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Optische Metaphorik und theologischer Sinn in Lenz’ Poesie-Auffassung

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Jakob Michael Reinhold Lenz
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Zusammenfassung

Lenz spricht gern in Bildern, Metaphern, Allegorien, und zwar nicht nur als Poet, wo es am Platze scheint und goutiert wird, sondern auch, wenn er räsonniert und theoretisiert, in seinen Vorträgen, Abhandlungen und Rezensionen. Eine steifleinerne Kritik hat ihm das seit jeher übel genommen, hat ihm mangelnde begriffliche Schärfe und gedankliche Zucht angekreidet; umgekehrt haben ihm wohlwollende Liebhaber gerade diese Auflösung des orthodoxen Diskurses in metaphorische Assoziationen und pittoreske Digressionen, meist mit Hinweis auf Hamann und Herder, ebenso pauschal als Tugend angerechnet und unter die Sturm-und-Drang-Opposition gegen das „tintenklecksende Säculum“ abgebucht. Auf der Strecke geblieben ist bis heute eine genaue sprachliche Entzifferung der Texte selber, vor allem derjenigen, in denen sich jene geistreich-skurille Sprunghaftigkeit von Lenz’ Ausdrucksnatur, die Goethe vermutlich ziemlich treffend als „whimsical“ bezeichnete, mit höchstem Problem-Niveau und gedanklicher Originalität, wenn auch nicht mit widerspruchsfreier Geschlossenheit verbindet. Weder zu der theologischen Hauptschrift Meinungen eines Laien den Geistlichen zugeeignet noch zu der ungleich intensiver rezipierten ästhetischen Programmschrift Anmerkungen übers Theater existiert bis heute ein Lesekommentar, der nicht nur die angespielten Realien, Namen und Zitate identifiziert, sondern auch die sprachlichen Mittel und die argumentative Strategie des Verfassers en detail rekonstruiert.

Nun noch ein Wort für die galante Welt. Wir haben itzt das Säkulum der schönen Wissenschaften. Paradox und seltsam genug ward es lassen, zu sagen, daß sich aus den Schriften der Apostel, so wie überhaupt aus der Bibel, eben so gut eine Theorie der schönen Künste abstrahieren ließe, wie aus dem großen Buche der Natur. Verstehn Sie mich nicht unrecht, ich sage dies nicht grade zu, ich will Ihnen nur einen Wink geben, daß die wahre Theologie sich mit dem wahren Schönen in den Künsten besser vertrage, als man beim ersten Anblick glauben möchte. (II, 579)

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Anmerkungen

  1. Zu „Bild“ vgl. z.B. II, 622 und 648; zu „Pinsel” I, 326; zu „Gemälde“ vgl. unten Abschnitt V.

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  17. Lenz dürfte hier, wie auch aus dem frühen Straßburger Briefwechsel mit Salzmann hervorgeht, von den sogenannten „Neologen“ beeinflußt sein, besonders von Johann Joachim Spaldings Schrift Gedanken über den Werth der Gefühle in dem Christenthum (Leipzig, 1769’).

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© 1994 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen

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Rector, M. (1994). Optische Metaphorik und theologischer Sinn in Lenz’ Poesie-Auffassung. In: Hill, D. (eds) Jakob Michael Reinhold Lenz. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94235-7_1

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-94235-7_1

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-12445-2

  • Online ISBN: 978-3-322-94235-7

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