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Provokationen eingespielter Aufklärungsgewohnheiten durch „postmodernes Denken“

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Abschied von der Aufklärung?

Zusammenfassung

Thomas Henry Huxley gehörte unzweifelhaft zu den aufgeklärtesten und flexibelsten Denkern des viktorianischen Englands. Er erfand 1869 den Ausdruck „Agnostiker“. Der Terminus ist neu, die spezifische Art der Urteilsenthaltung im Hinblick auf letztbegründendes Wissen hingegen so alt wie die Bemühungen um beweisfähige Erkenntnis. Daß Huxley das Wort „Agnostiker“ erfinden mußte, geht auf eine Verlegenheit zurück, in die derjenige gerät, der sich mit seiner Kritik an beatehenden Traditionen nicht einreihen will in die bereits etikettierten Abweichungen. Es war und ist schwierig, sich dem Integrationszwang des wissenschaftlichen Diskurses zu entwinden, ohne gleichzeitig als unwissenschaftlich, irrational und schließlich obskur betrachtet und damit ausgeschlossen zu werden aus dem Kreis der Kompetenten. Als Naturwissenschaftler war Huxley von den Fortschritten ausweisbaren Wissens überzeugt, als Erzieher war er dem aufklärerischen Impetus verpflichtet (vgl. Ulke 1980, S. 182ff.). Ausgelöst durch den persönlichen Schicksalsschlag des Todes seines jüngsten Kindes erhält die Frage nach der Unsterblichkeit für ihn ein neues Gewicht. Sein intellektuelles Verantwortungsbe-wußtsein läßt es nicht zu, dieses Problem in der bereitstehenden Alternative von Theismus und Atheismus zu lösen. Bei einem Treffen der „Metaphysical Society“ prägt er den Terminus „Agnostiker“, um auszudrücken, daß er für seine Auffassung weder einen Platz unter den Kritikern kirchlicher Tradition fand noch ein Gnostiker sei. Weil ihm kein Etikett passend erschien, erfand er eines, das sich dann als Term durchsetzte, wenngleich mit sich wandelnder Bedeutung.

„Vielfach gibt das Abgetane, aber theoretisch nicht Absorbierte später seinen Wahrheitsgehalt erst frei. Es wird zur Schwäre der herrschenden Gesundheit; das lenkt in veränderten Situationen abermals darauf.“ (Adorno 1980, S. 147)

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© 1990 Leske + Budrich, Opladen

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Meyer-Drawe, K. (1990). Provokationen eingespielter Aufklärungsgewohnheiten durch „postmodernes Denken“. In: Krüger, HH. (eds) Abschied von der Aufklärung?. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92644-9_5

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