Zusammenfassung
Noch vor wenigen Jahren war Migration ein ‘weiches’ Thema der Politik und Politikwissenschaft. Der Arbeitsschwerpunkt lag auf den ‘hard facts’ der Sicherheits-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Migration galt als ein gesellschaftliches Randphänomen, vornehmlich als Aufgabenfeld für karitative Organisationen und auf Ausländerrecht spezialisierte Juristen. Diese Interessenstruktur hat sich gründlich gewandelt. Wer heute die Stellung einzelner Staaten im internationalen System analysiert, kann sich nicht mehr auf eine Beschreibung ihrer militärischen Stärke oder wirtschaftlichen Leistungskraft beschränken. Das Erscheinungsbild eines Staates wird zunehmend auch von der Tatsache mitbestimmt, ‘Geber- oder Nehmerland’ von Migranten zu sein. Heute ist Westeuropa neben Nordamerika die wichtigste Zielregion internationaler Migration. Allein die Zahl der Asylbewerber erhöhte sich von jährlich wenigen Zehntausend in den frühen 70er auf mehrere Hunderttausend zu Beginn der 90er Jahre.2 Neben der Asylmigration ist auch das Anwachsenillegaler Einwanderung zu “one of the priority objectives of migration policy in the majority of OECD countries” geworden.3
“Man’s history is the story of his wanderings. Some epochs of the remote have frequently been called ‘periods of great migrations’. This terminology presumes that at other times migratory movements were at a standstill, especially in the case of a so-called ‘sedentary’ people. In fact, no population is ever at rest. Every epoch is a period of ‘great migrations’.”1
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Literatur
Kulischer, Eugene M. 1948: Europe on the Move. War and Population Changes, 1917–47, New York, S. 8.
Vgl. Weidenfeld, Werner/Hillenbrand, Olaf 1994: Wie kann Europa die Immigration bewältigen, in: Europa Archiv. Zeitschrift für internationale Politik, Nr. 1, S. 1–10;
Loescher, Gil 1989: The European Community and Refugees, in: International Affairs, Nr. 4, S. 617–636;
Opitz, Peter J. 1990: Das Weltflüchtlingsproblem im 20. Jahrhundert, in: Ders. (Hrsg.): Weltprobleme, München, S. 361–408.
OECD 1989: SOPEMI. Continuous Reporting System on Migration, Paris, S. 66.
Bundeskanzler Helmut Kohlam 3.4.1992, in: Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 38 vom 8.4.1992, S. 355.
Interview des Nachrichtenmagazins Der Spiegel, Nr. 4 vom 27.1.1992, S. 138.
Vgl. kritisch zur Übertragung sicherheitspolitischer Kategorien auf Migration: Huysmans, Jef 1995: Migrants as a security problem. Dangers of ‘securitis ing’ societal issues, in: Miles, Robert/Thränhardt, Dietrich (Hrsg.): Migration and European Integration. The Dynamics of Inclusion and Exclusion, London, S. 53–72.
So dramatisch der rasche Bevölkerungsanstieg auch ist, so sehr handelt es sich bei Schmid um unverantwortliche Panikmache, wenn er von der Gefahr einer “demographischen Entsorgung der Dritten Welt nach Europa” spricht und weiter ausführt: “Das Bevölkerungswachstum hat ein Ausmaß angenommen, daß selbst ein geringer Prozentsatz von Abwanderungswilligen aus Dritte-Welt-Nation en imstande wäre, Westeuropa in seinem bisherigen Erscheinungsbild auszulöschen.” Siehe: Schmid, Josef 1992: Das deutsche Asylrecht angesichts des Umbruchs im Osten und des Weltbevölkerungsproblems, in: Politische Studien, 43. Jg., H. 321, S. 39–55, hier S. 43.
Von den aktuellen Migrationsprozessen als ‘Völkerwanderungen’ spricht etwa Geißler, Clemens 1992: Neue Völkerwanderungen in Europa, in: Europa-Archiv. Zeitschrift für internationale Politik, Nr. 19, S. 566–572.
Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Konvention) vom 28.7.1951, zugestimmt und veröffentlicht durch Gesetz vom 1.9.1953 (BGBl. II S. 559).
Gleiches gilt auch für die weit über zwei Millionen palästin ensichen Flüchtlinge, die von einem eigens gegründeten Hilfswerk der Vereinten Nationen, der UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) unterstützt werden. Vgl. zum internationalen Hilfs- und Schutzsystem für Flüchtlinge: Gallagher, Dennis 1989: The Evolution of the International Refugee System, in: International Migration Review, Vol. 23, Nr. 3, S. 579–598.
Seit langem wird daher von Experten des internationalen Flüchtlingsrechts eine Ausweitung des Schutzsystems der Vereinten Nationen auf die genannten Gruppen gefordert. Schmid hat auf die Defizite des aktuell gültigen Flüchtlingsbegriffs aufmerksam gemacht, welcher “politisch Verfolgten ein Nadelöhr zur reichen westlichen Welt offen hält, während er beispielsweise vom Hunger Bedrohten diese Chance versagt.” Siehe: Schmid, Walter 1984: Alternative Ansätze in der Asylpolitik, in: Däpp, Heinz/Karlen, Rudolf (Hrsg.): Asylpolitik gegen Flüchtlinge, Basel, S. 371–383, hier S. 372. In gleicher Weise argumentiert auch Ferris: “Is a political dissident more deserving of refuge than a starving child? Do individuals singled out for persecution warrant protection more urgently than masses displaced by war in their village?”
Siehe: Ferris, Elizabeth G. 1985: Einleitung, in: Dies. (Hrsg.): Refugees and World Politics, New York u.a., S. 1–25, hier S. 6.
Nuscheler, Franz 1991: Lern- und Arbeitsbuch Entwicklungspolitik, 3. Aufl., Bonn, S. 69.
Vgl. Thränhardt, Dietrich 1992: Globale Probleme, globale Normen, neue globale Akteure, in: Politische Vierteljahresschrift, 33. Jg., Nr. 2, S. 219–234.
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Santel, B. (1995). Einleitung. In: Migration in und nach Europa. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93694-3_1
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