Zusammenfassung
Die Zeiten, in denen namhafte Autoren wie insbesondere H. Peters unter dem Titel der “Persönlichkeitskerntheorie” den Versuch unternahmen, Art. 2 I GG jegliche Bedeutung für das ökonomische Leben abzusprechen und den Regelungsbereich dieser Vorschriften auf die Entfaltung der “geistig-sittlichen Persönlichkeit” zu reduzieren1, gehören längst der staatsrechtlichen Historie an.
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Anmerkungen
H. Peters, Die freie Entfaltung der Persönlichkeit als Verfassungsziel. Festschrift Laun, 1953, S. 669 ff
A. Schüle, Die staatliche Intervention im Bereich der Wirtschaft, VVDStRL 11, 83, 1953
Jellinek, ebenda S. 124
w. Hamel. Die Bedeutung der Grundrechte im sozialen Rechtsstaat, 1957, S. 30 ff.
So die gleichnamige Kapitalüberschrift in Dürigs Kommentierung zu Art. 2 I GG in Maunz / Durig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 2 Rdnr. 43–65
Für viele; Dürig a.a.O., Rdnr. 44; “Art. 2 I (ist) kein Grundrecht, auf dem sich wirtschafts1ibera1istische Gedankengebäude errichten lassen”.
E.R. Huber, Der Streit um das Wirtschaftsverfassungs-recht, Döv 1956, S. 101
Dürig. a.a.O.. Art. 2 — ins-bes. Rdnr. 44 u. 46
C. Schmitt. Verfassungslehre. 1928 (unveränderter Nachdruck 1970), S. 126. 164
P. Pernthaler, Qualfizierte Mitbestimmung und Verfassungsrecht. 1972, S. 157
Dürig, Rdnr. 46
Dürig, a.a.O., Rdnr. 53, 43. wo Art. 2 I GG als “Auf-fanggrundrecht auf wirtschaftlichem Gebiet” vorgestellt wird.
E.R. Huber, DÖV 1956. 135
Pernthaler, a.a.O. (Anm. 5), S. 160
Huber ebenda S. 135
Pernthaler, S. 153
Für viele: Huber, a.a.O., S. 136, der die Wettbewerbs-freiheit als “unmittelbare Konsequenz aus der Gewährleistung der Entfaltungsfreiheit” und die Vertragsfreiheit als “Ausstrahlung des Prinzips der persönlichen Autonomie” (S. 138) faßt.
Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem negatorischen Freiheitsbegriff, seinen gesellschaftlichen Vorausset-zungen und verfassungstheoretischen Implikationen sei neben der grundlegenden Schrift von P. Häberle. Die Wesensgehaitsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, 1972, 2. Aufl., S. 126 ff.
insbes. verwiesen auf E. Grabitz, Freiheit und Verfassungsrecht, 1976
H.H. Rupp, Das Grundrecht der Berufsfreiheit in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. AöR 92 (1967), S. 212 (225 ff.)
sowie J. Gotthold. Wirtschaftliche Entwicklung und Verfassungsrecht, 1975.
L.v. Stein, Die vollziehende Gewalt: Die Regierung und das verfassungsmäßige Regierungsgericht, 18692, S. 29
H. Krüger, Allgemeine Staatslehre, 19662, S. 536
E.v. Hippel, Allgemeine Staatslehre, 19672, S. 121
U.K. Preuß, Die Interna1isierung des Subjekts, 1979, S. 123
Krüger a.a.O. (Anm. 14), S. 537
K. Marx/F. Engels, Manifest der kommunistischen Partei, MEW Bd. 4, S. 482
Dürig, a.a.O. (Anm. 2), Rdnr. 4
W. Abendroth. Diskussionsbeitrag: VVDStRL 11. 141. 1980
H. Ehoke, Wirtschaft und Verfassung. S. 33. 1980
E. Stein. Staatsrecht. 1980. 7. Aufl., S. 187 f.
W. Däubler. Das Grundrecht auf Mitbestimmung. 1976. 4. Aufl.. S. 166
Abendroth. a.a.O.
E.-W. Böckenförde. Die sozialen Grundrechte im Verfassungsgefüge. in: E.-W. Böckenförde / J. Jekewitz/T. Ramm (Hrsg.). Soziale Grundrechte. 1981. S. 8 f.
ebenda
ebenda
Böckenförde, ebenda, S. 12
P. Badura, Das Prinzip der sozialen Grundrechte und seine Verwirklichung im Recht der Bundesrepublik Deutschland, Der Staat 1/1975. S. 17 ff. (25 ff.)
