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Religion, Magie und normative Ordnung

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Part of the book series: Studienskripten zur Soziologie ((TEUSS,volume 123))

Zusammenfassung

Die ethnosoziologische Faszination mit dem Phänomen der Religion und ähnlichen Erscheinungen hat augenblicklich mit der Herausbildung der charakteristischen Fragestellungen eingesetzt. Sie läßt sich dementsprechend bereits im klassischen Evolutionismus des 19. Jhdts. als ein zentrales Thema nachweisen, dem gerade im Zusammenhang mit der Rekonstruktion der evolutionären Karrieren und „Ursprünge“ von Institutionen besonderes Gewicht beigemessen wurde. Das kann nun nicht weiter erstaunen angesichts der bereits erwähnten Besonderheit des Evolutionismus‘, sich von theologischen Erklärungen menschlicher Kultur und -entwicklung lösen zu wollen — da mußte Religion zwangsläufig einen be — sonderen Stellenwert gewinnen. Ein großer Teil des Werkes von E.B. TYLOR (1871) befaßt sich folgerichtig mit der Evolution von Religion und TYLORs Theorie dieser Evolution ist über lange Zeit hinweg ein nicht wegzudenkender Bezugspunkt der späteren Diskussionen gewesen. Unter Zugrundelegung transkultureller Vergleiche bildete TYLOR eine Skala, die am einen Ende mit dem frühesten Stadium der rationalen Folgerung auf die Existenz von Geistern durch den „primitiven Menschen“ („Animismus“), am anderen Ende mit dem entwickelten Stadium des Monotheismus der Hochkulturen bezeichnet ist. Zwischen diesen Endpunkten sind zahlreiche Zwischenstadien angesiedelt: z.B. Vorstellungen der Seelenwanderung und die Grundidee eines Lebens nach dem Tode, der Glaube an die Besetzung von Dingen (Pflanzen, Steinen, Tieren) mit Geistern, die Vorstellung von Wächtergeistern, die den Menschen helfen, die Herausbildung eines Glaubens an ein Götterpantheon mit funktional spezialisierten Einzelgottheiten (Polytheismus, usw.).

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Literatur

  1. Vgl. dazu vor allem TYLOR 1871, insbes. das 11. Kapitel, in dem TYLORs Animismus-Theorie entwickelt wird.

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  2. Tylor’s error was not that he imputed the possibility of logical inference to primitive peoples, but that he assumed that they arrived at their religious beliefs by means of it“ (LIENHARDT, 1971, S. 387).

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  3. Eine Gesellschaft kann nicht entstehen, noch sich erneuern, ohne gleichzeitig Ideales zu erzeugen. (…) Die ideale Gesellschaft steht nicht außerhalb der wirklichen Gesellschaft; sie ist ein Teil von ihr; (…). Denn eine Gesellschaft besteht nicht einfach aus der Masse von Individuen, aus denen sie sich zusammensetzt, (…) sondern vor allem aus der Idee, die sie sich von sich selbst macht. (…). Es ist keinesfalls zutreffend, daß das kollektive Ideal, das die Religion ausdrückt, durch irgendeine innewohnende Kraft des Individuums entsteht, vielmehr lernt das Individuum eher in der Schule des kollektiven Lebens zu idealisieren. Indem der Mensch die Ideale aufnimmt, die durch die Gesellschaft erarbeitet worden sind, wird er fähig, das Ideale zu erfassen“. (DURKHEIM, 1981, S. 566 f.).

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  4. M. SPIRO hat diese Abstraktionen DURKHEIMs prägnant kritisiert: “Most functional definitions of religion are essentially a subclass of real definitions in which functional variables (the promotion of solidarity, and the like) are stipulated as the essential nature of religion. But whether the essential nature consists of a quantitive variable (such as ‘the sacred’) or a functional variable (such as social solidarity), it is virtually impossible to set any substantive boundary to religion and, thus, to distinguish it from other sociocultural phenomena” (SPIRO, 1966, S. 89 f.). Dementsprechend kehrt SPIRO selbst zu einer an TYLOR angelehnten substantiellen Definition zurück (“… an institution of culturally patterned interaction with culturally postulated superhuman beings ” (SPIRO, 1966, S. 96 ).

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  5. Siehe dazu die Kritiken von RADCLIFFE-BROWN in seinen Arbeiten über: “Taboo”, “Religion and Society” und “The sociological Theory of Totemism” (RADCLIFFE-BROWN, 1952, S. 117–177) und von LÉVI-STRAUSS, 1965, Vgl. auch die Stellungnahme von A. GOLDENWEISER, 1965.

