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Konfliktualität, Tradition und Demokratie: Bowles und Gintis

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Dekonstruktion und Demokratisierung

Part of the book series: Kieler Beiträge zur Politik und Sozialwissenschaft ((KBZPUS,volume 15))

  • 78 Accesses

Zusammenfassung

Die Amerikaner Samuel Bowles und Herbert Gintis entwickeln 1986 in Democracy and Capitalism Ansätze einer postmarxistischen und postliberalen Demokratietheorie.1 Ausgehend von ihrem politischen Ziel der radikalen Demokratisierung der existierenden liberaldemokratischen kapitalistischen Systeme sowie angeregt durch die Erfolge der neuen sozialen Bewegungen versuchen Bowles und Gintis eine Neubestimmung der politischen Theorie der Demokratie. Anhand einer Kritik des den beiden dominanten sozialwissenschaftlichen Traditionen — Liberalismus und Marxismus — inhärenten Ökonomismus und mittels eines auf diskursanalytischen Kategorien basierenden Gesellschaftsbegriffs formulieren sie die theoretischen Grundlagen und die historisch-strukturellen Bedingungen einer nach-modernen Demokratie.

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Literatur

  1. Samuel Bowles/Herbert Gintis, Democracy and Capitalism. Property, Community, and the Contradictions of Modern Social Thought (New York 1987).

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  2. Es liegt auch eine deutsche Übersetzung vor: Samuel Bowles/Herbert Gintis, Pädagogik und die Widersprüche der Ökonomie. Das Beispiel USA (Frankfurt 1978).

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  3. Mike Cole, „From Reductionist Marxism and Revolutionary Socialism to Post-Liberal Democracy and Ambiguity: Some Comments on the Changing Political Philosophy of Bowles and Gintis“, The British Journal of Sociology 39, 3 (1988), 452–462, 452.

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  4. Dazu gehören neben Democracy and Capitalism noch Bowles/Gintis, „Democratic Demands and Radical Rights“, Socialist Review 19, 4 (1989), 56–72, sowie Bowles/Gintis, „Rethinking Marxism and Liberalism from a Radical Democratic Perspective”, Rethinking Marxism 3, 3–4 (1990), 37–43.

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  5. Dies erklärt sich nicht zuletzt dadurch, daß sich die Rezeption größtenteils auf den liberalismuskritisch orientierten sozialwissenschaftlichen Diskurs beschränkt. Eine Ausnahme stellt die Rezension von Neuhaus dar, vgl. Richard John Neuhaus, „Capitalism, Radicalism, and the New Order“, The Public Interest 88, (1987), 112–118.

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  6. Jeff Goodwin, „The Limits of `Radical Democracy“`, Socialist Review 20, 2 (1990), 13I144, 132; so auch Jonathan Diskin, „An Essay on Post-Marxism, Democracy and Class”, Review of Radical Political Economics 24, 2 (1992), 139–145, 139.

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  7. Erik Olin Wright, „Towards A Post-Marxist Radical Social Theory“, Contemporary Sociology 16, 5 (1987), 748–753, 749. Daneben wird jedoch von beiden Kritikern auch die Originalität und Eigenständigkeit von Democracy and Capitalism hervorgehoben.

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  8. Goodwin, „Limits“, 138; vgl. auch Julie Graham, „Post-Modernism and Marxism”, Antipode 20, 1 (1988), 60–65, 63. Tatsächlich erkennen Bowles/Gintis auch Einflüsse marxistischer Theoretiker wie Althusser und Gramsci auf ihre eigene Theorie nicht an, sondern beziehen sich positiv allenfalls auf Marx selbst. Zu ihrer Abkanzelung von Althusser und Gramsci in Fußnoten vgL Bowles/Gintis, Democracy and Capitalism, 224 Anm.11, 231 Anm.4.

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  9. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, Werkausgabe Bd.1 (Frankfurt 1984), 476 (§ 654).

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  10. „Das Wort Sprachspiel soll hier hervorheben, daB das Sprechen der Sprache ein Teil ist einer Tätigkeit, oder einer Lebensform.“ Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, 250 (§ 23). „Das soziale Band ist sprachlich, aber es ist nicht aus einer einzigen Faser gemacht. Es ist ein Gewebe, in dem sich zumindest zwei Arten, in Wahrheit eine unbestimmte Zahl von Sprachspielen kreuzen, die unterschiedlichen Regeln gehorchen.” Jean-François Lyotard, Das postmoderne Wissen. Ein Bericht (Graz/Wien 1986), 119.

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  11. Vgl. Michael Burawoy, „Should We Give Up on Socialism?“, Socialist Review 19, 1 (1989), 57–74, 61; John Lie, „The Road to Nowhere?”, Harvard Educational Review 57, 3 (1987), 331–340, 336; und M. L. Harrison, [Review of Democracy and Capitalism], Sociology 21, 2 (1987), 308–309, 309.

