Zusammenfassung
Die Titelgebung setzt voraus, bereits zu wissen, was doch erklärungsbedürftig ist: Was ist ein/eine Intellektuelle(r), was heißt „links“? Gab es wirklich die Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik oder war dies nur ein Konstrukt? Da diese Fragen auf der Tagung ausführlich diskutiert werden, begnüge ich mich mit den folgenden knappen Voraussetzungen: Als Intellektuelle mögen Menschen (Frauen und Männer) gelten, die in relativer Autonomie ihre Positionen schreibend und redend reflektieren oder/und kommunikatorisch dazu beitragen, daß dies geschehen kann; sie können, müssen aber nicht akademisch gebildet sein. „Links“ präzise beschreiben zu wollen für einen historischen Zeitraum, der wie keiner davor Rechts-Links-Vermischungen bei einzelnen und Gruppierungen gleichermaßen hervorbrachte, erscheint methodisch sehr schwierig. Deshalb mag es operationell brauchbar sein, Intellektuelle dann als „links“ zu bezeichnen, wenn sie, in direkter oder indirekter Weise dem emanzipatorischen Projekt der Moderne verpflichtet, in der Arbeiterbewegung gewirkt haben, für sie, direkt oder randständig, oder sogar nur indirekt, und dies alles unter Umständen doch auf sehr prägende, meist kritisch akzentuierte Weise. Die Kennzeichnung „Arbeiterbewegung“ hat für die Zeit nach 1918 gewiß nur noch eine sehr allgemeine, fast unpräzise Bedeutung, soll sie doch für Sozialdemokraten und Kommunisten einschließlich ihres gewerkschaftlichen und soziokulturellen Umfeldes gelten (Splittergruppen einbezogen), also für Strömungen, Parteien und Gruppen, die sich politisch einander teilweise militant feindlich gegenüberstanden. Dennoch scheint mir die Kennzeichnung vertretbar, bedenkt man, daß bei scharfer politischer Trennung dennoch gerade das soziokulturelle (wie z. T. auch das soziale) Milieu der Arbeiterbewegung bis zum Ende der Republik weitgehend eigenständig ungetrennt bestehen blieb und dies auch die häufigen Positionswechsel von Intellektuellen erklärt.1
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Literatur
Materialreich und als Interpretationshilfe unverzichtbar: Thomas Koebner (Hrsg.): Weimars Ende. Prognosen und Diagnosen in der deutschen Literatur und politischen Publizistik 1930–1933. Frankfurt/M. 1982;
Christl Wickert: „Zu den Waffen des Geistes … Durchgreifen Republik!“ Die Linksintellektuellen. In: Detlef Lehnert, Klaus Megerle (Hrsg.): Politische Identität und nationale Gedenktage. Zur politischen Kultur in der Weimarer Republik. Opladen 1989, S. 115–137;
Keith Bullivant (Hrsg.): Das literarische Leben in der Weimarer Republik. Königstein/Ts. 1978;
Manfred Gangl, Gérard Raulet (Hrsg.): Intellektuellendiskurse in der Weimarer Republik. Zur politischen Kultur einer Gemengelage. Frankfurt/M., New York, Paris 1994.
Franz Walter: Sozialistische Akademiker- und Intellektuellenorganisationen in der Weimarer Republik. Bonn 1990 [Solidargemeinschaft und Milieu: Sozialistische Kultur-und Freizeitorganisationen in der Weimarer Republik, Bd. 1].
Vgl. Fritz K. Ringer: Die Gelehrten. Der Niedergang der deutschen Mandarine 1890–1933. München 1987, S. 62–77.
Vgl. ebd., S. 188f.
Vgl. Helga Grebing: Der Revisionismus. Von Bernstein bis zum,Prager Frühling‘. München 1977;
Dies. (Hrsg.): Fritz Sternberg (1895–1963). Für die Zukunft des Sozialismus. Köln 1981 [Schriftenreihe der Otto-Brenner-Stiftung, Bd. 23].
Vgl. Martin Martiny: Die Entstehung und Bedeutung der „Neuen Blätter für den Sozialis¬mus“ und ihres Freundeskreises. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 25 (1977), S. 373–419.
Vgl. Helga Grebing: Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. In: Wolfgang Luthardt (Hrsg.): Sozialdemokratische Arbeiterbewegung und Weimarer Republik. Materialien zur gesellschaftlichen Entwicklung 1927–1933. Band 2. Frankfurt/M. 1978, S. 259–279.
Vgl. Peter Brandt, Axel Kellmann: Walther Encke — ein „radikaldemokratischer“ Berliner Polizeioffizier am Ende der Weimarer Republik. In: Inge Marßolek, Till Schelz-Brandenburg (Hrsg.): Soziale Demokratie und sozialistische Theorie. Festschrift für Hans-Josef Steinberg zum 60. Geburtstag. Bremen 1995, S. 256–284.
