Zusammenfassung
Die brasilianische Außenpolitik der achtziger Jahre war dem Einfluß tiefgreifender Veränderungen im internen wie auch im internationalen Bereich ausgesetzt. Während innenpolitisch neue Bedingungen im Zusammenhang mit der Einführung einer demokratischen Ordnung und dem Versuch ihrer Konsolidierung zum Tragen kamen (Nohlen, D./Barrios, H. 1989), nahm gleichzeitig im internationalen Bereich generell die Komplexität der Beziehungen zu. Angesichts der Öffnung des politischen Systems für gesellschaftliche Interessen und Ansprüche bisher ausgeschlossener Sektoren auf interner Ebene und den zunehmenden Schwierigkeiten des Landes, seine besonderen nationalen Interessen im internationalen Systems durchzusetzen, stellen sich auch für die Außenpolitik des Landes neue Ausgangsbedingungen. Ein Wandel zeigte sich sowohl im Bereich der Institutionen, konkret der Entscheidungsstrukturen und -prozesse, als auch auf inhaltlicher Ebene, sichtbar in den außenpolitischen Orientierungen und Prinzipien.
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Literatur
Im Hinblick auf diese Frage herrscht unter den Beobachtern keine Übereinstimmung. Barrios gelangt in seinem Beitrag in diesem Band zum Schluß, daß auch in Brasilien signifikante Veränderungen auf allen Ebenen der Außenpolitik stattfanden, die zudem in kausalem Zusammenhang mit vollzogenen Regimewechsel standen. Hingegen unterstreicht M. Hirst in ihrem Beitrag die fehlende Verbindung zwischen Regimetyp und außenpolitischer Entwicklung.
Dieser Aspekt wird von A. van Klaveren in seinem Beitrag im vorliegenden Band für die Fälle Argentinien, Brasilien und Uruguay näher untersucht.
Zum Verlauf des Redemokratisierungsprozesses in Brasilien s. Nohlen, D./Barrios, H. 1989.
Siehe dazu den Beitrag von K. Bodemer in diesem Band.
Zum Konzept der “Pobreza Política” s. Demo, P. 1988; Weiterhin behandelt Nohlen, D. 1988 diese Problematik auf eingehende Weise.
Zum Aspekt der regionalen Dezentralisierung s. die Studie von Selcher, W. 1989; zu generellen Überlegungen hinsichtlich instutioneller Modernisierung s. Forum Nacional, 1990.
Auf die hohen Kosten, die eine Entwicklung ohne soziale Reformen für Brasilien im internen wie auch im internationalen Bereich bedeuten können, verweist Jaguaribe, H. 1989a, 1989b.
Vgl. Velasco e Cruz, S. 1989; Lourdes, S. 1985.
C. Lafer verweist auf die Tatsache, daß die internationalen Aktionsmöglichkeiten Brasiliens während der siebziger Jahre weniger problematisch waren als im darauffolgenden Jahrzehnt, während es aber gleichzeitig auf einer Werte- und Legitimationsebene starken Angriffen ausgesetzt war. In den achtziger Jahren stellte sich das umgekehrte Problem: Brasilien zeigte sich stärker ökonomisch angreifbar, konnte aber im Verlauf der Redemokratisierung die internationalen Kritiken im Wertebereich abschwächen, S. Lafer, C. 1985.
S. dazu den Beitrag von H. Sangmeister in diesem Band.
Zu Fragen der Modernisierung außenpolitischer Entscheidungsstrukturen ausgehend von veränderten Bedingungen auf ökonomischer Ebene vgl. Morse, E.L. 1976; Ominami, C. 1986; Costa e Silva Neto, A. F. da 1989.
Vgl. “issue areas” bei Ferris, E. G. 1984; Ferguson, Y.H. 1985; Lowi, T.J. 1964. Angesichts der in den internationalen Beziehungen eine zunehmend wichtige Rolle einnehmende Themen Technologie und Ökologie erscheint diese Differenzierung inzwischen unzulänglich. Gleichzeitig wird die Zuordnung von Akteuren zu issue-areas immer schwieriger, da einerseits vor allem bei den “neuen” Themen verstärkt “Linkage Groups” (Rosenau, 1979) agieren und andererseits die issues themenübergreifender betrachtet werden.
Unter der Regierung Sarney fanden diese routinemäßigen Treffen in einem ca. zweiwöchigen Rhythmus statt. — Interview mit Conselheiro F. Chaques de Magalhâes Pimenta, Assesoria do Gabinete Civil do Planalto im Oktober 1989.
Diese dem Persönlichen Kabinett des Staatspräsidenten unterstellte Abteilung besteht aus zwei Diplomaten und vier Beamten des Außenministeriums (Dekret No. 95.575, 23.12.1987 zur Anerkennung der Kabinette des Präsidentenamts).
Das Planungs- und das Finanzministerium, jeweils unter der Leitung Delfim Nettos, der starke außenpolitische Ambitionen zeigte und gute Verbindungen zum Staatschef hatte, konnten sich in diesem Fall gegen das Außenministerium durchsetzen.
