Zusammenfassung
In Erfahrung und Natur findet sich der folgende programmatische Satz: „Den Organismus in der Natur zu sehen [...] ist die Antwort auf die Probleme, die die Philosophie plagen“ (Dewey 1995: 282, Herv.i.O.). Damit faßt Dewey seinen naturalistischen Neuansatz, mit dessen Hilfe er die Sackgassen der traditionellen Philosophie zu überwinden trachtet, zusammen. Was aber bedeutet es für Dewey, den Organismus in der Natur zu sehen? Und inwiefern kann eine derartige Betrachtungsweise die Probleme der Philosophie lösen? Um diese Fragen beantworten zu können, muß man zunächst den Blick auf die Anfänge der philosophischen Karriere Deweys richten.
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Referenzen
Für Horace S. Thayer ist dieser Dualismus zwischen Wissenschaft und Religion, zwischen Fakten und Werten der entscheidende Ausgangspunkt von Deweys Philosophie (Thayer 1985: 72 f.). Zum biographischen Hintergrund vgl. Dykhuizen (1973), Coughlan (1975), Westbrook (1991) und Rockefeller (1991).
Zu Greens Philosophie und seiner Bedeutung innerhalb der angelsächsischen Geistesgeschichte vgl. Nicholson (1990). Greens Einfluß auf Morris und Dewey wird u.a. bei Coughlan (1975), Rockefeller (1991), Welchman (1995) und Westbrook (1990) herausgearbeitet. Zum geistesgeschichtlichen Hintergrund der US-amerikanischen Rezeption des Neohegelianismus vgl. Flower/Murphy (1977).
Grundlegende Auseinandersetzungen mit Deweys Frühwerk finden sich bei Coughlan (1975), Alexander (1987: 15–57) sowie, vornehmlich in Hinblick auf die Entwicklung seiner Moralphilosophie, bei Welchman (1995).
Boisvert (1988: 15–36) unterscheidet zwischen einer Kantianischen und einer Hegelianischen Phase in Deweys frühem Idealismus. Der Unterschied besteht in erster Linie im Gegenstand der theoretischen Auseinandersetzung. Während seiner Kantianischen Phase — Boisvert zufolge kommt diese in seiner Dissertation und seinen Aufsatz Kant and Philosophic Method (EW 1) zum Ausdruck — hat Dewey sich mit epistemologischen Fragen auseinandergesetzt und ist hier der Transzendentalphilosophie Kants gefolgt. In der sich daran anschließenden Hegelianischen Phase hat Dewey sich dagegen vornehmlich mit ontologischen Problemstellungen beschäftigt. Boisvert weist allerdings darauf hin, daß die Philosophie Kants, wenn auch eher unterirdisch, bei der Ausarbeitung von Deweys Wahrheitstheorie einen noch zu bestimmenden Einfluß ausgeübt hat. Zu Deweys Verhältnis zu Kant vgl. Abschnitt 3.3.2.
Die nachfolgenden Seitenzahlen beziehen sich, soweit sie nicht anders ausgewiesen sind, auf Leibniz’s New Essays Concerning the Human Understanding (EW 1: 251–418).
Boisvert (1988: 32) merkt hierzu jedoch kritisch an, daß Dewey in seinem Buch über Leibniz nicht näher darauf eingeht, was genauer unter ‘organic’ zu verstehen ist: „‘Organism’ appears to be a term used as a weapon of combat. It signifies a rejection of the dualistic ontology espoused by the empiricist tradition, but the precise reasons why ‘organic’ best expresses the alternative view are not enumerated“.
Diese Konzeption einer perfekt eingestellten Eigengesetzlichkeit der Monaden/Individuen ist eine der tragenden Säulen von Deweys früher Demokratietheorie; vgl. Rockefeller (1991: 154).
Dewey hat bei Hall Kurse in experimenteller Psychologie besucht und zeigte sich von der neuen, auf Beobachtung basierenden Methode, begeistert. Diese Begeisterung für die experimentellen Naturwissenschaften und deren methodisches Vorgehen sollte auch die weitere Entwicklung seiner Philosophie maßgeblich bestimmen, vgl. Coughlan (1975).