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  6. BEATTIE ( 1966, S. 203) zieht damit die Konsequenz aus der Kritik an DURKHEIMs universalen Kriterien im Rahmen einer Entwicklung der Diskussion, die hier nur angedeutet werden kann, und die sich großenteils in der britischen “social anthropology” vollzieht.

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  7. Freilich handelt es sich dabei eben um Ziele und Situationen außerhalb der Magie selbst (also: psychische, soziale oder strukturelle Ziele), wodurch deutlich wird, daß auch bei dieser Interpretationsweise den magischen Handlungen quasi “von außen” zu einer nachvollziehbaren Rationalität verholfen werden soll.

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  8. Vgl. zur Kritik an MALINOWSKIs Magie-Konzept auch ROSENGREN 1976 und NADEL 1957.

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  9. Dieser Folgerung liegen Differenzen zugrunde zwischen den Auffassungen von MALINOWSKI und RADCLIFFE-BROWN. Vgl. dazu: HUMANS 1965.

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  10. Vgl. dazu: EVANS-PRITCHARD 1929, 1931 und 1937.

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  11. In der konkretesten Bedeutung bezeichnet ‘tsav’ die Zaubersubstanz des Herzens… (..). Zu Lebzeiten kann diese Substanz, und daher die Gabe der Zauberkraft, nur vermutet werden. Sie wird einem Mann zugesprochen, wenn Schicksal und Auftreten dieses Mannes jene Fähigkeit, Macht, Talent und Ausstrahlungskraft beweisen, die sowohl ‘tsav’ als solches als auch dessen Manifestationen sind. (…). Wo Glück und Unglück, wo die Erlangung politischen und sozialen Einflusses oder auch die unmittelbare Gefahr der Verbannung wegen Abnormität des persönlichen Verhaltens oder der Lebensweise, wo sowohl ungewöhnlicher Reichtum als auch ungewöhnliche Armut Manifestationen des Wirkens von ‘tsav’ sind, besteht die einzige entscheidende Frage darin, wessen ‘tsav’ in welchem Maß zu welchem Zweck wirksam ist“ (BOHANNAN, 1966, S. 293 f.).

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  12. Vgl. auch NADEL 1952 und MARWICK 1964.

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  13. Hier wäre z.B. die Magie-Auffassung von J. Frazer (The Golden Bough, 12 Bde., 3. Aufl. London 1911–15) zu nennen, auf die nicht näher eingegangen zu werden braucht.

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  14. So vor allem: BEATTIE, 1975, S. 224. Hier schlieUtBEATTIE an die inhaltliche Definition von Religion durch TYLOR an.

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  15. Siehe z.B. die Situation in Tikopia, die Firth gründlich analysiert hat (FIRTH 1957 und 1959).

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  16. Siehe dazu OBERG, 1940; STENNING, 1960; STEINHART, 1978; SERVICE, 1977, S. 162–172.

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  17. Vgl. zur Schilderung eines entsprechenden Falles in Indonesien: GOETZE, 1976, S. 215 ff.

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  18. Vgl. zum folgenden TURNER, 1967, S. 280 ff.

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  19. Die scharfen Spitzen der Astgabeln und das weiße Holz symbolisieren die Sichtbarkeit, der Grasschurz das Gras, in dem sich die Tiere verstecken, der Termitenbau und das Grab des Jägers die männliche Sexualität und Fruchtbarkeit. Diese symbolischen Einzelausdrücke stehen zueinander in einem Verhältnis der wechselseitigen Überlappung und Verstärkung. Z.B. ist Weiß nicht nur als Reinheit und klare Sichtbarkeit, sondern auch als Bezug auf Stärke und Männlichkeit gemeint, die Einzelausdrücke erzielen also eine Komplementarität, die in verallgemeinerte symbolische Themen als abstrakte Sinngebungen einmündet.

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  20. In: DOUGLAS, 1975, S. 9–26.

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  21. Zu solchen älteren Ansätzen gehören nicht nur die Arbeiten MALINOWSKIs, die freilich ein relativ abstraktes Argumentationsniveau erreicht haben, sondern vor allem solche, die sich ausdrücklich auf die instrumentalistische Magie-Theorie FRAZERs berufen.

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  22. Vor allem die bereits erwähnten Arbeiten von TURNER und DOUGLAS, aber auch TAMBIAH, 1968, und MUNN, 1973.

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  23. Vgl. MUNN, 1973, S. 593.

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  24. In: LÉVI-STRAUSS, 1969, S. 204–225.

