Zusammenfassung
Als sich die Vertreter der Jugendgerichtsbewegung 1912 auf dem Dritten Jugendgerichtstag in Frankfurt/M. zusammenfanden, um über das Thema “Erziehung und Strafe — Sühne und Besserung” zu diskutieren, hatten sie sich bereits lange vorher auf eine Parole geeinigt, die bis heute in ihren verschiedenen Variationen eine erstaunliche Persistenz erwiesen hat: “Erziehung statt Strafe”. In dieser Parole kam die Hoffnung zum Ausdruck, mit der Erziehung das zu erreichen, wozu die Strafe ganz offensichtlich nicht in der Lage war: “Die Besserung der besserungsfähigen und besserungsbedürftigen” jugendlichen Straftäter, wie Franz von Liszt, die prominenteste Figur der deutschen Rechtsreformbewegung dies bereits Ende des vergangenen Jahrhunderts formuliert hatte (v. Liszt 1905, S. 166). Das Interesse richtete sich nunmehr in erster Linie — aber keineswegs ausschließlich — auf den Täter. Er sollte erzogen werden. Wie und wozu — darüber herrschte keineswegs Einigkeit. Als Minimalkonsens hinsichtlich des Erziehungszieles galt der rechtschaffene Lebenswandel, die Legalbewährung. “Erziehung statt Strafe” hieß natürlich nicht, daß nicht mehr gestraft werden sollte. Die Strafen sollten subsidiär sein, und sie sollten nicht mehr wie bisher lediglich vergelten, sondern einem guten Zweck dienen: der Erziehung. Strafe also als Erziehungsstrafe.
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Müller, S. (1993). Erziehen — Helfen — Strafen. Zur Klärung des Erziehungsbegriffs im Jugendstrafrecht aus pädagogischer Sicht. In: Peters, H. (eds) Muß Strafe sein?. Studien zur Sozialwissenschaft, vol 122. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94252-4_13
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