Carl von Ossietzky: Sämtliche Schriften. Oldenburger Ausgabe. Hrsg. v. Werner Boldt, Dirk Grathoff, Gerhard Kraiker, Elke Suhr, unter Mitwirkung von Rosalinda von Ossietzky-Palm. Hamburg 1994;
Joachim Radkau: Die „Weltbühne“ als falscher Prophet? Prognostische Versuche gegenüber dem Nationalsozialismus. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Weimars Ende. Prognosen und Diagnosen in der deutschen Literatur und politischen Publizistik 1930–1933. Frankfurt/M. 1982, S. 57–79;
Wulf Köpke: Alfred Döblins Überparteilichkeit. Zur Publizistik in den letzten Jahren der Weimarer Republik. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Weimars Ende. Prognosen und Diagnosen in der deutschen Literatur und politischen Publizistik 1930–1933. Frankfurt/M. 1982, S. 318–329.
Vgl. Helga Grebing: Warum so viel „freiwillige Blindheit“? Betrachtungen zur Legitimation von kommunistischer terroristischer Herrschaft durch Intellektuelle. In: Richard Saage (Hrsg.): Das Scheitern diktatorischer Legitimationsmuster und die Zukunftsfähigkeit der Demokratie. Festschrift für Walter Euchner. Berlin 1995, S. 35–46.
Vgl. Walter Huder: „Wer hat die schönsten Schäfchen … Trotz Militärmusik?“ Alfred Kerrs kritisches Temperament gegenüber der Weimarer Republik. In: Thomas Koebner (Hrsg.): Weimars Ende. Prognosen und Diagnosen in der deutschen Literatur und politischen Publizistik 1930–1933. Frankfurt/M. 1982, S. 303–317.
Vgl. Helga Grebing: Jüdische Intellektuelle in der deutschen Arbeiterbewegung zwischen beiden Weltkriegen. In: Archiv für Sozialgeschichte 37 (1997), S. 19–38.
Vgl. z. B. Thomas Mann: Deutschland und die Demokratie. Die Notwendigkeit der Verständigung mit dem Westen. In: Ders.: Essays. Hrsg. v. Hermann Kurzke, Stephan Stachorski. Band 2: Für das neue Deutschland 1919–1925. Frankfurt/M. 1993, S. 243–252 (geschrieben im Februar 1925 als Antwort auf eine Rundfrage der französischen Zeitschrift L ‘Europe Nouvelle).
Als Sekundärliteratur siehe z.B. Jürgen Scharfschwerdt: Thomas Manns Idee der „sozialen Demokratie“ und ihre ästhetischen Grundaspekte. In: Beatrix Bludau, Eckhard Heftrich, Helmut Koopmann (Hrsg.): Thomas Mann 1875–1975. Vorträge in München-Zürich-Lübeck. Frankfurt/M. 1977, S. 222–249;
Walter Jens: Der letzte Bürger. In: Beatrix Bludau, Eckhard Heftrich, Helmut Koopmann (Hrsg.): Thomas Mann 1875–1975. Vorträge in München-Zürich-Lübeck. Frankfurt/M. 1977, S. 628–642;
Hermann Kurzke: Thomas Mann. Epoche — Werk — Wirkung. München 1985; Frank Fechner: Thomas Mann und die Demokratie. Wandel und Kontinuität der demokratierelevanten Äußerungen des Schriftstellers. Berlin 1990.
Thomas Mann: Von deutscher Republik. Gerhart Hauptmann zum sechzigsten Geburtstag. In: Ders.: Essays. Hrsg. v. Hermann Kurzke, Stephan Stachorski. Band 2: Für das neue Deutschland 1919–1925. Frankfurt/M. 1993, S. 126–166, hier S. 139.
Zu den bibliographischen Angaben siehe Fn. 13.
Thomas Mann: Kultur und Sozialismus. In: Ders.: Essays. Hrsg. v. Hermann Kurzke, Stephan Stachorski. Band 3: Ein Appell an die Vernunft 1926–1933. Frankfurt/M. 1994, S. 53–63.
Thomas Mann: Deutsche Ansprache. Ein Appell an die Vernunft. In: Ders.: Essays. Hrsg. v. Hermann Kurzke, Stephan Stachorski. Band 3: Ein Appell an die Vernunft 1926–1933. Frankfurt/M. 1994, S. 259–279.
Thomas Mann: Thomas Mann und der Sozialismus. Ein Bekenntnis vor den Wiener Arbeitern. In: Thomas Mann: Essays. Hrsg. v. Hermann Kurzke, Stephan Stachorski. Band 3: Ein Appell an die Vernunft 1926–1933. Frankfurt/M. 1994, S. 348–352.
Vgl. Frank Heidenreich: Arbeiterkulturbewegung und Sozialdemokratie in Sachsen vor 1933. Weimar, Köln, Wien 1995 [Demokratische Bewegungen in Mitteldeutschland, Bd. 3].
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© 2000 Leske + Budrich, Opladen
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Grebing, H. (2000). Die linken Intellektuellen und die gespaltene Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik. In: von Alemann, U., Cepl-Kaufmann, G., Hecker, H., Witte, B. (eds) Intellektuelle und Sozialdemokratie. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-93209-9_6
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-93209-9_6
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-8100-2921-8
Online ISBN: 978-3-322-93209-9
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