Zusammenfassung
Mit der heute schon fast legendär erscheinenden soziologischen Kontroverse zwischen Jürgen Habermas und Niklas Luhmann aus dem Jahre 1971 gelangte der Begriff der Systemtheorie erstmals ins Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit. In den seither verstrichenen gut zwanzig Jahren hat vor allem die Luhmannsche Variante dieser theoretischen Konzeption von Gesellschaft eine außerordentlich stürmische Karriere erlebt und — gemeinsam mit radikal konstruktivistischen Positionen, mit denen sie sich einerseits deckt, zu denen sie andererseits auf deutliche Distanz geht — die Landschaft nicht nur der Soziologie gründlich verändert. Auf der Basis einer prononciert antiontologischen Erkenntnislehre unternimmt sie es, mit Hilfe von Konzepten wie etwa denen von Komplexität und Kontingenz, Selektion und Negation, System-Umwelt-Differenz, Autopoiese, Selbstreferenz die moderne Gesellschaft als ein in autonome Funktionssysteme ausdifferenziertes und sich durch Kommunikationen ständig reproduzierendes und evoluierendes Phänomen zu beschreiben. Wie der radikale Konstruktivismus, so begreift auch sie sich als Gegenpol zum neuzeitlichen Wissenschaftspositivismus und damit als Möglichkeit, die aus ontologischen Positionen resultierenden Aporien zu überwinden. Anders als der radikale Konstruktivismus rekurriert die Systemtheorie Luhmanns dabei jedoch, da ihr Psyche und Bewußtsein als letztlich unzugänglich gelten, nicht auf die Subjektdependenz aller menschlichen Kognition. Der Punkt, an dem sie einhakt, ist vielmehr Kommunikation und damit jenes Ereignis, das individuelles Bewußtsein überhaupt erst in soziale Wirklichkeit transformiert und als Information greifbar, das heißt beschreibbar macht.
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© 1993 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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de Berg, H., Prangel, M. (1993). Vorbemerkung. In: de Berg, H., Prangel, M. (eds) Kommunikation und Differenz. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94226-5_1
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-12411-7
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