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  25. Er meistert seine ‘Geister’, in dem Sinn, daß er als menschliches Wesen eine Verbindung mit den Toten, den ‘Dämonen’ und den ‘Naturgeistern’ zustandebringt, ohne sich dazu in ihr Instrument verwandeln zu müssen“ (ELIADE, o.J., S. 15).

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  26. Siehe dazu: ELIADE, o.J., FINDEISEN, 1957 und 1958, JOHANSEN, 1967, MÜHLMANN, 1981, NIORADZE, 1925 und OHLMARKS, 1939.

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  27. Nun gehört die Untersuchung von echten und vorgetäuschten psychischen Ausnahmezuständen zu den schwierigsten Aufgaben der Psychologen, die Grenze zwischen beiden ist oft kaum zu bestimmen. Wir können aber sagen, daß eine allmähliche Entartung zu bloßer “Technik” geradezu eine nicht-umkehrbare Entropie aller ritualisierten Handlungen ist; weshalb MIRCEA ELIADEs Definition des Schamanismus als “Ekstasetechnik” besonders verfänglich ist; denn “Technik” schließt genau diesen entropischen Prozeß mit ein. Nur in idealtypischer Reinheit ist die Trance ein völlig spontaner Vorgang.“ (MÜHLMANN, 1981, S. 25 ).

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  28. MÜHLMANN bedient sich der “phänomenologischen Reduktion”, was zunächst einmal die Ausklammerung der Frage bedeutet, ob z.B. die Geister, die in schamanischer Trance beschworen werden, existieren oder nicht: “Von der gewöhnlichen Beobachtungsmethode unterscheidet sich dieses Verständnis dadurch, daß ich die in den Elementargedanken steckenden

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  29. Wirklichkeitserlebnisse von Millionen Menschen ernst - nehme, auch wenn mein ‘aufgeklärtes’ Wissen sich dagegen sträubt. (…) mein Verstehen soll kein äußerliches Auffassen sein, sondern ein ‘Dafür stehen’, ein Ergreifen von innen her..’ (MÜHLMANN, 1981, S. 17).

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  30. Vgl. zu dieser Thematik v.a. KIPPENBERG und LUCHESI 1978.

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  31. Diesem Urteil verfällt notwendigerweise auch einer der bekanntesten solchen Interpretationsversuche, nämlich: LÉVI-STRAUSS, 1966.

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  32. Die ganze Diskussion müßte allerdings auch Rücksicht nehmen auf die neueren Ergebnisse und Auseinandersetzungen um die Frage der Einflüsse von physiologisch-organischen Bedingungen (z.B. das sog. “split-brain research”) auf mentale Prozesse und damit kulturelle Interpretationsspezifika (vgl. dazu: PAREDES und HEPBURN 1976, MORRISON und DURRENBERGER 1976, HARNAD und STEKLIS 1976, KLEIN 1983, HO 1983).

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  33. MÜHLMANN, 1964, S. 10. Die Kritik MÜHLMANNS an der Charakterisierung dieser Bewegungen durch LINTON als “Versuche” ist freilich nicht uneingeschränkt iuzustimmen, denn es handelt sich tatsächlich um “Versuche” in einem abstrakten Sinn: ob er gelungen ist oder nicht, entscheiden nicht die betroffenen Menschen, sondern in strenger Auslegung von LINTONs Überlegungen ausschließlich die beobachtenden Sozialwissenschaftler.

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  34. In diesem Sinne kann die offene religiöse Intentionzahlreicher Bewegungen unter dem von MÜHLMANN präsentierten Material (z.B. nordamerikanischer Prophetismus, religiöse Bewegungen in Südafrika, u.a.) ebensowenig überraschen, wie die religiöse Sprache und Symbolik, die in anderen nativistischen Bewegungen deutlich wird (z.B. auch bei den Cargo-Kulten in Melanesien).

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  35. So z.B. anscheinend bei der Mau Mau Bewegung im kolonialzeitlichen Kenya (vgl. MÜHLMANN 1961 und die Interpretation durch WILSON, 1973, S. 267).

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  36. So ist etwa das konsequent religionssoziologische Pendant zum Werk MÜHLMANNs (1964) die umfangreiche Arbeit von WILSON (1973).

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© 1984 B. G. Teubner Stuttgart

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Goetze, D., Mühfeld, C. (1984). Religion, Magie und normative Ordnung. In: Ethnosoziologie. Studienskripten zur Soziologie, vol 123. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94923-3_8

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  • Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden

  • Print ISBN: 978-3-519-00123-2

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