Inwieweit Deweys Instrumentalismus als Fortführung dieses Projektes angesehen werden kann, wird ein zentraler Gegenstand der folgenden Kapitel sein.
Green zufolge strebt das Individuum danach, sich mehr und mehr dem ewigen Bewußtsein anzunähern, mit ihm zu verschmelzen. „Because the spiritual principle, or reason, is within him, he possesses unique capabilities for good. Only in seeking to realize them he can satisfy himself and attain his true good, which is also freedom“ (Richter 1964: 208). Gleichwohl ist dieses Streben zum Scheitern verurteilt. Der Mensch partizipiert zwar nach Green am ewigen Bewußtsein, doch gleichzeitig bleibt er auch seiner animalischen Natur verhaftet. Der Mensch ist sich seiner göttlichen Potentiale bewußt, kann sie aber aufgrund seiner Konstitution nicht vollständig verwirklichen. In Greens Worten: „No one so confined, it would seem, can exhibit all the Spirit, working through and in him, properly and potentially is. Yet is not such confinement the condition of the only personality we know?“ (Green 1890: 192). Diese Zerrissenheit, der der Mensch in Greens Ethik ausgesetzt ist, ist eine. der wesentlichen Gründe für Deweys Abkehr: „No thorough-going theory of total depravity ever made righteousness more impossible to the natural man than Green makes it to a human being by the very constitution of his being” (EW 3: 160). Vgl. Welchman (1995: 88).
Vgl. Reck (1984).
Vgl. zum folgenden Westbrook (1990: 66 f.) sowie Reck (1984); beide unterstreichen die herausragende Relevanz von James’ Buch für die Entwicklung von Deweys Naturalismus. Eine skeptische Darstellung findet sich dagegen bei Buxton (1984), der die These vertritt, daß die Bedeutung von Darwin wesentlich höher einzuschätzen ist.
Vgl. Stuhr (2000a: 4 f.).
Darauf werde ich sogleich bei der Diskussion der evolutionstheoretischen Impulse näher eingehen.
Eine ausführliche Darstellung dieses Prozesses findet sich auch bei Reck (1984), eine frühe Kritik an James Unzulänglichkeiten hat Dewey in The Ego as Cause (EW 4) formuliert.
Dieser Gedanke ist bekanntlich ein wesentlicher Bestandteil von Hegels Kantkritik. Wie wir im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch sehen werden, läßt sich Deweys Philosophie als eine Naturalisierung Hegelscher Denkmotive beschreiben, und zwar gleichermaßen im Hinblick auf deren ontologischen, epistemologischen und ethischen Gehalt, vgl. auch Nagl (1998).
Die nachfolgenden Seitenzahlen beziehen sich, soweit sie nicht anders ausgewiesen sind, auf diesen Text.
Eine derartige Vorgehensweise würde einen ‘intellektualistischen Fehlschluß’ darstellen.
Zu Deweys Begriff des ‘habit’ vgl. ausführlicher Abschnitt 4.2.
Die Relevanz von The Reflex Arc Concept in Psychology wird neben Westbrook u.a. von Thayer (1985), Alexander (1987), Neubert (1998), Campbell (1985) und Reck (1984) herausgearbeitet; eine skeptische Einschätzung findet sich dagegen bei Welchman (1995), sie bestreitet, daß Dewey mit diesem Artikel seinen Idealismus überwunden hat.
Vgl. Abschnitt 2.2.
Zum ‘immediate empiricism’ vgl. Abschnitt 2.2.
Zu Deweys funktionaler bzw. instrumenteller Theorie des Denkens Abschnitt 3.1.
Das Bild der Spirale findet sich bei Neubert (1998: 150 f.).
Vgl. unten S. 105 ff. und S. 148.
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Jörke, D. (2003). Die naturalistische Aufhebung neoidealistischen Philosophierens. In: Demokratie als Erfahrung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93550-2_2
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