Zusammenfassung
Ethnizität und Geschlecht bestimmen und beschreiben als soziale Konstruktionen und Strukturkategorien jeweils ein soziales Verhältnis, und zwar das Verhältnis zwischen ethnisch-kulturellen Gruppen, zwischen Mehrheit und Minderheiten einer Gesellschaft und das Verhältnis zwischen Frauen und Männern. Sie sind jedoch nicht die einzigen Konstruktionen und Strukturkategorien, die auf soziale Relationen verweisen. In neueren klassen- und ungleichheitstheoretischen Ansätzen wird auch Klasse als soziales Verhältnis diskutiert und zwar — dies ist das Neue — nicht mehr nur konzentriert „auf das dichotome, ‘abstrakte Kapital-Arbeit-Verhältnis’, sondern auch auf konkreter Ebene und in ausdifferenzierter Form als soziale Klasse und Klassenfraktionen (…). Klassen als gesellschaftliches Verhältnis zu begreifen bedeutet, daß sie nur in Relation zueinander existieren, nicht als Masse oder Substanz, folglich auch nicht als ‘Akteur’, sondern als ‘Struktur sozialer Beziehungen’ (…), als relationales Gebilde im Gesamtgefüge der Klassengesellschaft“ (Frerichs 1997:31, vgl. auch Vester 1995). Die subjektive, kulturelle Seite von Klasse und Klassenfraktionen gewinnt damit in der deutschen Sozialstrukturund Ungleichheitsforschung an Bedeutung (vgl. u.a. Müller 1993; Müller/ Wegener 1995; Kreckel 1992; Vester/ von Oertzen/ Geiling/ Hermann/ Müller 1993; Konietzka 1995). Die soziale Klasse beschreibt hiernach nicht allein, welchen Zugang die Angehörigen einer Klasse zum ökonomischen Kapital einer Gesellschaft — wie Einkommen und Eigentum — haben, sondern in Anlehnung an Bourdieu (1983, 1991) gleichzeitig, inwieweit sie über soziales Kapital (soziale Beziehungen, Kontakte und Verpflichtungen), kulturelles Kapital (Kulturgüter, Bildungstitel, Bildung) und auch politisches Kapital (politische Partizipationschancen) verfugen können. Wichtig dabei ist, wie Individuen zudem mit diesen Kapitalressourcen umgehen und in der Lage sind, mit diesen ihr Leben zu gestalten und Lebensstile zu entfalten (vgl. zur sozialen Verteilung von Stilisierungschancen Müller 1993:374f.). Danach lassen sich Klassen und Klassenfraktionen identifizieren.
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Referenzen
Vgl. zum Begriff der Lebenslagen Abschnitt 1.2 dieses Kapitels.
Generalisiertes Kapital wird auch außerhalb von Gruppen und bestimmten Gesellschaften nachgefragt. Es hat also auch über diese hinaus seinen Wert. Die wichtigsten Formen sind nach Esser neben den genannten beispielsweise allgemeine (Bürger-)Rechte oder allgemein anerkannte Prestigemerkmale, Titel oder Ehrenzeichen wie etwa ein Nobelpreis (vgl. 1997:877).
Der Transformationsprozeß in Ostdeutschland ist hierfür ein recht gutes Beispiel. Waren vor 1989/90 Ehrentitel wie „Aktivist der sozialistischen Arbeit“ hoch angesehen, so diskreditieren sie nach der deutschen Vereinigung zum Teil ihre Träger.
Vgl. zur konkreten Zusammensetzung des Samples den nachfolgenden Abschnitt 2 dieses Kapitels.
Ergänzend hierzu wurden Parteipräferenzen und die Selbsteinordnung auf einem Rechts-Links-Kontinuum aufgenommen.
Vgl. ausführlich zum Lebenslagenkonzept von Weisser/ Nahnsen bei Andretta 1991 und einen Kurzüberblick bei Birsl 1994.
