Zusammenfassung
Bundestag und Bundesrat entsandten paritätisch je 32 Mitglieder und 32 Stellvertreter in die Verfassungskommission, die damit aus insgesamt 64 Mitgliedern und 64 Stellvertretern bestand. Entsprechend dem Auftrag der Verfassungskommission dominierten rechtspolitisch engagierte und interessierte Parlamentarier und Landesminister die personelle Zusammensetzung der Kommission. Daneben stellten die Ministerpräsidenten der Länder eine weitere wichtige Gruppe der Kommissionsmitglieder dar. Greift man die erste Sitzung der Verfassungkommission heraus, so waren 15 von 16 Ministerpräsidenten Mitglieder der Verfassungskommission, allerdings mit einem „Schönheitsfehler“: Die Ministerpräsidenten nahmen nur selten an den Sitzungen der Kommission teil (Starck 1993). Der Grund für das häufige Fehlen der Ministerpräsidenten in den Sitzungen der Kommission ist darin zu sehen, daß die Ministerpräsidenten nur dann an den Sitzungen teilnahmen, wenn tagespolitisch interessante Themen auf der Tagesordnung standen und gleichzeitig mit der Außenwahrnehmung der jeweiligen Kommissionssitzung zu rechnen war — gerade letzteres war aber eher selten der Fall.
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Literatur
Vgl. zu dieser Position v.a. die Reden des damaligen Bundesratspräsidenten und Ministerpräsidenten von Mecklenburg-Vorpommern Gomolka, des sächsischen Justizministers Heitmann, des damaligen Justizministers von Mecklenburg-Vorpommern Born und der CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten Jahn und Scholz in der 1. und 2. Sitzung der Verfassungskommission; siehe Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992 und der 2. Sitzung vom 13.2.1992.
So der damalige Justizminister von Mecklenburg-Vorpommern Born in der 2. Sitzung der Verfassungskommission, vgl. Stenographischer Bericht der 2. Sitzung der GVK vom 13.2.1992, S.16.
Vgl. zu dieser Position v.a. die Reden des SPD-Bundestagsabgeordneten Vogel, des PDS/LL-Bundestagsabgeordneten Riege und des Bündnis 90/ Die Grünen-Abgeordneten Ullmann in der 1. Sitzung der Verfassungskommission; siehe Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992.
So der SPD-Bundestagsabgeordnete Vogel in der 1. Sitzung der GVK; Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992, S.8.
So der SPD-Abgeordnete Vogel in der 1. Sitzung der GVK; vgl. Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992, S.7.
Vgl. die Rede des PDS/LL-Abgeordneten Riege; Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992, S.13.
So der PDS/LL-Abgeordnete Riege; Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992, S.14.
Vgl. hierzu die Reden in der 20. Sitzung der GVK vom 22.4.1993.
Empirisch gesehen sind jedoch weder die Verfassung der Weimarer Republik noch die Verfassung von Amerika von 1787 durch Volksabstimmungen direkt legitimiert worden.
Vgl. statt vieler die Darstellung dieser Position bei Isensee 1991: 76f. mit weiteren Nachweisen.
Die Vorstellung vom „konkludenten Plebiszeit“ geht auf Carl Schmitt zurück: „In der bloßen Beteiligung an dem durch eine Verfassung bestimmten öffentlichen Leben kann z.B. eine konkludente Handlung erblickt werden, durch welche der verfassunggebende Wille des Volkes sich deutlich genug äußert“ (Schmitt 1928: 91).
So der CDU/CSU-Abgeordnete Jahn in der 2. Sitzung der GVK; vgl. Stenographischer Bericht der 2. Sitzung der GVK vom 13.2.1992, S.12.
Wenngleich im politischen System der Bundesrepublik und seinem „Staat der großen Koalition“ die indirekten Mitwirkungsmöglichkeiten der jeweiligen Oppositionsparteien — beispielsweise über den Bundesrat — im Vergleich mit anderen Staaten — z.B. Großbritannien — relativ stark ausgeprägt sind (vgl. Schmidt 1995).
