Zusammenfassung
„Regulative Politik“ ist keine speziell für die. Implementationsforschung entwickelte analytische Kategorie, sondern wurde aus dem Zusammenhang der vor allem in den USA seit den 60er Jahren intensiv geführten Diskussion um die staatliche Regulierung der Wirtschaft übernommen. Bei dieser im wesentlichen von Ökonomen geführten Diskussion ging und geht es vor allem um die Rechtfertigung und Kritik, den Nutzen und die Kosten staatlicher Regulierung (Feick 1981). Normativ gesprochen wird die staatliche Regulierung der Wirtschaft durch ein partielles Versagen des Marktes gerechtfertigt, der der prinzipiell bevorzugte Steuerungsmechanismus bleibt, wobei die Intervention sowohl dem Verbraucher dient, dem so die Versorgung mit notwendigen Gütern und Diensten zu angemessenem Preis gewährleistet wird, zugleich aber auch der regulierten Branche nützt, indem rentable Unternehmensgrößen gesichert und ruinöser Wettbewerb verhindert werden. Bis etwa zur Jahrhundertmitte waren relativ wenige amerikanische Wirtschaftszweige (vor allem in den Bereichen Verkehr, Transport, Kommunikation und Finanzen sowie in der Gas-, Wasser- und Elektrizitätsversorgung) einer staatlichen Regulierung unterworfen, die sich dabei vorzugsweise auf Preise, Gewinnspannen und den Marktzutritt bezog (Müller & Vogelsang 1979b). In den 60er Jahren wurde die Regulierung im Interesse gesundheitspolitischer Ziele, des Verbraucher- und des Umweltschutzes stark ausgeweitet, wobei nunmehr vor allem auch Standards (z. B. Sicherheits-, Emissions-, Qualitätsstandards) als Form der Regulierung eingesetzt wurden. In der Kritik, die dieser Regulierungsschub in den USA auslöste (MacAvoy 1979), wurden vor allem die volkswirtschaftliche Ineffizienz der Markt- und Preisregulierung und die hohen Befolgungskosten beklagt, die dem privaten Sektor durch die Erfüllung von Umweltschutznormen, Sicherheitsstandards usw. entstehen; Kritik wie Gegenkritik sind dabei durch Meßprobleme und die Schwierigkeit von Kosten-Nutzen-Vergleichen belastet und eher noch verschärft worden. In der Regulatory Reform-Bewegung, die unter Präsident Carter erstmals ins Zentrum öffentlicher Aufmerksamkeit geriet, hat sich die amerikanische Wirtschaft offen engagiert (vgl. die Zeitschrift „Regulation“ des American Enterprise Institute). In der Bundesrepublik ist die staatliche Regulierung der Wirtschaft bislang weniger intensiv thematisiert worden, was u. a. mit Besonderheiten der historischen Entwicklung zusammenhängen mag (Müller & Vogelsang 1979a, 192 f.). Nachdem im Zuge der Liberalisierung in der ersten Hälfte des 19. Jh. die überkommene Selbstregulierung durch die Zünfte und die merkantilistischen Staatseingriffe abgebaut wurde, nahm zwar die Regulierung bereits im letzten Viertel des Jahrhunderts wieder zu; dabei gingen aber eine Reihe von Industrien, die in den USA staatlicher Regulierung unterworfen wurden, in Deutschland bald ganz in öffentliches Eigentum über. Für die staatliche Regulierung anderer Wirtschaftszweige wurden, ebenfalls anders als in den USA, keine besonderen unabhängigen Kommissionen und Behörden gebildet. Schließlich wird in Deutschland in weitem Umfang eine nachträgliche Mißbrauchsaufsicht als Ersatz für vorbeugende regulierende Maßnahmen praktiziert.
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Mayntz, R. (1983). Implementation von regulativer Politik. In: Mayntz, R. (eds) Implementation politischer Programme II. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93567-0_3
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