Zusammenfassung
Um die Jahrhundertwende traute sich in der Reichshauptstadt Berlin ein promovierter Herr mit Kaiser-Wilhelm-Bart und entschlossenem Blick an die schwierige Aufgabe heran, „die Joumalistik zu einer Wissenschaft zu erheben“. 1899 gründete er eine Einrichtung zur Ausbildung des publizistischen Nachwuchses, die er forsch „Journalisten-Hochschule“ taufte. Drei Jahre später gab er — „kommenden Geschlechtern zum Nutzen und der deutschen Journalistik zur Ehre“ — ein „Handbuch der Journalistik“ heraus und ließ sich dort auf der ersten Seite auch in vollem Männerputz jener Jahre, mit Fliege und Uhrenkette, großformatig ablichten. Dr. Richard Wrede, so hieß der längst vergessene Mann, zog darin munter gegen die journalistische Begabungsideologie zu Felde:
„Mit einem gewissen Selbstbewusstsein hört man jetzt noch von vielen Herren der Praxis, älteren und jüngeren, vom Chefredakteur des Weltblatts bis zum Scherenredakteur in Schilda, das grosse Wort: ‚Zum Journalisten muß man geboren werden, lernen kann man das nicht.‘ Damit wollen die Herren ihre Vorzüge und Fähigkeiten in das hellste Licht setzen, und wenn sie fühlen, was allerdings wohl sehr selten sein dürfte, dass ihnen ein kleiner Mangel anhaftet, diesen entschuldigen; sie können ja nichts dafür: angeboren!“
Das ist etwas, was mich auch an Teilen des alternativen Journalismus sehr stört: dieses Gelaber über alles und jeden, ohne sich die Verantwortung des gedruckten Wortes klarzumachen.
Alice Schwarzer
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Literatur
Richard Wrede (Hrsg.): Handbuch der Journalistik, Berlin 1902. Die Zitate stehen auf den Seiten V, 7 und 8; die Orthographie des Autors wurde nicht verändert.
Wrede war selbst Vorsitzender des “Vereins deutscher Redakteure”, der seit 1902, “noch mit winziger Mitgliedschaft” (Matthies 1969: 9), in Berlin bestand.
Vgl. Rolf Terheyden (Hrsg.): Beruf und Berufung. Zweite Festschrift für Johannes Binkowski, Mainz 1988.
Stephan Ruß-Mohl: Emil Dovifat wiederentdeckt. Erst die wissenschaftliche Enkel-Generation vermag sich ihm wieder unbefangen zu nähern, in: Die Zeit, Nr. 44, 23. 10. 1987: 21.5 Vgl. dazu die Beiträge “Ein Wegweiser durchs Labyrinth” (2.1) und “Von Freiwilligen und Flanellträgern” (2.2) in diesem Reader; in Beitrag 2.1 werden die Hochschul-Studiengänge - anders als hier in Tabelle 1–1 - aus systematischen Gründen in vier Gruppen aufgeteilt.
Die Daten wurden 1988 im Rahmen der DFG-Studie “Kompetenz und Technik. Journalistenausbildung far die Informationsgesellschaft” von der Forschungsgruppe Journalistik an der Universität Münster ermittelt und zusammengestellt.
Vgl. z.B. die Definitionen in: Koszyk/Pruys 1981: 96, Noelle-Neumann/Schulz 1971: 56 f., Dovifat/Wilke 1976/I: 38 und Silbermann 1982/1: 199.
Die Angaben beruhen auf den Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Pressestatistik) sowie eigenen Erhebungen im Rahmen des DFG-Projektes “Kompetenz und Technik” (Forschungsgruppe Journalistik); Stand: 1.1.1989.
Bei den im folgenden referierten Vorstellungen von journalistischer Kompetenz habe ich von Überlegungen profitiert, die Sigrid Schneider bei unserem gemeinsamen Studienprojekt “Journalismus und Kompetenz” 1983 vorgetragen hat.
Vgl. z.B. Deutscher Presserat: Jahrbuch 1988, Bonn o.J. (1989): 122 ff.
Dieses Kompetenzraster, das im Rahmen des Studienprojekts “Journalismus und Kompetenz” an der Universität Münster (Leitung: S.W., Sigrid Schneider und Lutz Michel) entwickelt und im Projekt “Kompetenz und Technik” präzisiert wurde, hat für verschiedene Beiträge in diesem Reader leitende Funktion (vgl. insbes. “Allround-Genies gesucht!” (3.5), “Nichtskönner, Alleskönner, Fachidioten?” (4.1) und “Berichterstatter, Enthüller, Werbeträger?” (4.2)).
Vgl. dazu insbes. den Beitrag “Berichterstatter, Enthüller, Werbeträger?” (4.2) in diesem Reader.
Vgl. dazu insbes. die Beiträge “Professionalisierung durch Wissenschaftler)?” (3.2), “Das Integrationsmodell” (4.4) und “Patchwork als Organisationsprinzip” (4.5).
Vgl. dazu auch den Beitrag “In einem andern Land” (2.4) in diesem Reader.
Vgl. Andreas Henke: Generalist oder Spezialist? Zur Bedeutung der Sachkompetenz in der hochschulgebundenen Journalistenausbildung, M.A.-Arbeit, Universität Münster 1987.
Dies schrieb ein Journalist namens Thomas Kapielski am 17.10.1988 im Berliner Lokalteil der taz. Vgl. dazu auch die in den Wochen danach in der alternativen Tageszeitung dokumentierte interne Diskussion über den Vorfall.
In den USA ist zum Beispiel der “impact journalism” (vgl. New York Magazine, 11.5.1987) entdeckt worden - was auch immer das sein mag.
Zuletzt zum Beispiel ein “Modellversuch” von Germanisten, Linguisten und Technikern an der TH Aachen, der dem Berufsbild des “technischen Redakteurs” gewidmet ist, und ein Studiengang “Fachjournalismus Technik” an der TU Clausthal (vgl. Journalist 1989/7: 6).
In diesem Zusammenhang ist der Hinweis auf den traditionellen Erziehungsanspruch der nordamerikanischen Universitäten wichtig: “Durchweg aus konfessionellen, insbesondere sektengebundenen Colleges herausgewachsen, hatten die amerikanischen Universitäten die ursprüngliche Aufgabe jeder Erziehung, die Ausbildung des Charakters […j, anders als die deutsche Universität bis in die Gegenwart herübergerettet.” (Wilhelm Hennis: Der Sinn der Wertfreiheit, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 161, 15.7. 1989 )
René König: Soziologie in Deutschland, München/Wien 1987: 325.ben) auszeichnet.“ Das ”Prinzip Echternach“ scheint also allein durch die Rekrutierungspraxis der Medien in Kraft zu bleiben.
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Weischenberg, S. (1990). Das „Prinzip Echternach“. In: Weischenberg, S. (eds) Journalismus & Kompetenz. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94174-9_1
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