Zusammenfassung
In der Management- und Organisationstheorie ist die Verwendung unscharfer Begriffe weit verbreitet. Unscharfe und variable Grenzen von Begriffen halten das Verständigungspotential in interdisziplinären und jungen Forschungsfelder länger aufrecht als präzise Definitionen1.
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Literatur
Vgl. Wessells ( 1994: S.2160. Daher erstaunt es nicht, daß Metaphern zu einer der beliebtesten Stilfiguren zur Beschreibung organisatorischer Phänomene und Strukturen geworden sind. Theoretiker sprechen von Zeltorganisationen (Hedberg et al.: 1976), Orchersterorganisationen (Drucker: 1988/1992), von virtuellen Unternehmen (Davidoff/Malone: 1993) oder Netzwerkorganisationen (Miles/Snow: 1986). Dieser “Zugang-über-Metapher”-Ansatz fand seinen bisher wohl radikalsten Vertreter in Morgan (1986).
Die Schattenseite von Multiperspektivismus, “Metaphemtheorie” oder multiparadigmatischer Organisationsforschung ist, “(…) daß dieser eine Paradigmapluralität konstatiert, diese als normal bezeichnet, die innere Geschlossenheit der einzelnen Paradigmen als gegeben hinnimmt und mit geringen Einschränkungen allen Ansätzen die gleiche Validität und die gleiche Billigung zubilligt.” (Wiegand: 1996: S.61). Ähnlich kritisch äußern sich Türk (1989) und Ulrich (1993). Diese postmoderne Beliebigkeit fart zur Auflösung von Begrifflichkeiten, zur unreflektierten Übernahme und Vereinnahmung theoriefremder Begrifflichkeiten seitens der BWL und Managementtheorie sowie zur lnkommensurabilität von Einzelaussagen, welche aus verschiedenen pandigmatischen Fundamenten abgeleitet wurden.
Wissen ist demnach in einem extrem allgemeinen (und nicht kulturspezifischen) Sinne kondensiertes Beobachten und in einem spezielleren Sinne, der evaluiertes Unterscheidungsvermögen voraussetzt, eine als kognitives Erleben stilisierte Erwartungshaltung. (Luhmann: 1992: S.1450.
So unterscheidet sich Wissen nach Meinung von Spinner ( 1994: S.27ff) von anderen ‘Gütern’ durch folgende Sondereigenschaften: (I) Symbolcharakter, (2) Ungegenständlichkeit, (3) Höherqualifizierbarkeit (potentielle Wahrheitsfähigkeit), (4) Gemeingutcharakter, (5) Nichtausschließlichkeit des Wissensbesitzes, (6) Selbstbelohnungsfähigkeit des Wissensgebrauchs, (7) Wandlungsfähigkeit des Wissens und Wanderfreudigkeit von Träger zu Träger und (8) das weit überdurchschnittliche Wissenswachstum.
Ähnliches gilt für andere Systematisierungsversuche. So versucht Pawlowsky (1994) das Feld mit dem Begriff des Wissenssystems zu systematisieren. Er unterscheidet die folgenden kognitiven Modelle als Grundlage von Wissenssystemen: (1) Schemata (2) kognitive Landkarten (3) distilled ideologies (4) Referenzrahmen. Als Vertreter von Konzepten organisationaler Wissenssysteme zählt er dabei so unterschiedliche Denker wie Boulding (1956); Simon (1957); Cyert/March (1963); Argyris/Schön (1978); Wilensky (1967); Tushman/Nadler (1978); Kappler (1972); March/Olsen (1975); Bougon et al. (1977); Shrivastava (1983); Duncan/Weiss (1979); Hall (1984); Daft/Weick (1984); Salancik/Porac (1986); Sims/Gioia (1986); Sandelands/Stablein (1987); Goodman (1968); Lundberg (1989); Pautzke (1989); Klimecki et al. (1991); Senge (1990) auf. Eine solche trennunscharfe Systematisierung schafft weder in der Theorie noch in der Praxis Orientierung. Ähnliche Probleme haben andere Systematisierungsversuche.
Practical knowledge ist dabei fúr die eigene Arbeit, die eigenen Entscheidungen und Handlungen nützlich und kann je nach Aktivitäten weiter unterteilt werden: (a) professional knowledge; (b) business knowledge; (c) wOrkman’s knowledge; (d) political knowledge; (e) household knowledge; (f) other practical knowledge. Vgl. Machin’) (1962: S.2 if°.
Für Sandelands/Stablein müssen drei Kriterien erfüllt sein, damit wir von einer “denkenden Organisation” sprechen können (1) die Existenz eines “physical substrate”, (2) die Repräsentation von Ideen in “codes” auf unterschiedlichen Abstraktionsniveaus und (3) die komplexe Interaktion zwischen Ideen.
Einer ähnlichen Logik folgt das viable system model von Stafford Beer (1981), in dem die strukturellen Mindestanforderungen an Organisationen von der Operationsweise des menschlichen Zentralnervensystems abgeleitet werden.