Dieses eher deskriptive Verständnis von Lebenslage dürfte auch der Kontroverse in der Sozialstrukturforschung zugrunde liegen, die seit Beginn der achtziger Jahre geführt wird. Dabei geht es um „neue“, horizontale soziale Ungleichheiten versus „alte“, vertikale soziale Strukturierung in der modernen Gesellschaft. Seitdem sind „Lebenslagen“ Bestandteil der drei „L’s“: „Lebenslagen, Lebensläufe, Lebensstile“ (Berger/ Hradil 1990). Die Modernisierungstheoretiker werfen anderen Ungleichheitsforschem vor, die Entwicklung der modernen bis postmodemen Gesellschaft Ende des zwanzigsten Jahrhunderts „Jenseits von Klasse und Stand“ (Beck 1983) nicht erfassen zu können bzw. nicht zur Kenntnis zu nehmen, daß sich nunmehr „Lebensstile“, „Lebenswelten“ oder „Lebensweisen“ relativ unabhängig von objektiven Lebensbedingungen/Lebenslagen entfalten könnten, also die Verfügbarkeit über das ökonomische Kapital hierfür nicht mehr ausschlaggebend sei. Statt dessen hätten wir es heute mit einer Entstrukturierung, EntSpezifizierung, Individualisierung und Pluralisierung von Lebensstilen und Lebenslagen zu tun. Vgl. zu dieser Kontroverse stellvertretend die Beiträge bei Hradil (1992), Berger/ Sopp (1995) und die Gegenpositionen bei Müller (1992, 1993), Frerichs (1997:25ff.) sowie die etwas polemische Schrift von Geißler (1996).
Hier ließe sich auch fragen, ob noch andere Formen kollektiven Agierens eine Rolle spielen. Zu denken ist beispielsweise an ein Engagement von türkischen Beschäftigten in eigenen betrieblichen Organisationen oder von Berufsgruppen, zum Beispiel von weiblichen Angestellten, bei Problemen am Arbeitsplatz selbstorganisiert mit Vorgesetzten zu verhandeln.
Anhand von repräsentativen Daten läßt sich zeigen, daß in den Alterskohorten ein distanziertes Verhältnis zum politischen System und seinen Institutionen auszumachen ist, bei denen es in den achtziger Jahren erstmals diagnostiziert wurde. Diese befanden sich damals noch in der Jugendphase und zählen nunmehr zu den mittleren Jahrgängen. Das heißt, die Diagnosen der achtziger Jahre beschrieben kein Jugendphänomen, sondern u.U. den Beginn eines Wandlungsprozesses (vgl. hierzu Birsl/ Falter 1995).
Eine weiterer Grund für die Neuwahlen dürfte auch die positive Stimmung in den Werken — vor allem in dem von uns untersuchten Hauptwerk — für die IG Metall-Betriebsräte gewesen sein.
Die Likert-Skala wird vor allem deshalb in den Sozialwissenschaften stark favorisiert, da ihr von vornherein unterstellt wird, daß sie Ordinalskalenniveau mit annähernd metrischen und normalverteilten Daten erreicht. Dies sind die Voraussetzungen, multivariate Auswertungsverfahren wie Faktoren-und Clusteranalysen anzuwenden (vgl. Friedrichs 1980:184).
Die Befragten hatten die Möglichkeit, entweder den Fragebogen in einem Umschlag ihrer gewerkschaftlichen Vertrauensfrau/ihrem gewerkschaftlichen Vertrauensmann zu geben oder anonym an das Gesamtbetriebsratsbüro per Hauspost zu schicken.
Dieses Titelbild ist mittlerweile sogar zum Gegenstand wissenschaftlicher Kommentare geworden (vgl. Jäger 1998).
Anders stellt sich die „soziale Rolle“ der Gesprächsleitung in der Studie von Morgenroth mit Arbeitslosen dar, hier „… wird die Leitung (…) ausdrücklich als Bestandteil der Verständigung in der Gruppe verstanden und als solche offiziell definiert“ (1990:256).
Eine univariate Varianzanalyse zeigt, daß die Geschlechterunterschiede, also die leicht voneinander abweichenden Mittelwerte von Frauen und Männern, bei keiner der fünf Skalen signifikant sind.
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© 1999 Leske + Budrich, Opladen
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Birsl, U., Ottens, S., Sturhan, K. (1999). Die Fallstudie — Zur Anlage und Durchführung der empirischen Untersuchung. In: Männlich — Weiblich Türkisch — Deutsch. Europa- und Nordamerika-Studien, vol 7. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-92307-3_3
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-92307-3_3
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-8100-2383-4
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