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Kindarmut und Sozialpolitik — Zur politischen Regulierung von Kindheit im modernen Wohlfahrtsstaat

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Part of the book series: Reihe Kindheitsforschung ((KIND,volume 9))

Zusammenfassung

Die Herausbildung von Kindheit als einer eigenständigen Lebensphase vollzieht sich als ein Vorgang der Ausgliederung der Kinder aus dem System produktiver Arbeit. Die ökonomische Bedeutung von Kindheit und Kindern ändert sich im Zuge dieser Entwicklung grundlegend. Mit der Durchsetzung der Schulpflicht und dem Verbot der Kinderarbeit verlieren Kinder ihren — in der vormodernen Haushaltsökonomie beträchtlichen — individuellen ökonomischen Nutzen für ihre Eltern. Kinder tragen fortan weder zum Haushaltseinkommen ihrer Herkunftsfamilie noch zur Alterssicherung ihrer Eltern direkt bei. Vielmehr verursachen sie erhebliche Kosten. Kinder erweisen sich für ihre Eltern nun als “Konsumgut”, da sie darüber befinden müssen, “ob sie sich Kinder leisten können oder nicht, oder weil sie zwischen Kindern und einem bestimmten Lebensstandard wählen müssen” (Qvortrup 1996, 69). Auch aus der Perspektive der nationalen Volkswirtschaft werden Kinder zu einem “Kostenfaktor”: während sie einerseits unmittelbar nichts zur ökonomischen Wertschöpfung beitragen können, müssen andererseits w-achsende Ausgaben im Bereich von sozialer Infrastruktur, Bildung und Erziehung getätigt werden.

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Literature

  1. Die Gründe für diesen Vorgang der Ausgliederung von Kindheit und Kindern aus der Erwachsenengesellschaft sind vielschichtig und können hier nicht im einzelnen erörtert werden. Zur “Entdek-kung” von Kindheit vgl. den immer noch grundlegenden Text von (Ariès 1975); zu den Gründen für die Abtrennung von Kindern vom System der Erwerbsarbeit vgl. Wintersberger (1944 Qvortrup 1995).

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  2. Als ein Indiz für die vordringliche Thematisierung psychosozialer Komponenten der Lebensverhältnisse von Kindern und Jugendlichen mag der Sachverhalt gelten, daß im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 227 “Intervention und Prävention im Kindes- und Jugendalter” an der Universität Bielefeld über die gesamte Laufzeit hinweg kein Projekt beantragt und gefördert worden ist, das sich zentral mit der ökonomischen Lage von Kindern und Jugendlichen bzw. mit der ökonomischen Bedeutung von Kindheit in der modernen Gesellschaft befaßt.

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  3. Dieses erneute Interesse bezieht sich vornehmlich auf Fragen möglicher produktiver Beiträge von Kindern zur ökonomischen Wertschöpiung sowie auf deren materielle Lage, als Konsumenten waren Kinder auch vorher schon von Interesse.

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  4. In den neuen Bundesländern fallt der Anteil von Haushalten mit Niedrigeinkommen — bei einem insgesamt niedrigeren Schwellenwert von 675.- DM — mit einem Wert von rund 4.8% aller Privathaushalte deutlich geringer aus als im früheren Bundesgebiet (Eggen 1997). Bei insgesamt gegenüber dem Westen deutlich geringeren Werten weist die Risikostruktur zwischen den Ehepaarhaushalten mit und ohne Kindern sowie zwischen diesen Haushaltstypen in unterschiedlichen Familienphasen in die gleiche Richtung wie in den alten Bundesländern. Für beide Teile des Bundesgebietes gilt ferner, daß insbesondere kinderreiche Familien ein überproportional hohes Risiko tragen, in eine wirtschaftlich prekäre Situation zu geraten.

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  5. In dem Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs 186 der Universität Bremen folgen wir dem Ansatz der “dynamischen Armutsforschung”. Das Projekt ist an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg angesiedelt und verfolgt im wesentlichen zwei Untersuchungsstränge: eine repräsentative Längsschnittuntersuchung bezogen auf die Sozialhilfezugangskohorten in Halle 1990–1994 und ein qualitatives Panel mit halleschen Sozialhilfeempfängerinnen und –empfängern der Zugangskohorte 1994. Die Hallesche Längsschnitt-Studie zur Sozialhilfe (HLS) ermöglicht es, die zeitliche Dynamik des Sozialhilfebezugs für fünf Zugangskohorten zu rekonstruieren. Mit dem Instrument qualitativ erhobener Paneldaten wird untersucht, wie ostdeutsche Sozialhilfeempfange-rinnen und -empfanger die Sozialhilfe bewerten und welche Bewältigungsstrategien sie auf dem Hintergrund “DDR-spezifischer” biographischer Erfahrungen entwickeln.

