Zusammenfassung
Das Thema des Aufsatzes fällt aus dem Rahmen meiner sonst üblichen Aufsätze heraus. Zum einen verlangt es persönliche Bezüge, d.h. der Beobachter und Forscher soll auch ein wenig von sich berichten. Zum anderen ist es für einen Mittvierziger wie mich ein ungewöhnliches Unterfangen, bereits nach zehn Jahren Aufarbeitung so etwas wie eine Zwischenbilanz zu ziehen. Zufälligerweise begann meine wissenschaftliche Beschäftigung mit der kommunistischen Diktatur etwa zu dem selben Zeitpunkt, als die Gedenkstätte Moritzplatz gegründet wurde. Es ist daher wohl doch ein guter Anlass, eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Überarbeiteter Vortrag. Ursprünglich gehalten unter dem Titel: Am Anfang stand Wolfgang Natonek — Persönliche Erfahrungen zur Aufarbeitung politischer Verfolgung zwischen Waldheim und Workuta.
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Literatur
Robert Conquest, Am Anfang starb Genosse Kirow, Düsseldorf 1970.
Waldemar Krönig/Klaus-Dieter Müller, Nachkriegs-Semester. Studium in Kriegs- und Nachkriegszeit, Stuttgart 1990.
Wolfgang Schuller, Die Verstummten sprechen. In das Dunkel der sowjetischen Archive fällt Licht, FAZ 3. 9. 97.
Ein anschauliches Beispiel eines solchen Überlebenswillens ist die Autobiographie eines Bautzener Häftlings, siehe Günter Heinisch: „Solange du lebst, lebt auch die Hoffnung noch.“ Erinnerungen an Haft und Selbstbehauptung in Chemnitz, Dresden und Bautzen 1950–1956, bearbeitet und eingeleitet von Klaus-Dieter Müller (Lebenszeugnisse — Leidenswege Heft 10), Dresden 2000. Auch Wolfgang Natonek hat in unseren Gesprächen mehrfach über solche Erlebnisse berichtet.
Siehe hierzu Dittmar Dahlmann/Gerhard Hirschfeld (Hg.): Lager, Zwangsarbeit, Vertreibung und Deportation. Dimensionen der Massenverbrechen in der Sowjetunion und in Deutschland 1933 bis 1945, Essen 1999, wo diese Thematik in mehreren Beiträgen erörtert wird.
Siehe hierzu das stark auf Zeitzeugenbefragung (etwa 400 Personen hatten sich beteiligt) aufgebaute Buch Waldemar Krönig/Klaus-Dieter Müller: Anpassung — Widerstand — Verfolgung. Hochschule und Studenten in der SBZ und DDR 1945–1961, Köln 1994, in dem auch Wolfgang Natoneks Schicksal geschildert wird (S. 229–232); siehe auch Klaus-Dieter Müller: Studentische Opposition in der SBZ/DDR. In: Klaus-Dietmar Henke/Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hg.), Widerstand und Opposition in der DDR, Köln-Weimar 1999, S. 93–124, hier S. 98–101. Insgesamt sind in bisher vier Zeitzeugenprojekten, die in meinem Verantwortungsbereich durchgeführt wurden, zusammen etwa 3.200 Fragebögen bearbeitet worden.
Sachverständigen-Kommission beim Minister des Innern des Landes Sachsen-Anhalt, Arbeitsergebnisse und Empfehlungen zur Errichtung und Ausgestaltung der Gedenkstätte für die Opfer politischer Gewaltherrschaft von 1933 bis 1989 in der Justizvollzugsanstalt „Am Kirchtor“ in Halle/Saale, Halle 1995.
Horst Hennig gehort zu den Rehabilitierten, denen es gelang, auch große Teile ihrer Akte in Kopie zu erhalten. Sie bildeten den Grundstock für einige Veröffentlichungen zu der Hallenser Studentengruppe, der er angehörte, siehe z.B. Klaus-Dieter Müller/Jörg Osterloh: Die Andere DDR. Eine studentische Widerstandsgruppe und ihr Schicksal im Spiegel persönlicher Erinnerungen und sowjetischer NKWD-Dokumente (Berichte und Studien Nr. 4), Dresden 1996. Zu Workuta auch Hans Dieter Scharf: Von Leipzig nach Workuta und zurück. Ein Schicksalsbericht aus den frühen Jahren des ersten deutschen Arbeiter- und Bauernstaates 1950–1954 (Lebenszeugnisse — Leidenswege Heft 2), bearbeitet und eingeleitet von Klaus-Dieter Müller, Dresden 1996.
Zu einigen bisherigen Ergebnissen dieses Projektes siehe Klaus-Dieter Müller: Zwischen Hippokrates und Lenin. Gespräche mit ost- und westdeutschen Ärzten über ihre Zeit in der SBZ und DDR, Köln 1994; derselbe: Ärzte zwischen Widerstand und Anpassung. Ärztliches Handeln und politische Verfolgung von Ärzten in der SBZ/DDR. In: Deutsche Studien 120 (1993) und 121 (1994), S. 336–348 und 57–74; derselbe: Die Ärzteschaft im staatlichen Gesundheitswesen der SBZ und DDR 1945–1989. In: Robert Jütte (Hg.), Geschichte der deutschen Ärzteschaft. Organisierte Berufs- und Gesundheitspolitik im 19. und 20. Jahrhundert, Köln 1997, S. 243–273.
Vereinigung der Opfer des Stalinismus e.V. (Hg.), Vergeßt uns nicht — wenn auch die Tage wandern und die Jahre. Eine Festschrift zum 50-jährigen Bestehen der Vereinigung der Opfer des Stalinismus, Berlin 2000; hierin der kleine Bericht von mir: Der größte Opferverband öffnet der Forschung seine Akten, S. 52–54.
