Zusammenfassung
Vergesellschaftung bedeutet, wie jeder Prozeß der Systembildung, daß Individuen sich bestimmte Restriktionen auferlegen, aus denen sodann Eigenschaften eines neuen (sozialen) Systems entstehen. Die wichtigsten Elemente dieses Restriktionshaushalts sind bekanntlich die soziale Normiening und Differenzierung, die Bildung sozialer Rollen, die Verlagerung und Verfestigung von Macht, die Ausbildung sozialer Distanz und die Verallgemeinerung von Kommunikation. Restriktionen können erzwungen oder erwünscht sein, sie können hingenommen oder abgelehnt werden — immer jedoch bewirken sie beim betroffenen Individuum eine gefühlsmäßige Reaktion, eine Reaktion, die in der Regel ambivalenten Charakter besitzt. So wird soziale Normierung als “ärgerliche Tatsache” der Anpassung, des Verzichts, des Verlusts an Spontaneität erlebt, zugleich aber auch als Endastung, Schutz und Versicherung. Im sozialen Rollenspiel werden Individuationsbestrebungen unterdrückt, wird Authentizitat bedroht, aber ohne Übernahme gesellschafdicher Rollen findet die für das Wohlbefinden wichtige soziale Identität keinen Ort und keine Chance der Entfaltung. Sozialer Rückhalt gewahrt emotionale Stützung, Vertrauen und Solidarität; andererseits beengt er das Individuum durch Kontrolle und reziproke Verpflichtung. Ausübung sozialer Macht kann Beziehungen entlasten, stabilisieren, aber sie offenbart auch “die Verletzungsoffenheit des Menschen, die Sorge, Furcht, Angst voreinander als Modus des Vergesellschaftetseins” (1).
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© 1990 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
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Siegrist, J. (1990). Berufliche Gratifikationskrisen und körperliche Erkrankung — Zur Soziologie menschlicher Emotionalität. In: Oswald, H. (eds) Macht und Recht. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93609-7_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93609-7_7
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Online ISBN: 978-3-322-93609-7
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