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  6. Es wurden sechs Phasen zu Grunde gelegt, die sich bei den Ehepaaren ohne Kinder durch die Indikatoren Ehedauer und Alter der Ehefrau und bei den Ehepaaren mit Kindern durch die Ehedauer und das Alter des jeweils ältesten — bzw. in den späteren Phasen: des jüngsten Kindes — unterscheiden. Auf diese Weise wurde der Tatsache Rechnung zu tragen versucht, daß im Verlaufe eines Familienzyklus sowohl die familialen Aufgaben als auch die wirtschaftlichen Situationen sich verändern (können).

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  7. Im Hinblick auf die relative Wohlstandsposition, also die Abweichung der Einkommen einzelner Haushaltstypen vom durchschnittlichen Einkommen aller Privathaushalte, erbringt die Studie im Hinblick auf Unterschiede zwischen Haushalten mit und ohne Kindern ähnliche Ungleichheitsrelationen (Eggen 1997). Ehepaare ohne Kinder nehmen in allen Familienphasen eine deutlich höhere Wohlstandsposition ein als Ehepaare mit Kinder, die Differenzen sind in der Stabilisierungsphase am größten und nähem sich in der Umorientierungsphase wieder an. In den neuen Bundesländern fallen diese Differenzen in den Wohlstandspositionen — bei einem ähnlichen Familien-phasenmuster — deutlich geringer aus als im früheren Bundesgebiet.

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  8. Bei dieser Fomulierung verweist die gewählte männliche Form zugleich auf das unterstellte Prinzip geschlechtsspezifischer Arbeitsteilung.

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  9. Die Kritik Wilfrid Schreibers an der sozialpolitischen Lösung des Familienlastenausgleichs entzündet sich genau an dem Punkt, daß sich die Leistungs- und Transferströme in diesem Falle eben gerade nicht direkt auf die Bevölkerungsgruppe der Kinder, sondern auf die Mitglieder der jeweiligen Elterngeneration beziehen: “Der fundamentale Mangel dieser Lösung besteht darin, daß sie die ‘Kinderbeihilfen’ in der Form von Zuwendungen an die Eltern (oder Erziehungsberechtigten) in Erscheinung treten läßt und damit dem zynischen Wort von der ‘Zuchtprämie’ für zeugungsfreudige Eltern eine gewisse formal-logische Berechtigung gibt” (Schreiber 1955, 31; Hervorhebungen im Original). Dies bedeutet umgekehrt, daß der Familienlastenausgleich nicht an dem Problem der Sicherung des Unterhalts und der Befriedigung der spezifischen Bedürfnisse der Bevölkerungsgruppe der Kinder, sondern an dem Problem der Belastungen der Eltern durch Erziehungsaufgaben ansetzt.

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  10. Ein Beispiel hierfür ist das 1990 verabschiedete Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG), das trotz seines neuartigen Charakters als eines Sozialleistungsgesetzes in partieller Abkehr von der kindorientierten Tradition der Jugendhilfe nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten fur Kinder und Jugendliche vorsieht, selbst Leistungen der Jugendhilfe zu beantragen (Münder u. a. 1993).

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  11. Aktueller Ausdruck dieser Entwicklung ist die Novellierung des Kindschaftsrechtes vom 25.09.1997 (Frankfurter Rundschau 26.09.1997).

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© 1998 Leske + Budrich, Opladen

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Olk, T., Mierendorff, J. (1998). Kindarmut und Sozialpolitik — Zur politischen Regulierung von Kindheit im modernen Wohlfahrtsstaat. In: Mansel, J., Neubauer, G. (eds) Armut und soziale Ungleichheit bei Kindern. Reihe Kindheitsforschung, vol 9. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93275-4_15

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93275-4_15

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-322-93276-1

  • Online ISBN: 978-3-322-93275-4

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