T. Ramm. a.a.O. (Anm. 21). S. 30
Häberle. Grundrechte im Leistungsstaat. VVDRStRL 30 (1972). S. 112 ff.
w. Martens, ebenda, s. 31 mit prinzipiellen Vorbehalten gegenüber der Einbeziehung der faktischen Voraussetzungen in die grundrechtlichen Schutzbereiche (insbes. S. 29 ff.).
Häberle. ebenda. S. 135
H. H. Rupp. Die verfassungsrechtliche Seite des Umweltschutzes, JZ 1971, 401 ff.
W. Martens. a.a.O. (Anm. 24). S. 21
ähnlich die Einschätzung von M. Kloepfer. Gleichheit als Verfassungsfrage, 1980. S. 39. der die Deduktion grundrechtlicher Leistungsrechte zutreffend “weniger (als) Ursache als vielmehr (als) Antwort auf staatliche — oft sozial — staatlich motivierte — Leistungsgewähr” einschätzt.
Podlech. GG-AK. Art. 2. Rz. 55
T. Ramm, a.a.O. (Anm. 24). S. 24
T. Ramm, Einführung in das Privatrecht. Bd. I. G 125
E. Stein, GG-AK. Art. 3. Rz. 73
W. Abendroth. Begriff und Wesen des sozialen Rechtsstaats, in: ders. Arbeiterklasse. Staat. Verfassung. 1975. S. 65 ff. (67)
W. Abendroth. Zum Begriff des demokratischen und sozialen Rechtsstaats im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, in: ders. Antagonistische Gesellschaft und politische Demokratie. 1972, 2. Aufl.. S. 109 ff. (119)
J. Perels. Der Gleichheitssatz zwischen Hierachie und Demokratie, in: ders. (Hrsg.). Grundrechte als Fundament der Demokratie. 1979. s. 69 ff. (79 ff.).
H. Heller. Rechtsstaat oder Diktatur. in: Gesammelte Schriften. Bd. 2. 1971. S. 491, wo Heller die “Ausdehnung des materiellen Rechtsstaatsgedankens auf die Arbeits- und Güterordnung” propagiert.
Perels. a.a.O. (Anm. 32). S. 82 unter zustimmender Referierung der Position von Abendroth
Vgl. beispielsweise C. Starck. Die Anwendung des Gleichheitssatzes, in: C. Link (Hrsg.), Der Gleichheitssatz im modernen Verfassungsstaat. 1982. S. 51 ff. (55 ff.)
Starck. ebenda. S. 56
Dürig, GG. Art. 3. Rdnr. 22
Anklänge dieser Argumentation finden sich bei Starck, a.a.O. (Ann. 35), S. 56.
Vgl. die Kommentierung zu Art. 3, Abs. I, Rdnr. 91–113, wo sich Dürig äußerst polemisch mit einigen von ihm als “gleichmacherisch” eingeschätzten Phänomenen insbesondere auf der Ebene der Reform des Bildungswesens während der Regierungsepoche der sozial-liberalen Koalition auseinandersetzt.
Zu Recht kritisch gegenüber diesem auch in der parteipolitischen Auseinandersetzung häufig verwandten konservativen Argumentationsmuster: B. Blanke, Gesellschaftliche Ungleichheit und politische Gleichheit als Legitimatiosproblem, in: Vorgänge Nr. 20 (1976), S. 112 u. F. Neumann, Gleichheit, 1980, S. 11.
D. Suhr, Entfaltung der Menschen durch die Menschen, 1976, S. 108
Zur Explikation dieses Standpunktes vgl. Suhr, S. 15 ff.
ebenda, S. 93
NJW 1978, 2366
Titel des Aufsatzes in NJW 1978, S. 2361 ff.
W. Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung 1976, 4. Auf 1.
ebenda, S. 155
ebenda, S. 151
ebenda, S. 159, 161
in: ders. Legalität und Pluralismus, 1973, S. 7–63
ebenda, S. 32 1.
Anl. a. H. Grotius, 3 Bücher über das Recht des Krieges und Friedens, 1925, Buch I, Kap. I, Abschn. V, S. 70 (zitiert nach der Übersetzung von Kirchmann, 1869).
