Zusammenfassung
Der politische Mensch ist “a territorial animal”1: Die meisten Staaten, auch erklärte Einheitsstaaten, sind bis zu einem gewissen Grade dezentralisiert; d.h. Föderalismus und Dezentralisierung sind nicht dasselbe. Das eine meint die — zumeist rein praktikabilitätsbedingte — Delegation staatlicher Funktionen von der Zentrale auf territoriale Einheiten (Regionen, Bezirke, Gemeinden), das andere die Zweiteilung der staatlichen Souveränitä: Hier verfügen die territorialen Einheiten über alle wesentlichen Strukturmerkmale des Staates, und zwar sowohl institutionell (Legislative, Exekutive, Judikative) wie funktional (Letztentscheidungsrecht). Die Gliedstaaten eines Bundesstaates sind im Prinzip nicht in den (zentral-)staatlichen Instanzenzug eingebaut, keine bloßen Zwischenglieder, die der zentralstaatlichen Verwaltung die Arbeit erleichtern und größere Bürgernähe ermöglichen; die Wahrnehmung der staatlichen Aufgaben ist vielmehr so zwischen Gesamtstaat und regionalen Teilstaaten aufgeteilt, daß jede staatliche Ebene in einer Reihe von Aufgabenbereichen die endgültige Entscheidung treffen kann (also “autonom” bzw. “souverän” ist) — zugleich aber auch so, daß jede staatliche Ebene direkten Bezug zum Bürger hat, also eigenständig politisch legitimiert ist.2 Aus der teilstaatlichen Souveränität folgt, als weiteres Definitionsmerkmal, notwendigerweise die prinzipielle Gleichheit der Teilstaaten untereinander wie in den Beziehungen zum Bund.3
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Literatur
Ivo Duchacek: Comparative Federalism, New York 1970, S.1
vgl. ebd. S.192; William Riker: “Federalism”, in: Greenstein /Polsby, eds.: Handbook of Political Science, Vol. 5, Reading (Mass.) 1975, S.101
S. dazu Carl J. Friedrich (Trends of Federalism in Theory and Practice, London 1968), der zwar einerseits den Föderalismus zur bloßen “Sonderform” der Dezentralisierung erklärt, andererseits aber, als essentiellen Unterschied, “the instutional and behavioral features of a foedus” markiert: “a compact between equals to act jointly on specific issues of general policy” (S.4, 6).
Als Beispiel dafür, wie in der neueren Diskussion Föderalismus und Dezentralisierung gleichgesetzt werden, s. im übrigen Arthur Benz: Föderalismus als dynamisches System, Opladen 1985 (bes. S.40ff.)
Für Montesquieu (Geist der Gesetze, 1748) wie für die Autoren der “Federalist Papers” (1788) war entsprechend der Föderalismus das einzige Mittel, den Bereich der “Volksregierung” zu erweitern und die Vorteile der Republik (Freiheit) mit denen der Monarchie (Sicherheit) zu vereinen.
Ivo Duchacek, a.a.O., S.192; s. auch Guy Kirsch, Hg.: Föderalismus, Stuttgart/New York 1977, S.3
vgl. Heidrun Abromeit: “Mehrheitsprinzip und Föderalismus”, in: Claus Offe/Bernd Guggenberger, Hg.: An den Grenzen der Mehrheitsdemokratie, Opladen 1984, S.137f.
Territoriale Machtteilung “unburdens central authority and makes it more effective”; Ivo Duchacek, a.a.O., S.12
vgl. Fritz W. Scharpf, in: Fritz W. Scharpf/Bernd Reissert/Fritz Schnabel: Politikverflechtung I, Kronberg 1976, S.18f.
Max Frenkel (Föderalismus und Bundesstaat Bd.I, Bern 1984, S.140ff.) nennt die Funktion Erhöhung der “Lernfähigkeit” via Konkurrenz sogar an erster Stelle.
s. hierzu auch die Aporien der ökonomischen Föderalismus-Theorie, die sich weitgehend in den Widersprüchen zwischen regionaler Homogenität und räumlicher Mobilität verheddert hat.
vgl. Dieter Grimm, a.a.O., S.376
Ivo Duchacek, a.a.O., S.356
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© 1992 Leske + Budrich, Opladen
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Abromeit, H. (1992). Föderalismus und Dezentralisierung, oder: “Echter” und “unechter” Föderalismus. In: Der verkappte Einheitsstaat. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92634-0_2
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