Ausführlicher mit Auswertungen der Materialien siehe Klaus-Dieter Müller/ Bettina Westfeld: Die VOS-Akten. VOS und Wissenschaft — Der größte Opferverband öffnet der Forschung seine Akten. In: Freiheitsglocke Nr. 569 und 570/571 (2000), S. 10–12 und 8–10.
Nach der Auswertung der Fragebögen sind die Ergebnisse mehrfach auf wissenschaftlichen und Opferverbandstagungen der Öffentlichkeit vorgestellt oder für Publikationen verwandt worden, siehe Klaus-Dieter Müller: Einleitung. In: Benno Prieß, Erschossen im Morgengrauen. Verhaftet, gefoltert, verurteilt, erschossen. „Werwolf’-Schicksale mitteldeutscher Jugendlicher, Calw 1997, S. 9–14.
Als Ergebnisse der beiden Tagungen siehe Klaus-Dieter Müller/Konstantin Nikischkin/Günther Wagenlehner (Hg.): Die Tragödie der Gefangenschaft in Deutschland und der Sowjetunion 1941–1956, Köln-Weimar 1998,
Manfred Zeidler/Ute Schmidt (Hg.): Gefangene in deutschem und sowjetischem Gewahrsam 1941–1956: Dimensionen und Definitionen (Berichte und Studien Nr. 23), Dresden 1999.
Günther Wagenlehner hat mehrfach dazu öffentlich berichtet, siehe z.B. derselbe: Aktenauswertung in den russische Archiven. Eine Zwischenbilanz nach vier Jahren. In: Mül-ler/Nikischkin/Wagenlehner, a.a.O., S. 255–263.
Siehe auch Günther Wagenlehner: Die russischen Bemühungen um die Rehabilitierung der 1941–1956 verfolgten deutschen Staatsbürger. Dokumentation und Wegweiser (Reihe Gesprächskreis Geschichte, Heft 29, Friedrich Ebert Stiftung), Bonn-Bad Godesberg 1999.
Auswertung durch Dr. Günter Fippel Leipzig, Stand: 15.7.2001; Grundlage: 126 einzelne Haftkategoriengruppen. Quelle: Karteikarten des FSB. Knapp 98 % aller Genannten sind 1945 und 1946 verhaftet worden, die restlichen 2.773 Personen mit abnehmender Tendenz bis 1955. Viele der Letztgenannten wurden bereits kurz nach der Verhaftung wieder freigelassen, nur eine Minderheit von ihnen ist auch verurteilt worden. Weitere Datensätze werden erwartet.
Siehe hierzu Sergej Mironenko/Lutz Niethammer/Alexander von Plato (Hg.): Sowjetische Speziallager in Deutschland 1945 bis 1950. Band 1: Studien und Berichte, Band 2: Sowjetische Dokumente zur Lagerpolitik, Berlin 1998.
So zum Beispiel bei Karl Wilhelm Fricke: Politik und Justiz in der DDR. Zur Geschichte der politischen Verfolgung 1945–1968. Bericht und Dokumentation, Köln 1979.
So etwa in den Verhandlungen gegen Joachim Stern und andere, als in mehreren Verfahren 1948 insgesamt 40 Angeklagte der so genannten liberalen Organisation trotz Widerrufens der Geständnisse vor Gericht verurteilt wurden, siehe Datensammlung Stiftung Sächsische Gedenkstätten Nr. 1824, Akte Stern. Dazu auch die Autobiographie von Joachim R. Stern: Und der Westen schweigt. Erlebnisse — Berichte — Dokumente über Mitteldeutschland 1945–1975, Preußisch-Oldendorf 1976.
Auswertung und Berechnung: Bettina Westfeld, Universität Leipzig/Dokumentationsstelle der StSG. Zur Problematik der Zahlenermittlung siehe Klaus-Dieter Müller: Nazis -Kriegsverbrecher — Spione — Diversanten? Annäherung an die sowjetische Haft- und Urteilspraxis in der SBZ und DDR mithilfe sowjetischer Archivalien. In: Deutschland Archiv 3 (2000), S. 373–391.
Johannes Raschka, Zwischen Überwachung und Repression — Politische Verfolgung in der DDR 1971 bis 1989 (Am Ende des realen Sozialismus Nr. 5), im Auftrag des Bundesministeriums des Innern, Opladen 2001, und derselbe, Justizpolitik im SED-Staat. Anpassung und Wandel des Strafrechts während der Amtszeit Honeckers (Schriften des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung Band 13), phil. Diss., Köln-Weimar 2000.
Klaus-Dieter Müller/Annegret Stephan (Hg.), Die Vergangenheit läßt uns nicht los. Haftbedingungen politischer Gefangener in der SBZ/DDR und deren gesundheitliche Folgen, Berlin 1998.
Auf einer kürzlich durchgeführten internationalen Tagung zu diesem Projekt hat ein hoher Vertreter des FSB zu den Beständen des FSB-Archivs berichtet. Der Vortrag mit einer kurzen Einführung nebst Projektbeschreibung wird in Kürze im Deutschland Archiv veröffentlicht, siehe V. S. Christoforow: Zu den Akten über sowjetische Kriegsgefangene, die in den Archiven des Föderalen Sicherheitsdienstes (FSB) Russlands aufbewahrt werden, Deutschland Archiv 5 (2001), September/Oktober 2001.
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Müller, K.D. (2002). Die Aufarbeitung politischer Verfolgung zwischen Waldheim und Workuta — eine persönliche Zwischenbilanz. In: Stephan, A. (eds) 1945 bis 2000 Ansichten zur deutschen Geschichte. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93253-2_7
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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