Zusammenfassung
Ferdinand Buer hat zusammen mit einer Gruppe von Autoren ein sehr gründliches und nützliches Buch über „Morenos therapeutische Philosophie. Zu den Grundideen von Psychodrama und Soziometrie“ produziert. Buer führt zunächst in den kultur- und ideengeschichtlichen Kontext ein und zeigt werkbiographisch, wie Morenos Suche nach direkter Begegnung der Menschen, welche die tradierten „Kulturkonserven“ überwinden, sich wechselseitig frei wählen, und die Suche nach einer therapeutisch freigesetzten, spielerischen Kreativität im Wiener Milieu vor und nach dem Ende der Donaumonarchie Anregungen erhalten haben. Sein Werk wird aber auch als Schnittpunkt größerer geistesgeschichtlicher Linien dargestellt. Er war nicht der einzige seltsame Heilige, der in einer Welt, in der Nietzsche den Tod Gottes proklamiert hatte und in welcher der Glaube an „höhere Wesen“ jeglicher Art durch Krieg, Migration und den rapiden Plausibilitätsverlust tradierter Normen zerfiel, das Göttliche in der künstlerischen Kreativität der Menschen selbst reaktivieren wollte. Morenos Projekt war zutiefst religiös, der Psychodrama-Therapeut war für ihn auch später noch ein „bearer of the truth“ in der Nachfolge der „improvisierenden Heiligen“, von denen Jesus nur einer war. Buer baut in seinem Beitrag ein Netz von geistesgeschichtlichen Bezügen auf, in denen Moreno stand, die teilweise einleuchten, sich beim (späteren) Moreno selbst erwähnt finden, teilweise aber auf dem Assoziationswege vom Autor hergestellt werden. Die Fülle der aufgezeigten Beziehungen ist einerseits erhellend und Bildungslücken schließend, andrerseits schon fast aufdringlich. Der sozialpsychologische Sinn dieses Projekts liegt m.E. darin, Moreno „aus der Isolation zu holen“, in der er sich selbst oft gefühlt hat und seine Anhänger sich immer noch fühlen, vor allem dann, wenn man auf die religiösen und leicht megalomanen Züge seines theatralischen Kreativitätskonzepts zu sprechen kommt. Es entsteht eine Art „Perzeptionssoziogramm“, welches uns Moreno als ein zwar eigenartiges, aber gut integriertes Element in einem großartigen und dichten kulturellen Beziehungsgefüge von Propheten, Dichtern, Soziologen und Psychologen zeigt. Vielleicht hat Moreno in diesem Soziogramm sogar eine Star-Position innegehabt, die von der Mit- und Nachwelt nur verleugnet wurde?
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Literatur
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© 1991 Leske + Budrich, Opladen
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Ottomeyer, K. (1991). Diskussion Sozialpsychologische Notizen über „Morenos therapeutische Philosophie“. In: Buer, F., Kieper-Wellmer, M., Schmitz, U. (eds) Jahrbuch für Psychodrama, psychosoziale Praxis & Gesellschaftspolitik 1991. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93651-6_6
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