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  12. Robert Heilbroner, „Of Power and Freedom“, Dissent (Fall 1986), 519–520, 520.

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  13. Burawoy, „Should We Give Up“, 61; „real forces” werden hier ausschließlich in der Produktionssphäre lokalisiert. Diese Interpretation weisen Bowles/Gintis als ökonomistisch zurück, vgl. Bowles/Gintis, „Democratic Demands“, 70.

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  14. Bowles/Gintis, Democracy and Capitalism, 153. Die Werkzeug-Metapher ist unverkennbar von Wittgenstein entlehnt; vgl. Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen, 243, 250 (§11, §23).

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  15. Vgl. dazu auch Frank Cunningham, Democratic Theory and Socialism (Cambridge 1987), 189f, 304 Anm.17.

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  16. Machtausübung im Bereich der Wirtschaft erfolgt in drei unterschiedlichen Formen, die alle gesellschaftlich folgenreich, nicht aber demokratisch legitimierbar sind: es sind dies die Kontrolle über die Produktion und Investitionen sowie der Einfluß auf die staatliche Wirtschaftspolitik. Vgl. Bowles/Gintis, Democracy and Capitalism, 67. Diese Charakterisierung des Wirtschaftssystems als gesellschaftliche Machtstruktur widerspricht dem liberalen Modell der Wirtschaft als einem privaten Bereich, in dem Arbeit als Ware und Investitionskapital als allgemein zugänglich bestimmt wird.

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  17. Der Unternehmer besitzt mit dem Arbeitsvertrag lediglich die Fähigkeit eines Arbeiters, produktiv zu sein und muß selbst dafür sorgen, daß diese in für ihn sinnvoller Weise zum tragen kommt. Erst durch strenge Kontrolle des Arbeitsprozesses, Sanktionen, Drohung mit Kündigung, Anreize durch höhere Löhne und entsolidarisierende Diskriminierungen kann der tatsächliche Einsatz der Arbeitskraft erreicht und maximiert werden. Dadurch entstehen dem Lohnarbeitsverhältnis immanente „costs of contract enforcement“, die kapitalistische Produktion im Vergleich zu einer demokratischen, von Arbeitern kontrollierten Produktionsweise unproduktiv werden lassen. Bowles/Gintis, Democracy and Capitalism, 75.

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  18. Burawoy wirft Bowles/Gintis vor, daß sie mit der These der Existenz eines despotischen Überwachungssystems zum einen die Spezifizität zeitgenössischer Produktionsweisen (basierend auf einem Konsens vermittelt durch Sozialversicherungen, Arbeitsgesetzgebung, Gewerkschaften) nicht erfassen, und zum anderen die entscheidenderen allgemeinpolitischen Effekte der Produktionsorganisation — die über die Auseinandersetzung um die rein ökonomische Aktivität (Arbeitsvorgang) hinausgehen — in Bezug auf eine Erschwerung struktureller Umverteilungskämpfe der Arbeiterklasse unberücksichtigt lassen. Vgl. Burawoy, „Should We Give Up“, 73. Tatsächlich impliziert Bowles/Gintis’ Herrschaftsmodell jedoch nicht nur Zwang oder Überwachung, sondern bezieht auch die Errungenschaften der Arbeiterkämpfe wie Versicherungen und Tarifverträge mit ein, ohne sie einseitig als konsensbildend und damit als Grund Mr Passivität zu interpretieren. Für Bowles/Gintis ist eine Geringschätzung der Kämpfe um Demokratisierung gegenüber dem Kampf um Eigentum — und auch die Alternative „Revolte gegen Zwang” oder „Konsens“ — Ausdruck einer anachronistischen reduktionistischen Haltung, mit der gegenwärtiges kollektives Handeln nicht erklärt werden kann.

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  19. Tatsächlich sehen sie nach dem Scheitern der keynesianischen Kompromisse, der seit Anfang der siebziger Jahre anhaltenden Rezession und der Wiederaufnahme monetaristischer Wirtschaftspolitik nicht nur die Möglichkeit, sondern die Notwendigkeit einer Demokratisierung des Bereichs der Wirtschaft gegeben. Denn die heutigen kapitalistischen Gesellschaften stehen an einem Scheideweg: möglich wire eine weitere Expansion kapitalistischer Produktionsverhältnisse zu einem globalen Wirtschaftssystem mit der Folge der Entmachtung liberaldemokratischer nationalstaatlicher Institutionen („Global Liberalism“, basierend auf der Strategie des Kapitalstreiks), oder auch eine Renaissance autoritärer Strukturen in allen sozialen Bereichen mittels aktiver staatlicher Eingriffe zur Krisenbewältigung („Neo-Hobbesian Liberalism”) — oder eben eine Demokratisierung der ökonomischen Beziehungen. Vgl. Bowles/Gintis, Democracy and Capitalism, 180, 187–203. Für den Fortbestand der bereits existierenden — wenn auch oftmals nur omamentalen — demokratischen Institutionen halten Bowles/Gintis deren Expansion fir unerläßlich, da sie in der jetzigen Form den Hegemoniebestrebungen des Kapitalismus nichts entgegenzusetzen hätten: „Democracy can only survive by expanding to cover areas of social life now dominated by prerogatives of capitalist property.“ (211)

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  20. Goodwin, „Limits“, 134. Daß Bowles/Gintis sich mit dieser Geschichtsauffassung keinesfalls so sehr von dem radikaldemokratischen Lager abheben wie es Goodwins Feststellung und die diskurstheoretischen Bekenntnisse zu Offenheit und Kontingenz suggerieren, wird sich in den folgenden Kapiteln noch zeigen.