Dem entspricht die Beobachtung, daß in der Bundesrepublik dann, wenn für Entscheidungen keine parlamentarischen Mehrheiten gefunden werden, sehr häufig der Arenenwechsel von der Tagespolitik in die Verfassungspolitik betrieben wird. Unterstützt wird dies durch die starke Stellung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Schlaich 19943). Beispiele sind die Debatte vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts über Auslandseinsätze der Bundeswehr, als — vermeintliche — verfassungsrechtliche Argumente dafür herhalten mußten, um die außenpolitische Handlungsunfähigkeit und Handlungsunwilligkeit zu verbergen, oder der Antrag der SPD, einen Passus ins Grundgesetz aufzunehmen, nach dem Waffen und sonstige kriegsgeeignete Rüstungsgüter nur mit Genehmigung der Bundesregierung entwickelt, hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden sollen (vgl. BT-Drs. 12/5925). Obwohl von vornherein klar war, daß für eine solche Regelung, die auch in einem normalen Gesetz hätte verankert werden können, keine parlamentarische Mehrheit vorhanden war, versuchte die SPD in diesem Fall, durch den Wechsel auf die „erhabenere“ Verfassungsebene, ihrem Antrag zusätzliche Durchschlagkraft zu verleihen.
Vgl. zu dieser Position v.a. die Rede des damaligen bayerischen Innenministers Stoiber in der 1. Sitzung der Verfassungskommission; siehe Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992, S.8ff sowie die Reden der Landesminister Kaesler (Sachsen-Anhalt) und Berghofer-Weichner (Bayern) in der 2. Sitzung der GVK vom 13.2. 1992.
Vgl. hierzu die Rede des Vorsitzenden der GVK Rupert Scholz in der 1. Sitzung der GVK; Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992, S.6.
In diese Richtung weist auch die Bemerkung des SPD-Senators Ralf Fücks in der 2. Sitzung der GVK; vgl. Stenographischer Bericht der 2. Sitzung der GVK vom 13.2.1992, S.26.
Bei der Anhörung zum Themenkreis „Grundgesetz und Europa“ z.B. waren lediglich 2 von 9 Sachverständigen Sozialwissenschafler (Prof. Lepsius und Prof. Scharpf), der Rest waren Rechtswissenschaftler.
Deutlich wurde dies beispielsweise bereits in der zweiten Sitzung der GVK, als der Vorsitzende Scholz eine Debatte über die Begrenzung der Redezeit mit dem Hinweis abzukürzen versuchte, er weise darauf hin, daß der entsprechende Beschluß in der Obleute-Besprechung einstimmig angenommen worden sei; vgl. Stenographischer Bericht der 1. Sitzung der GVK vom 16.1.1992, S. 3.
Ein Beispiel für diese Spannungen, die im Einzelfall die Arbeit der Kommission zu verzögern drohten, waren die Auseindersetzungen innerhalb der F.D.P. über den neuen Art. 23 GG. Während der europapolitische Berichterstatter und Obmann der F.D.P. sich mit der gefundenen Textfassung des Artikels, der Terminierung der Abstimmungssitzung und deren Tagesordnung einverstanden erklärt hatte, wurde dieser Kompromiß von der Partei und der Fraktion wieder in Frage gestellt. Diese Probleme innerhalb einer Partei führten dann zu der Forderung, die entsprechenden Abstimmungen in der Kommission zu verschieben (vgl. Stenographischer Bericht der 8. Sitzung der GVK vom 26.6.1993, S. 1).
Auf die Frage in der Sitzung des Rechtsausschusses des Bundestages am 15.6.1994, was denn mit den Vorschlägen der Verfassungskommission zum Tierschutz und zu den Minderheitenrechten sei, antwortete der CSU-Abgeordnete Geis: „Die Koalitionsrunde tagt noch“ (BNN vom 16.6.1994, S. 3). An dieser Bemerkung wird deutlich, welcher Stellenwert dem Parlamentsausschuß bzw. den Parlamentariern und welcher den Koalitionsgremien der Regierungsparteien zugebilligt wurde: Ehe die Parlamentarier sich zu den entsprechenden Regelungen äußern durften, mußten sie zunächst das Votum der Koalitionsrunde abwarten. Die Sitzung des Rechtsausschusses wurde sogar zeitweise unterbrochen, um die Absprachen der Koaltionsführung abzuwarten (FAZ vom 16.6.1994, S. 2).
Vgl. zu den einzelnen Grundgesetzänderungen die Beschlußempfehlung und den Bericht des Rechtsausschusses (BT-Drs. 12/8165, Beschlußempfehlung 1 und 3, S.6–10 und 13–16 sowie die Auflistung der am 30. Juni 1994 im Bundestag verabschiedeten Grundgesetzänderungen in FAZ vom 5.7.1994, S. 4).
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Batt, HL. (1996). Der Prozeß: Die institutionelle Struktur und das Verfahren der Verfassungsreform. In: Die Grundgesetzreform nach der deutschen Einheit. Analysen, vol 56. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93700-1_3
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