Zu den Implikationen dieses Begriffs vgl. C.B. MacPherson, Die politische Theorie des Besitz-Individualismus, 1973
Preuss, a.a.O., S. 92
Fassung des Allgemeinen Redaktionsausschusses zit. n. JÖR n. F. 1 (1951), S. 55 ff (56); vgl. auch schon die Formulierung des Herrenchiemsee-Entwurfs und des Grundsatzausschusses (a.a.O., S. 54 u. 55)
So die Begründung der abgeänderten Formulierung durch e.v. Mangoldt (Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Ausschusses, Bonn 1948/1949, 42. Sitzung, S. 533
Suhr, a.a.O. (Anm. 41), S. 146;
an anderer Stelle, Bewußtseinsverfassung und Gesellschaftsverfassung, 1975, S. 358 bezeichnet Suhr treffend den durch die Gewährleistung subjektiv-öffentlicher Rechte gestifteten “Grundrechtsschutz mit Drittwirkung... geradezu (als) Pfiff der Sache”.
I. Kant, Metaphysik der Sitten. Kant-Werke, Bd. 7 S. 345
Die einschlägigen “Ausnahmen” insbes, der elterlichen Gewalt und der Vormundschaft stehen insofern mit diesem Grundsatz in Einklang, als die staatlich verfügte unmittelbare Unterordnung unter den Willen anderer Gesellschaftsmitglieder sich ausder Notwendigkeit der Herausbildung der Voraussetzungen des selbstbestimmten Staatsbürgers ableitet oder auf (nicht behebbaren) Defiziten der Willensfähigkeit gründet, die eine Stellvertretung im Willen erfordern. Was das sachliche Herrschaftsverhältnis der Lohnarbeit angeht, so ist dieses aufgrund seiner Legitimation durch den Willen des Weisungsunterworfenen nicht nur kompatibel mit dem Prinzip der individuellen Selbstbestimmung sondern — das ist die Quintessenz der folgenden Ausführungen zu Art. 2 I GG — bildet die Existenz des Lohnarbeitsverhältnisses den sozialökonomischen Gewährleistungsinhalt grundrechtlicher Freiheit.
B. Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 9. Aufl. Bd. 1, 1906, S. 196 zur Bestimmung des subjektiven Rechts.
Die die Herrschaft des Rechts als Ausdruck des allgemeinen Willens kennzeichnende Qualität, den immanenten Maßstab der Betätigung des individuellen Willen zu bilden, suchen die Vertreter des negatorischen Freiheitsideals zu bestreiten durch die Fiktion einer der Rechtsordnung vorgelagerten, von dieser lediglich in ihre äußerliche Schranken gefaßten “natürlichen” Freiheit. Die nachhaltig dementierte Existenz einer derartigen außerhalb des Rechts angesiedelten Freiheitsvorstellung stellt der repräsentative Vertreter der abwehrtheoretischen Meinungsrichtung (H. Klein, Die Grundrechte im demokratischen Staat, 1972, S. 63, Ann. 59) unfreiwillig unter Beweis durch sein Beispiel des Dieses, dessen Möglichkeiten des Freiheitsgebrauchs der Autor durch die Vorschrift des § 242 StGB eingeengt sieht.
Vom Geist der Gesetze, 1748, Buch IX Kap. 3
Aus der allgemeinen Bestimmung, daß die Freiheit als staatlich konzessioniertes Willensverhältnis unter der Bedingung der bedingungslosen Unterwerfung unter die (gesetzgebende) Gewalt des Staates, unter dem Gebot der Übereinstimmung mit dem Interesse des politischen Gemeinwesens steht, leitet sich die Vereinbarkeit der sogen. besonderen Gewalt- oder Sonderstatusverhältnisse mit dem Prinzip der Freiheit ab, die das allgemeine Gewaltverhältnis ergänzen. So finden z.B. die Schulpflicht und das Strafgefangenen-Verhältnis ihre freiheitliche Begründung in dem Erfordernis der (korrektiven) Herstellung des auf die Einhaltung der Rechtsordnung gerichteten staatsbürgerlichen Willens bzw. in der Zwecksetzung, gegenüber dem Rechtsbrecher die unverbrüchliche Geltung des Staatswillens zu demonstrieren. In Gestalt der Wehrpflicht schließlich fordert der Staat, dessen Bestand die absolute Bedingung der willentlichen Betätigung der Bürger bildet, von den männlichen Mitgliedern seiner Gesellschaft als legitimen Preis der Freiheit ein, ihre Existenz bedingungslos in den Dienst der Selbsterhaltung des politischen Gemeinwesens zu stellen.
