Zusammenfassung
Von jeher hat die Frage der politischen Repräsentation die politische Wissenschaft und die Politische Soziologie fasziniert. Spätestens seit den fünfziger Jahren wurden empirische Forschungsvorhaben initiiert, um politische Repräsentation zu untersuchen1. Ihre unabweisliche Bedeutung haben diese Arbeiten seit je aus der „demokratischen Frage“ bezogen. Die Umsetzung des demokratisch artikulierten Willens der Bürger in die Politik ist sicherlich einer der, wenn nicht der zentrale Prozeß in demokratischen Systemen. Ist damit aber schon Repräsentation umrissen, ist damit schon gesagt, was Repräsentation heißt? Der Begriff ist nur allzu vage, seine Geschichte komplex und in seiner demokratietheoretisch-normativen wie modellbezogenen Deutungsmöglichkeit ist er vielfältig2, obwohl die ihm zugrundeliegende Idee nachgerade simpel ist. Mit Sicherheit trifft eine wie auch immer geartete Identitätstheorie der Demokratie — d. h. die Repräsentanten sind auf die eine oder andere Art und Weise Abbild oder Spiegelbild der Orientierungen und Ziele der Bürger — nicht die empirische Wirklichkeit, und selbst in normativer Perspektive ist sie nicht unproblematisch.
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Literatur
Vgl. Warren Miller, Donald E. Stokes, Constituency Influence in Congress, in: Am. Pol. Sc. Rev.,57, 1963, S. 45–56.
Vgl. Hanna F. Pitkin, The Concept of Representation, Berkeley: University of California Press 1967.
Die Daten, auf die sich dieser Artikel stützt, wurden im Rahmen des Forschungsprojekts „MdB - Rolle und Kommunikationsbeziehungen des Abgeordneten in der repräsentativen Demokratie“ erhoben, das unter der Leitung von Dietrich Herzog zur Zeit im Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin durchgeführt wird. Die beiden empirischen Erhebungen im Rahmen dieses Projekts sind die Quelle für die hier vorgestellten Analysen. Dabei handelt es sich um eine Totalbefragung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages (realisiert wurden 63.4 Prozent = 329 MdB) sowie um eine „spiegelbildliche“ repräsentative Bevölkerungsumfrage zu einigen Aspekten. Siehe hierzu Dietrich Herzog, Hilke Rebenstorf, Camilla Werner, Bernhard Weßels, Abgeordnete und Bürger,Opladen: Westdeutscher Verlag 1990, Kap. 1. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft ist für die Sachmittelunterstützung des Projektes zu danken.
Vgl. u.a. Samuel H. Barnes, Representation in Italy: Institutionalized Tradition and Electoral Choice,Chicago: University of Chicago Press 1977; Philip E. Converse, Roy Pierce, Political Representation in France,Cambridge, Mass.: Belknap Press of Harvard University Press 1986; Russell J. Dalton, Political Parties and Political Representation, in: Comparative Political Studies,18, 1985, Nr. 3, S. 267–299, hier S. 268–271; Barbara G. Farah, Political Representation in West Germany: The Institution of Maintenance of Mass-Elite Linkages,Ph. D. Dissertation, University of Michigan 1980; Sören Holmberg, Political Representation in Sweden, in: Scandinavian Political Studies,Vol. 12, 1989, S. 1–36; Herbert McClosky, Paul J. Hoffmann, Rosemary O’Hara, Issue Conflict and Consensus among Party Leaders and Followers, in: Am Pol. Sc. Rev.,54, 1960, S. 406–427.
Jacques Thomassen, Empirical Research into Political Representation, in diesem Band.
Gerhard Leibholz, Strukturprobleme der modernen Demokratie, Frankfurt a.M.: Athenäum Fischer 1974, S. 93f.
Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz: Kohlhammer 1968, S. 117.
Die entsprechenden Passagen aus Burke’s Rede linden sich in: Heinz Eulau, John C. Wahlke, Some Empirical Observations on the Theory of Edmund Burke, in: dies. u.a., The Politics of Representation, Beverly Hills, London: Sage 1978, S. 111–126. Siehe auch Thomassen, Empirical Research into Political Representation (Anm. 5 ).