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  21. Für den Bereich der Wirtschaft formulieren Bowles/Gintis Demokratisierungsstrategien basierend auf politischen Kategorien, d.h. im Sinne des Ziels von Freiheit und demokratischer Legitimation. Dazu gehören die Verminderung ökonomischer Ungleichheit, ein partizipatorischer Arbeitsprozeß, die demokratische Kontrolle von Investitionen und der allgemeine Zugang zu Kapital. Vgl. Bowles/Gintis, Democracy and Capitalism, 205. Bezüglich der Eigentumsverhältnisse setzen Bowles/Gintis die Konzeption der postliberalen Demokratie als Synthese zwischen liberalen und sozialistischen ökonomischen Ansätzen an: die Produktionsmittel müssen sowohl dezentralisiert (Liberalismus) als auch kollektiviert (Marxismus) werden — und zwar durch die Ausweitung des Regelsystems der demokratischen Rechte: „The postliberal democratic commitment to democratic control of the economy thus amounts to a rejection of the terms of the two-century-old debate between liberalism and socialism concerning the nature of property“ (178). Im Zuge einer Demokratisierung der Okonomie, so Bowles/Gintis, können außerdem höhere Wirtschaftlichkeit, Effektivität und Produktivität erreicht werden. Anstelle der „enforcement costs” treten Loyalität und Verantwortlichkeit der Arbeiter (211). Nur im Rahmen einer demokratischen Wirtschaftsordnung kann normatives gesellschaftliches Handeln, das die Vorteile einer Gemeinschaft im Blick hat, auch im ökonomischen Bereich zum Tragen kommen.

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  22. Lie, „The Road to Nowhere?“, 334. Vgl. auch France Giroux, [Recension], Canadian Journal of Political Science 22, 2 (1989), 451–453, 453.

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  23. Wright, „Towards A Post-Marxist Radical Social Theory“, 749.

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  24. Wright, „Towards A Post-Marxist Radical Social Theory“, 749.

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  25. Vgl. Wood, Retreat From Class, 140f; und Graham, „Postmodernism“, 61, 63.

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  26. Das erkennen auch Wright, „Towards A Post-Marxist Radical Social Theory“, 752f, und McLennan, Marxism,Pluralism and Beyond, 157.

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  27. Vgl. auch Wrights Fazit: Bowles/Gintis’ „abstract analysis rejects any primacy of class analysis and economic relations whereas the concrete analysis tends to accord explanatory primacy to economic dynamics.“ Wright, „Towards A Post-Marxist Radical Social Theory”, 752.

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  28. Bowles/Gintis, Democracy and Capitalism, 119. Diese Formulierung steht nicht per se im Gegensatz zum Konzept eines „mosaic of domination“ (92). In der Tat gilt es, trotz aller notwendigen Kritik an Bowles/Gintis’ Methodik, anzuerkennen, daß sie eine bestimmte Argumentationlinie nicht als axiomatisch-notwendige, sondern als exemplarisch-historische zu verfolgen beabsichtigen. Deshalb können sie auch die Pluralität von Machtstrukturen hervorheben, indem sie sich beispielsweise der Analyse des Patriarchats widmen (106–116) und anhand dessen die Notwendigkeit der Ausdehnung demokratischer Rechte auf sämtliche Bereiche der Zivilgesellschaft — und nicht nur auf die Wirtschaft — fordern. Daß Bowles/Gintis dennoch die kapitalistische Herrschaftsstruktur in den Mittelpunkt rücken, ergibt sich mindestens ebensosehr aus ihrem Programm der Kritik traditioneller politischer Theorien, die sich nun einmal durch Ókonomismus auszeichnen, wie aus ihrer Analyse einer begrenzten zeitlich-räumlichen Konfiguration (den westlichen Industriegesellschaften seit der Französischen Revolution) und ihrer These bezüglich der Effektivität des kapitalistischen Regelsystems bei der Fixierung individueller und kollektiver sozialer Identitäten.

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Rüdiger, A. (1996). Konfliktualität, Tradition und Demokratie: Bowles und Gintis. In: Dekonstruktion und Demokratisierung. Kieler Beiträge zur Politik und Sozialwissenschaft, vol 15. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93689-9_4

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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