Dieser Gedanke soll am Beispiel des Grundrechtes der Meinungsäußerung verdeutlicht werden. Dort macht der Staat in Gestalt der Grundrechtsschranke des “Rechtes der persönlichen Ehre” von seinem in der Gewährleistung der (Meinungs-)Freiheit als Recht liegenden abstrakten Regelungsbefugnis dergestalt konkretisierend Gebrauch, daß er an die Totalität der Meinungsäußerungen die Anforderung stellt, nicht ehrverletzenden Charakters zu sein. Diesen Zusammenhang negiert die abwehrtheoretische Freiheitsdoktrin, wenn sie die grundrechtliche Freiheit als Differenz der Summe aller denkbaren Handlungsmöglichkeiten und der durch die Grundrechtsschranken ausgeschlossenen Betätigungsformen des Willens faßt, um an ihrer Auffassung der Freiheit als rechtlich nicht definiertem Reservat individueller Beliebigkeit festhalten zu können: “Innerhalb ihrer rechtmäßigen Schranken ist die grundrechtlich geschützte Freiheit Freiheit des subjektiven Beliebens, also von Rechts wegen nicht definierte Freiheit”. (Klein, a.a.O., S. 61; ähnlich Schnur, in seiner Rezension von Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie, DVBl. 1963, 489 (490).
E. Paschukanls, Allgemeine Rechtslehre und Marxismus, 19703, S. 33
Preuss, a.a.O. (Anm. 30), S. 40
Eine Spur deutlicher noch hatte der Entwurfstext des Herrenchiemseer Verfassungskonvents zu Art. 2 Abs. 2 GG, der wie die spätere Fassung des Art. 2 I GG der Erklärung der Menschenrechte von 1789 nachgebildet ist, die staatliche Reflexion auf die Konkurrenz als Form der mit der Freiheit gewährleisteten gesellschaftlichen Verhältnisse erkennen lassen: “Jedermann hat die Freiheit, innerhalb der Schranken der Rechtsordnung und der guten Sitten, alles zu tun, was anderen nicht schadet”.
B. Blanke, a.a.O. (Anm. 40), S. 112
Hegel, Rechtsphilosophie § 9
Hegel ebda § 49
Für den Nachvollzug der hier vorgestellten Argumentationsführung erweist es sich möglicherweise als hilfreich, auf gewisse Parallelen zu MacPhersons “Theorie des Besitzindividualismus”, 1973, aufmerksam zu machen. Der Schluß von der Existenz der in der Freiheitsgewährleistung unterstellten gesellschaftlichen Interessengegensätze auf die Art. 2 I GG zugrunde liegende sozio-ökonomische Verfassung der Gesellschaft weist erhebliche inhaltliche Berührungspunkte auf zum Vorgehen von Mac Pherson, der auf der Suche nach den sozialen Prämissen der Hobbes’schen Deduktion der Notwendigkeit einer souveränen Herrschaft allein die auf dem Antagonimus von Eigentum und Arbeit beruhende sogenannte Eigentums marktgesellschaft als zureichende gesellschaftliche Grundlage der HOBBES’schen Staatskonstruktion ermittelt.
K. Marx, Aus den Exzerptheften: Die entfrendete und die unentfremdete Gesellschaft, Geld, Kredit und Menschlichkeit, in: Marx/Engels, Studienausgabe II, 1966, S. 298.
B. d. Spinoza zit. n. K. Polak, Zur Dialektik in der Staatslehre 19633, S. 207
zit. n. Preuss a.a.O. (Anm. 50) S. 40.
Vgl. K. Marx, Das Kapital, Bd. 1, MEW 23, S. 743
Suhr, a.a.O. (Anm. 41), S. 93
Derartige Anklänge finden sich in der verfassungsrechtlichen Literatur, insbes. bei E. stein, a.a.O. (Anm. 19), S. 188, der dem Gesamtsystem der Grundrechte “das Fernziel” einer von gesellschaftlicher Herrschaft emanzipierten “gleichen realen Freiheit aller” entnimmt.