Ein entsprechender Dissens, der auch in die Öffentlichkeit drang, bestand beispielsweise hinsichtlich des Angebots der Weltbank, zur Lösung der ökologischen Probleme Brasiliens eine “debt for nature swap”-Strategie zu übernehmen. Während Außenminister Abreu Sodré das Angebot bereits öffentlich guthieß, dementierten kurz darauf sowohl Präsident Sarney als auch das Generalsekretariat des Außenministern, daß dieser Vorschlag für Brasilien akzeptabel sei (Vgl. Jornal do Brasil, Sept 1988).
Der CR setzt sich zusammen aus Vize-Präsident, Präsidenten der beiden Kammern des Kongresses, Justizminister und sechs Staatsbürgern, die jeweils zwei vom Präsidenten ernannt, vom Senat bzw. von der Abgeordnetenkammer gewählt werden.
Der CDN konstituiert sich aus Vizepräsident, Präsidenten der beiden Kongreßkammern, Justizminister, drei Militärminister, Außenminister und Planungsminister.
Zur Rolle des CSN s. Miyamoto, S. 1987.
Interview mit Cavagnari Filho, Núcleo de Estudos Estratégicos-UNICAMP, November 1989.
Zu diesem Thema s. Beitrag von K. Stahl in diesem Band.
C. Lafer hebt auf diese Klassifizierung ab und begründet sie mit der vom Itamaraty eingenommenen Rolle, bei Verhandlungen den generellen Rahmen außenpolitischer Positionen zu stecken. Demgegenüber könne die Rolle der Streitkräfte als eine “quantitative” bezeichnet werden. Von den neuen mit der Demokratisierung ins Spiel kommenden außenpolitische Akteure ginge demnach ebenfalls ein eher quantitativer Einfluß auf das Entstehen außenpolitischer Optionen aus. Vgl. Lafer, C. 1985.
Die häufigsten Mißstände in außenpolitischen Institutionen und den dadurch bestehenden Modernisierungsbedarf untersuchen Perez Llana, C. 1986; Moneta, C. 1986; Calvert, P. 1986.
Interviews mit verschiedenen hochrangigen Diplomaten im Itamaraty, u.a. Botschafterin Thereza M. Machado Quintella und Minister Gelson Fonseca Jr. im Oktober 1989.
Vgl. Selcher, W. 1984; Des weiteren Interviews mit brasilianischen Außenpolitikexperten A. Barros und P. Kramer, Brasilia, Oktober 1989.
Zur Problematik der politischen Parteien in Brasilien vgl. u.a. Lamounier, B. 1986; Beischer, D.V.(Hrsg.) 1981; Nohlen, D. 1988; Wöhlcke, M. 1983, 1985; Lima Jr, O. Brasil de 1980.
1985 versuchte der PMDB politischen Druck auszuüben, um entweder Senator F.H. Cardoso oder R. Archer ins Außenministeramt zu bringen. Nach dem erfolgreichen Abschneiden der Partei bei den Gouverneurswahlen 1986 stellte der PMDB erneut einen Anspruch auf die Führung des Itamaraty, diesmal mit dem Ex-Gouverneur von Sao Paulo, F. Montoro, als Kandidaten.
Der PMDB-Politiker engagierte sich auf außerordentliche Weise in der Debatte um die lateinamerikanische Integration, Vgl. F. Montoro: O papel dos partidos políticos na integraçâo latinoamericana, Brasilia 1989.
Interview mit A.C. Pojo do Rego, Berater des Ex-Präsidenten der außenpolitischen Kommission der Abgeordnetenkammer, B. Cabrai, Brasilia, Oktober 1989.
Die Enquete-Ko mission “Hiléia Amazonica”, der Senator L. Peres und Berichterstatter, Senator J. Passa-rinho vorstanden, legten im Oktober 1989 einen umfangreichen Schlußbericht vor, vgl. Relatório Final, CPI Hiléia Amazonica, Senado Federal, Brasilia.
Interview mit dem Präsidenten der Subkommision, PSB/Bahia Abgeordneter D. Leonelli, Brasilia, November 1989.
Interview mit Repräsentanten der Industrie- und Agraninternehmen- und Handelsföderationen der Bundesstaaten Rio Grande do Sul und Sâo Paulo (FETAG, FARSUL, FIERGS, FIESP) und auf nationaler Ebene (CNI und ABIA).
Interviews mit CUT/RS -Vorstand S. de Oliveira, Porto Alegre 1989 und mit CUT-Beauftragter für Integrationsfragen, S. Portela, Sâo Paulo, November 1989.
Vgl. Rede vor der Escola Superior de Guerra im Jahr 1986 unter dem Titel “Condicionantes da Açâo Externa do Brasil”, in der Regierungsveröffentlichung “DI. Encontro Governo — Sociedade, Brasilia 1986.
Interview mit der Journalistin M.H. Tachinardi in der außenpolitischen Redaktionsabteilung der Gazeta Mercantil im Oktober 1989.
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Müller, M. (1991). Die außenpolitische Entscheidungsstruktur der Nova República in Brasilien. In: Nohlen, D., Fernández, M., van Klaveren, A. (eds) Demokratie und Außenpolitik in Lateinamerika. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93722-3_16
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