen, wie beide Formen von Nationalbewußtsein in verschiedenen Subgruppen verteilt sind und ob sie unterschiedlich mit politischen Orientierungen zusammenhängen. Dafür wurden die Items, die jeweils hoch auf einem Faktor luden, zu jeweils einem Summenindex zusammengefaßt, indem die Skalenwerte für die einzelnen Items pro Befragtem addiert und durch die Zahl der Items geteilt wurden, so daß die zwei Indices einen Skalenbereich von 0 bis 5 hatten. Um den allgemeinen Nationalstolz, der mit einem anderen Antwortmodell erfaßt wurde als die Fragen zum Stolz auf Kollektivgüter, in den Summenindex „Nationalismus“ zu integrieren, wurden die Wertebereiche der Items so transformiert, daß sie dieselben Anfangs-und Endpunkte besitzen. Reliabilitätstests ergaben für beide Indices ein Alpha von jeweils.81.
Zu den Zusammenhängen zwischen subnationaler und nationaler Bindung vgl. ausführlicher Kapitel 4. Während dort vor allem untersucht wurde, inwieweit die jungen Erwachsenen Ost eine „Abgrenzungsidentität“ aufweisen, liegt hier der Schwerpunkt eher auf der nationalen und supranationalen Ebene der Bindungen.
Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob diese Korrelation nur dadurch bedingt ist, daß in den Index „Verfassungspatriotismus“ ein Item einging, das speziell den Stolz auf den deutschen Beitrag zur Schaffung der EU thematisierte. Um dies zu überprüfen, wurde der Index ohne dieses Item repliziert. Auch dann bleibt der Zusammenhang mit der EU-Verbundenheit bestehen; im Westen fällt er allerdings etwas niedriger aus (Spearmans rho West.19, Ost.27).
Die empirische Unterscheidung der vier Typen erfolgte anhand der arithmetischen Mittel der beiden Indices.
Auch für andere Populationen wurde der Zusammenhang von starker traditioneller nationaler Identität und fremdenfeindlichen Einstellungen empirisch in vielen Studien bestätigt, z.B. in letzter Zeit von Blank/Schmidt 1997.
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Kleinert, C. (2000). Nationale Identität. In: Gille, M., Krüger, W. (eds) Unzufriedene Demokraten. DJI-Jugendsurvey, vol 2. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-95139-7_8
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-8100-2558-6
Online ISBN: 978-3-322-95139-7
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