Eine zutreffende Kritik dieser insbesondere in der herkömmlichen Privatrechtsliteratur unter dem Stichwort der Privatautonomie aufzufindenden Argumentation formuliert U. Mückenberger, Legitimation durch Realitätsverleugung, KJ 1971, S. 248 ff.
Däubler, a.a.O. (Anm. 46), S. 199
Vgl. beispielsweise J. Locke, Second Treatise of Goverment, § 89, wonach ein freier Mann auf der Grundlage des Eigentums an seiner Person einem anderen “für eine gewisse Zeit, Dienste, die er zu leisten unternimmt, gegen Lohn, den er empfängt”, verkaufen kann. Ebenso T. Hobbes, Leviathan XXIV: “A man’s Labour also is a Commodity exchangeable for benefit as well as any other thing.”
BVerfGE 5, 85 (206)
R. Knieper, Eigentum und Vertrag KJ 1977, S. 166
Dieses Theorem steht in der Tradition des von C. Schmitt formulierten “Verteilungsprinzips der bürgerlichen-rechtsstaatlichen Verfassung”, gemäß dem “die Freiheit des einzelnen prinzipiell unbegrenzt, die Befugnis des Staates zu Eingriffen in diese Sphäre prinzipiell begrenzt ist.” (Verfassungslehre 1928 unveränderter Nachdruck 1970, S. 126, 164). Unter entgegengesetzten politischen Vorzeichen taucht der Schmitt’sche Gedanke der Kompetenzverteilungsformel im juristen-sozialistischen Gewände bei N. Reich, Markt und Recht, 1977, S. 99 auf, der in der Absicht, den Staat als Mittel der Arbeitnehmer einzusetzen, eine “Asymmetrie in der ’doppelten Instrumentalität’ des Rechts” dergestalt beklagt, daß “die eine, unternehmerische Seite Vorrang vor der anderen, staatlichpolitisch bestimmten Instrumentalität des Rechts” genieße. Bei aller Gegensätzlichkeit der Positionen eint C. Schmitt und N. Reich die Gemeinsamkeit der Konstruktion eines Staat und Bürgern übergeordneten Subjekts der Kompetenzverteilung.
Eine derartige Gewährleistung des Existenzminimums enthielt bereits die französische Verfassung von 1793: “Die Gesellschaft (übernimmt) den Unterhalt der ins Unglück geratenen Bürger, sei es nun, daß sie ihnen Arbeit gibt oder denjenigen, welche arbeitslos sind, die Mittel ihres Unterhaltes zusichert”.
Vgl. stellvertretend für viele: Dürig, Art. 1 Rdnr. 43–44; Zippelius, BK, Art. 1, Rdnr. 17; Podlech, GG-AK, Art. 2, Rz. 99; in der Rechtsprechung grundlegend BVerwGE 1, 159
Dürig, Art. 1 Rdnr. 44
Dürig, Art. 3 Rdnr. 70
Vgl. K.-B. v. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, in JÖR, N.F. Bd. 1, 1951, S. 61 f.
Dürig, Art. 3 Rdnr. 142
Terminus von M. Kloepfer, Grundrechte als Entstehenssicherung und Bestandsschutz, 1970
H.H. Rupp, Vom Wandel der Grundrechte, AÖR 101 (1976), 161 (190, 172 ff.)
Böckenförde, a.a.O. (Ann. 21), S. 8 f.
Ramm a.a.O. (Anm. 24), S. 26
Vgl. E. Stein, GG-AK, Art. 3, Rz 73: “Aus Art. 14 ergibt sich klar, daß der Gleichheitssatz nicht im Sinne einer Verpflichtung des Staates zur gleichmäßigen Verteilung aller Güter verstanden werden darf”.
I. Kant, a.a.O. (Anm. 57), S. 337
BVerfGE 6, 32 (38); in der Literatur stellvertretend für viele: v. Münch, GG-Komm. Bd. 1, 1981, 2. Aufl., Art. 2, Rdnr. 30 m.w.N.
Diesen Zusammenhang thematisiert auch M. Kriele, Freiheit und Gleichheit, in: E. Benda / W. Maihofer / H. Vogel (Hrsg.), Handbuch des Verfassungsrechts, 1983, S. 140, wenn er die Befugnis des Staates, im Interesse der “Erhaltung des Staatsganzen” Freiheitsbeschränkungen zu verfügen, ihre “mittelbare Rechtfertigung” im Zweck des demokratischen Staates, die individuelle Freiheit zu gewährleisten, finden läßt”.