Farah, Political Representation (Anm. 4), S. 185. Farah kommt zu diesem Ergebnis, obwohl sie von dem von ihr etwas modifizierten Miller-Stokes-Modell ausgeht. Thomassen arbeitet die Widersprüche ihrer Arbeit exzellent heraus.
Siehe zum Reponsible-Party-Modell für die Repräsentationsforschung auch Dalton, Political Parties and Political Representation (Anm. 4), S. 268–271.
Dietrich Herzog, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Repräsentation?, in:,,, ders., Bernhard Weßels (Hrsg.), Konfliktpotentiale und Konsensstrategien, Opladen:,, Westdeutscher Verlag 1989, S. 307–335.
Zum Verhältnis von Autonomie und Demokratie s. Eva Etzioni-Halevy, Fragile Democracy: The Use and Abuse of Power in Western Societies,New Brunswick, London: Transaction Publishers 1989, insbes. Kap. 4.
Herzog, Was heißt und zu welchem Ende studiert man Repräsentation (Anm. 12), S. 317.
Vgl. James L. Franke, Douglas Dobson, Interest Groups: The Problem of Representation, in: The Western Political Quarterly, 38, 2 (Juni 1985 ), S. 224–237.
Herzog meint, daß dies vermutlich die einzige Ebene sei, auf der man den KongruenzDiskongruenz-Ansatz möglicherweise für die Repräsentationsforschung retten könne. Soweit geht das Argument hier nicht. Auch der Vergleich von Issue-Einstellungen kann für die Repräsentationsforschung fruchtbar gemacht werden, allerdings nur dann, wenn im Auge behalten wird, daß für ihn die gleichen Einschränkungen in Bezug auf die Aussagekraft wie für eine Entscheidungsanalyse gelten. Siehe ebd., S. 324f.
Siehe zum Problem sozialer Repräsentativität des Deutschen Bundestages Hilke Rebenstorf, Bernhard Weßels, Wie wünschen sich die Wähler ihre Abgeordneten? Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage zum Problem der sozialen Repräsentativität des Deutschen Bundestages, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, Jg. 20 (1989), H. 3, S. 408–424.
Siehe hierzu Kay Hildebrand, Russell J. Dalton, Neue Politik, in: Max Kaase (Hrsg.), Wahlsoziologie heute, Opladen: Westdeutscher Verlag 1977, S. 230–256.
Siehe zur Funktion und zum Inhalt des Links-Rechts-Schemas im Denken der Bevölkerung Dieter Fuchs, Hans-Dieter Klingemann, The Left-Right Schema, in: M. Kent Jennings, Jan W. van Deth et al., Continuities in Political Action, Berlin, New York: W. de Gruyter 1990, S. 203–234.
Die Links-Rechts-Selbsteinstufung drückt im niedrigsten Wert (1) „linke“, im höchsten Wert (10) „rechte“ Orientierungen aus.
Converse, Nature of Belief Systems (Anm. 26), S. 213.
Vgl. Norman R. Luttbeg, The Structure of Beliefs among Leaders and the Public, in: ders. (Hrsg.): Public Opinion and Public Policy: Models of Political Linkage, Homewood: Dorsey Press 1974, S. 335–345; Allen Barton, R. Wayne Parsons, Measuring Belief System Structure, in: Public Opinion Quarterly, Jg. 41 (1977), S. 159–180.
Vgl. Bernhard Weßels, Erosion des Wachstumsparadigmas: Neue Konfliktstrukturen im politischen System der Bundesrepublik?,Opladen: Westdeutscher Verlag 1991, Kap. 3 und S. 55ff.
Siehe zum Gedanken von Differenz zwischen Angebot und Nachfrage in der Politik und den Konsequenzen Philipp Herder-Dorneich, Verbände im Wahlensystem–Verbandswahlen, in: ders. (Hrsg.), Zur Verbandsökonomik, Berlin: Duncker and Humblot 1973, S. 163–188.
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Weβels, B. (1991). Abgeordnete und Bürger: Parteien und Wahlkreiskommunikation als Faktoren politischer Repräsentation. In: Klingemann, HD., Stöss, R., Weßels, B. (eds) Politische Klasse und politische Institutionen. Schriften des Zentralinstituts für sozialwissenschaftliche Forschung der Freien Universität Berlin, vol 66. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-94153-4_14
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