Am Beispiel der Arbeit von Fluglotsen, welche sich im Alltag quasi blind verstehen müssen, zeigen Weick/Roberts (1993), daß durch verbessertes gegenseitiges Verständnis der Lotsen füreinander, die Fehleranzahl deutlich reduziert werden kann. Krankheit oder Fluktuation führen so schnell zu einer deutlich herabgesetzten “Intelligenz” des Fluglotsenteams, und das, obwohl die Ersatzkandidaten formell das gleiche Fachwissen aufwiesen.
Diese Beschränkung führt zur Handlungsentlastung der Akteure, sie birgt aber gleichzeitig die Gefahr, wichtige Entwicklungen im Umfeld der Organisation zu übersehen. Knowledge structures sind daher zunächst weder gut noch schlecht, sondern beschreiben die aktuell wirkenden kollektiven Erwartungen bezüglich der Relevanz oder Irrelevanz von Informationen für das Organisationsgeschehen.
So konzentrieren sich High-Tech-Organisationen häufig auf die Entwicklung der nächsten Technologiegeneration. Sie bilden feinste Wissensstrukturen im FandE-Bereich aus, indem sie auf entscheidenden Konferenzen den neuesten Trends nachspüren, Kontakt zu Spitzenforschem halten und intern technologischen Fortschritten höchste Bedeutung zumessen. Gleichzeitig können ihnen allerdings Veränderungen im Wettbewerbsumfeld (z.B. Konzentrationsprozesse oder Substitutionsprodukte) gänzlich entgehen, da ihnen die entsprechenden Wissensstrukturen auf individueller, Gruppen-, Organisations-oder gar Industrieebene fehlen.
Die Ursachen dieser kulturellen Differenz sieht Nonaka in grundverschiedenen erkenntnistheoretischen Traditionen. Die Einheit von “humanity and nature”, von “body and mind” sowie “self and other” bildet die japanische Grundlage für den Umgang mit Wissen, während die Trennung dieser Lebenssphären die Basis westlichen Denkens sei.
Eine weitere Verfeinerung trifft Hall durch die Unterscheidung von menschen-abhängigen Ressourcen (Know-how der Mitarbeiter) und menschen-unabhängigen Ressourcen (Datenbanken, Verträge) sowie der Unterscheidung von rechtlich geschützten Ressourcen. (Patente, Handelsmarken) und nicht rechtlich geschützten Ressourcen (organisatorische Netzwerke).
Die betriebswirtschaftliche Diskussion hat sich bisher hauptsächlich auf die Thematisierung von Informationen beschränkt (Wiegand: 1996: S.166). Eine Präzisierung des Wissensbegriffes innerhalb der Wirtschaftswissenschaften ist daher unverzichtbar. Zur Illustration der Definitionsvielfalt in der betriebswirtschaftlichen Literatur vgl. Kogut/Zander (1992) Weick/Roberts (1993), Nevis et al. (1995), Machlup (1962), Nonaka (1991), Sackmann (1992), Krogh et al. (1994).
Das Kriterium der Nützlichkeit ist von besonderer Bedeutung innerhalb des kognitionstheoretischen Konstruktivismus (vgl.: Knorr-Cetina: 1989), bezeichnet dort allerdings die Nützlichkeit für den konstruierenden Beobachter innerhalb eines Handlungskontextes, d.h. die Orientierungsleistung, welche die Konstruktion leisten kann. Unser Nützlichkeitsbegriff bezieht sich auf den Beitrag der Ressource Wissen zu Zielen, welche sich zweckorientierte soziale Systeme selber setzen.
Die folgende Argumentation ist Probst/Raub/Romhardt (1997: S.34f1) entnommen.
Vgl. hierzu Glazer (1991): “Data is what comes directly from sensors, reporting on the measurement level of some variable. Information is data that has been organized or given structure - that is, placed in context - and thus endowed with meaning.”
Vgl. hierzu Bohn (1993: S.1): “Information tells the current or past status of some part of the production system. Knowledge goes further; it allows the making of predictions, causal associations, or prescriptive decisions about what to do.” Baecker weist auf eine Doppelfunktion von Information hin: “Die Definition von Information ist offen in bezug auf positive oder negative Information. Die positive Information informiert über Möglichkeiten, die man wählen möchte, die negative über Möglichkeiten, die man nicht wählen möchte.” (Baecker: 1996: S.65f). Information findet sein Gegenstück im Rauschen: “Als Gegenbegriff zur Information ist das Rauschen definiert als Unmöglichkeit, unter Möglichkeiten eine Auswahl zu treffen. Das Rauschen ist in einem sehr präzisen Sinn unbestimmt. Es schränkt nicht ein. Und es weitet nicht aus. Aber es ist da.” (Baecker: 1996: S. 66 ).
Vgl. die Definition von Hahn ( 1991: S.49ff): “Weisheit (…) ist (…) eine Wissensform die aus vorhandenem Wissen auswählt, die also in der Lage ist, sozial konsensfähige kognitive Relevanzentscheidungen vorzunehmen. Damit ist Weisheit für uns ”Wichtigkeitswissen“. (…) Weisheit problematisiert Wissen vor dem Hintergrund der Differenz von Wissen und Übersetzung des Gewußten in situationsadäquates Handeln.” Auf den Begriff der Weisheit soll hier nicht weiter eingegangen werden.
