Zusammenfassung
Nachdem 1990 mit der Annahme einer neuen Verfassung und eines Parteiengesetzes ein Mehrparteiensystem eingeführt worden war, fanden am 20.1. Parlamentswahlen statt, bei denen die aus Dissidenten der MLSTP hervorgegangene PCD-GR 54% der Stimmen und damit 33 der 55 Parlamentssitze errang. Die bisherige Einheitspartei MLSTP-PSD (Movimento de Libertação de São Tomé e Príncipe — Partido Social-Democrata) erhielt 31% (21 Sitze), die von ehemaligen Exilgruppen in Portugal gebildete rechtsgerichtete CODO (Coligação Democrática de Oposição) 5% (1 Sitz) und die im Dezember 1990 aus der Frente de Resistência Nacional de São Tomé e Príncipe-Renovada (FRNSTP-R) hervorgegangene FDC (Frente Democrata Cristã) 1,5% (keinen Sitz) der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag bei 80%. (Näheres zu den Parteien s. Afrika-Jahrbuch 1990.) Am 24.1. trat die Regierung von Premierminister Celestino Rocha da Costa zurück. Der Generalsekretär der PCD-GR, Daniel Lima dos Santos Daio, wurde mit der Bildung einer Übergangsregierung bis zu den Präsidentschaftswahlen im März beauftragt. Zum Parlamentspräsidenten nominierte die PCD-GR ihren Parteivorsitzenden Leonel Mário d’Alva. Der am 8.2. gebildeten Regierung gehörten u.a. der bekannte Autor Albertino Bragança als Minister für Verteidigung und innere Sicherheit an sowie der bisherige Landwirtschaftsminister Oscar Aguiar do Sacramento e Souza, der bis Ende 1990 Mitglied des ZK der MLSTP gewesen war und seit 1980 verschiedene Ministerposten innegehabt hatte, als Minister für soziale Infrastruktur und Entwicklung. Das Landwirtschaftsministerium wurde aufgelöst. Staatspräsident Manuel Pinto da Costa bestätigte Anfang Februar, daß er bei den Präsidentschaftswahlen am 3.3. nicht mehr kandidieren wolle. Zwei Bewerber, der linksgerichtete unabhängige Kandidat João Guadelupe de Ceita und der Vorsitzende der FDC, Afonso dos Santos, zogen ihre Kandidatur drei Tage vor der Wahl zurück, so daß sich nur noch Miguel Trovoada, der als unabhängiger Kandidat antrat, jedoch von der PCD-GR unterstützt wurde, um das Präsidentenamt bewarb. Bei einer Wahlbeteiligung von rd. 65% erhielt er 81% der abgegebenen Stimmen. Trovoada erklärte nach seiner Wahl, daß er über den Parteien stehen werde und sprach sich für eine strikte Unabhängigkeit der Justiz sowie für eine Entpolitisierung der Armee aus. Auf wirtschaftspolitischem Gebiet wollte er den Strukturanpassungsprozeß fortsetzen, hoffte auf ausländische Investitionen und trat für die Verteilung des Landes an Kleinbauern ein. Nach der feierlichen Amtseinführung Trovoadas am 3.4. im Beisein seines Vorgängers Pinto da Costa sowie der Präsidenten von Portugal, Guinea-Bissau, Kap Verde und Mosambik wurde die Regierung, die am 18.4. zurückgetreten war, am 22.4. in der bisherigen Zusammensetzung bestätigt. In dem am 12.5. vorgelegten Regierungsprogramm lag das Schwergewicht auf wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die den Bedingungen des mit IWF und Weltbank vereinbarten Strukturanpassungsprogrammes Rechnung trugen. Auf sozialem Gebiet sah die Regierung Hilfen für die schwächsten gesellschaftlichen Gruppen vor. Im Bereich der Justiz wurde die Auflösung der Geheimpolizei angekündigt und die Umwandlung der Armee in eine Gendarmerie in Erwägung gezogen.
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© 1992 Leske + Budrich, Opladen
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Weiss, M. (1992). São Tomé und Príncipe. In: Hofmeier, R., Diederichsen, T. (eds) Afrika Jahrbuch 1991. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92531-2_32
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