Zusammenfassung
Die deutsche Exilforschung, die als politische Wissenschaft auf den Weg kam, scheint derzeit ihren Erkenntnisfokus zu verändern: von der Exilliteratur zur wissenschaftlichen Emigration. Bleibt auch für diesen Übergang eine praktische Frage erkenntnisleitend — etwa: „Was soll aus Deutschland werden?“ —, so ist klar, daß sie von der andern gar nicht zu trennen ist, was Exilanten denn dafür tatsächlich tun konnten. Schleicht sich dann aber das altbekannte Postulat einer Einheit von Denken und Handeln ein, so ist man bereits bei einer Fragestellung angelangt, die einer systematischen Überforderung gleichkommt.1 Diese Einheit war für das Exil nämlich zu keiner Zeit wirklich zu realisieren, schon gar nicht, seitdem das Herkunftsland, vor allem Deutschland, zu militärischem Feindesland geworden war. Wird dieses Negativum, dieser durchgeschnittene Zusammenhang von Theorie und Praxis, methodisch nicht realisiert, so droht aus der Absicht, die nach wie vor notwendige Solidarität mit den Vertriebenen durch eine nachträgliche Rehabilitierung ihrer Ideen zu unterstreichen, ein larmoyantes Unternehmen zu werden. Auf vertrackte Weise wird das Schicksal der Vertreibung in seiner wissenschaftlichen Rekonstruktion noch einmal wiederholt.
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Anmerkungen
So z. B. bei Joachim Radkau, Das Elend der Exilpolitik 1933–1945 als Spiegel von Defiziten der politischen Kultur, in: (Hrsg.) Schattenberger/Schrey, Gegenstrom. Für Helmut Hirsch zum Siebzigsten, Wuppertal, 1977, bes. S. 130.
Z. B. Stephan Duggan, Betty Drury, The Rescue of Science and Learning, New York, 1948, und besonders Donald Peterson Kent, The Refuge Intellectual. The Americanisation of the Immigrants of 1933–1941.
Vgl. dazu Herbert A. Strauss, Changing Images of the Immigrant in the USA, in: Amerikastudien, Jg. 21, 1976, bes. S. 129 ff.;
ders., The Migration of Academic Intellectuals, in: International Biographical Dictionary of Central European Emigrés 1933–1945
München/New York/London, 1983, Vol. II, S. LXVII;
Marion Berghahn, German-Jewish Refugees in England, London, 1984, bes. S. 9 ff..
Vgl. z. B. Maurice R. Davie, Refugees in America, New York 1947, S. 93 ff.; Norman Bentwich, The Rescue and Achievement of Refugee Scholars, The Hague, 1953.
Das Theoriemodell entstammt dem Forschungsprojekt „Wissenstransfer durch Emigration“, in dem der Verfasser unter Leitung von Herbert A. Strauss am Zentrum für Antisemitismusforschung TU Berlin mitwirkt.
Hrsg.) Alfons Söllner, Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland. Band I: Analysen politischer Emigranten im amerikanischen Geheimdienst 1943–1945; Band II: Analysen politischer Emigranten im amerikanischen Außenministerium 1946–1949, Frankfurt/M., 1986.
Immer noch die beste Gesamtdarstellung ist John Gimbel, Amerikanische Besatzungspolitik in Deutschland, Frankfurt/M., 1971; vgl. bes. S. 13.
Bradley F. Smith, The Shadow Warriors, O.S.S. and the Origins C.I.A., New York, 1983, S. 368.
Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland, a.a.O., Band II, S. 29/30.
Ebd. S. 50 ff.
Ebd. S. 37.
Ebd. S. 43–45.
Vgl. Thomas G. Paterson, Soviet-American Confrontation, Baltimore and London, 1973, bes. S. 235 ff.;
zur wissenschaftlichen Kontroverse zwischen realistischer und revisionistischer Einschätzung des Kalten Krieges vgl. Wilfried Loth, Die Teilung der Welt. 1941–1955, München, 41984, S. 9ff.
a Vgl. dazu die Studie von Claus-Dieter Krohn in diesem Band.
Wie weit deutsche Wissenschaftler von der Kommunistenjagd Anfang der 50er Jahre tatsächlich erfaßt wurden, ist noch wenig erforscht — in den Universitäten sicherlich weit weniger als im Civil Service! Vgl. jetzt Ellen W. Schrecker, No Ivory Tower: McCarthyism and the Universities, New York, 1986.
Vgl. z. B. die emphatische Rezension durch C. Wright Mills: Locating the Enemy: The Nazi Behemoth Dissected, in: Partisan Review, Vol. 4, 1942, S. 432 ff.
Franz Neumann, Behemoth, deutsche Ausgabe, Frankfurt/M., 1977, S. 550.
William J. Donovan, Functions of the OSS (1942), in: OSS — War Report, Washington, 1949, Band II, S. 343.
Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland, a. a. O., Band II, S. 24–26.
Vgl. dazu meinen Aufsatz: Emigrantenblicke — Westdeutschland im Urteil von Franz Neumann und Otto Kirchheimer, im Erscheinen.
Vgl. besonders die Einleitungen der Kap. III—V im Band II der Archäologie der Demokratie in Deutschland.
Vgl. dazu Helmut Dubiel, Wissenschaftsorganisation und politische Erfahrung, Frankfurt/M., 1978, S. 135 ff.
Zur Archäologie der Demokratie in Deutschland, a. a. O., Band II, S. 48/49.
H. Stuart Hughes, Social Theory in a New Context, in: Ed., Jarrel C. Jackmann, Carla M. Borden, The Muses Flee Hitler, Washington/DC. 1983, S. 118.
Ebd.
Franz L. Neumann, Intellektuelle Emigration und Sozialwissenschaft, 1952, deutsch in: ders., Wirtschaft, Staat, Demokratie, Frankfurt/M., 1978, S. 417.
Ebd., S. 420/21.
John H. Herz, Vom Überleben. Wie ein Weltbild entstand, Düsseldorf 1984.
Vgl. dazu den Aufsatz von Klaus Voigt in diesem Band.
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Söllner, A. (1987). Wissenschaftliche Kompetenz und politische Ohnmacht. In: Koebner, T., Sautermeister, G., Schneider, S. (eds) Deutschland nach Hitler. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94354-5_11
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