Die strikte Trennung dieser drei Kategorien scheint kaum möglich zu sein. So hängt beispielsweise der Übergang von Daten.zu Information stark vom interpretierenden System ab und ist somit intersubjektiv instabil. Zur Auseinandersetzung um die Abgrenzung von Daten, Information und Wissen vgl. sein Willke ( 1995 II: S.265), Willke (1995 I); Albrecht (1993: S.46) und Barkow (1989).
Deren “Nutzung, Veränderung und Fortentwicklung” bezeichnet Pautzke (1989: S.89) als organisatorisches Lernen.
Wenn mehrere Personen einen See betrachten, dann werden sie ihn sehr unterschiedlich beschreiben. Den Schwimmer interessiert vielleicht seine Temperatur (warm/kalt), den Surfer der Wind (stark/schwach), der Geologe vergleicht ihn mit anderen Seen (einmalig/gewöhnlich), während der Biologe auf das ökologische Gleichgewicht achten mag (intakt/gestört).
So kann man beispielsweise bei einer Beschränkung der Beobachtung auf die Leitunterscheidung implizit/explizit leicht aus dem Blick verlieren, daß relevantes Wissen außerhalb der Organisation zu finden ist. Interne Maßnahmen zur Explizierung impliziten Wissens wären in diesem Falle wenig zielführend.
Vgl. Dörner (1996). Luhmann geht in seiner Kritik an Lenkungspositivisten noch weiter: “Entscheidungen werden oft als Ursachen ihrer Wirkungen angesehen. Das ist jedoch nur eine Folge von Zurechnungsprozessen, die Vielzahl möglicher Kausalwahrnehmungen extrem vereinfachen ” (Luhmann: 1993: S. 287 ).
Wer Gestaltungs- und Lenkungsideen kategorisch ablehnt, der rührt generell an der Vorstellung der Handlungsfähigkeit des Menschen. “Handlung im engeren Sinne ist ein Phänomen unter anderen, nämlich eine spezifische Form menschlichen Erlebens und Verhaltens. (…) Handeln erscheint in dieser Sicht durchweg als vom Menschen ausgehende Veränderung in der Welt”. (Waldenfels: 1991: S.84). “Die Unterscheidung menschlichen Handelns von natürlichen Vorgängen ist angewiesen auf Kriterien, die verschieden aussehen können, ohne daß sie einander ausschließen müssen. Man kann von Sinn, Intention, Thema, Struktur, Gestalt, Feld, Regel, Ausdruck, Symbolik oder Ritual eines Verhaltens sprechen; in all diesen Fällen gebraucht man Kriterien, die auf alle menschlichen Erlebnis- und Verhaltensweisen zutreffen.” (Waldenfels: 1991: S. 86 ).
Führungskräfte müssen dabei allerdings berücksichtigen, daß Wissen im Individuum entsteht, d.h. in einem selbstorganisatorischen Prozeß konstruiert wird. Insbesondere konstruktivistische, radikal-konstruktivistische, selbst-organisatorische und wissensoziologische Ansätze betonen die Konstruktionsleistungen des Individuums im Prozeß der Wissensentstehung. Vgl. beispielhaft: Watzlawick (1988), Glasersfeld (1994), Probst ( 1987 ), Berger/Luckmann (1994). Niemand kann einen anderen Menschen (oder andere Wissensträger beziehungsweise Gruppen) zwingen etwas zu wissen. Dagegen können Kontexte und Situationen geschaffen werden, in denen die Wahrscheinlichkeit der Herausbildung gewisser Fähigkeiten oder der Erwerb spezieller Wissensbestände begünstigt werden.
Diese mittelbare Wirkung von Managementinterventionen verdeutlichen Nonaka/Takeuchi ( 1995: S.59): “Individuals can create knowledge, but organizations can create a context for individuals to create and amplify knowledge.”
Der Begriff des wiederholbaren Kontexts ist eine notwendige Voraussetzung für jede Theorie, die Lernen als Veränderung definiert.“ (Bateson: 1995: S.377ff). Kontextsteuerung kann nicht (in einer deterministischen Argumentation) gewünschte Systemzustände herbeiführen, sondern beeinflußt die Kontingenz einer Situation, d.h. die dem System in einer bestimmten Situation selbst zur Verfügung stehenden Handlungsalternativen (Willke: 1994 ). Zur Zunahme von Kontingenz in der ”Multioptionsgesellschaft vgl.: ( Groß: 1994 ).
Organisationen können nicht “nicht intervenieren” (in Anlehnung an Watzlawick et al.:1993), aber sie unterscheiden sich in bezug auf den Bewußtheitsgrad im Prozeß.
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Romhardt, K. (1998). Begriffsklärungen. In: Die Organisation aus der Wissensperspektive. Neue betriebswirtschaftliche Forschung. Gabler Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94610-2_2
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