Dürig, Art. 3, Rdnr. 1; gleichlautend: K. Hesse, Der Grundsatz der Gleichheit vor dem Gesetz im Deutschen Staatsrecht, Diss. jur. 1950, S. 82
Gubelt, in: v. Münch, GGK Bd. 1, 19853, Art. 3, Rdnr. 12
Kloepfer, a.a.O. (Anm. 27) S. 16
Die antagonistische Verfassung der (grundgesetzlichen) Gesellschaft wird von K. HESSE, Der Gleichheitssatz im Staatsrecht, in: AÖR 77 (1951/52), S. 197 als soziale Anthropologie unterstellt: “Das Lebensgesetz der sozialen Wirklichkeit ist kein Gesetz der Gleichordnung, es ist das Gesetz der Herrschaft, die notwendig eine über- und Unterordnung, also die Ungleichheit in sich schließt. Die rechtliche Gleichheit kann dieses Gesetz abschwächen, aber vermag es nicht nur aufzuheben”.
Stellvertretend für viele gleichlautende Stellungnahmen steht G. Leibholz, Strukturwandel der modernen Demokratie, 1964, 2. Aufl., S. 88 f.: “Liberale Freiheit und demokratische Gleichheit stehen zutiefst zueinander im Verhältnis einer un aufhebbaren Spannung. Freiheit erzeugt zwangsläufig Ungleichheit und Gleichheit notwendig Unfreiheit. Je freier die Menschen sind, um so ungleicher werden sie. Je mehr die Menschen dagegen im radikalen-demokratischen Sinne egalisiert werden, um so unfreier gestaltet sich ihr Leben”.
Kriele. a.a.O. (Ann, 94). S. 134
G. Dux. Rechtssoziologie. 1978. S. 162 ff.
K. Marx. Deutsche Ideologie. MEW 3. S. 62
Grundlegend G. Leibholz. Die Gleichheit vor dem Gesetz. (1929). 1999. 2. Aufl.
auf derselben Linie Kloepfer. a.a.O. (Ana. 27)
Starck, a.a.O. (Anm. 34): Gubelt. in: v. Munch. GG. Art. 3. Rdnr. 10–12 m.w.M. auch aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.
Die Grundposition der herrschenden Lehre und Rspr. wird prägnant zusammengefaßt von K. Hesse. Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland. 1980. 12. Aufl. § 12 II 3. wonach der allgemeine Gleichheitssatz “den staatlichen Gewalten. namentlich dem Gesetzgeber, die Aufgabe (stellt), einer Gleichsetzung oder Differenzierung jeweils gerechte Kriterien zugrunde zu legen, um so im Sinne des klassischen Gerechtigkeitsprinzips jedem das Seine zukommen zu lassen”.
Zur Analyse des aristotelischen Gleichheitsbegriffs vgl. A. Podlech. Gehalt und Funktionen des allgemeinen verfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes. 1971. S. 93 ff.
Zur Kritik des Juristensozialismus vgl. die gleichnamige Schrift von F. Engels/K. Kautsky. MEW 21. S. 491 ff.
Perels. a.a.O. (Anm. 32). S. 72; gleichlautende Einschätzungen finden sich auf S. 74, 84 des zitierten Aufsatzes.
F. Hase. Besprechung von w. Däubler. Das Grundrecht auf Mitbestimmung. KJ 1975. S. 67
F. Hase. ebenda, S. 68
im Resultat übereinstimmend mit Kloepfer, a.a.O.. (Anm. 27). S. 15. wonach eine “Rechtsnorm mit dem Inhalt ‘Alles ist gleich und alle müssen gleich behandelt werden’ gleichbedeutend mit der Abschaffung der Rechtsordnung wäre.” Im Unterschied zu Hase freilich läßt Kloepfer den sozialökonomischen Gegensatz, welcher die Grundlage der Rechtsgleichheit bildet, in der abstrakten Kategorie der Ungleichheit sans phrase aufgehen.
Zu einer derartigen, sich im sozialökonomischen Bezugsrahmen der abstrakten Freiheit bewegenden, freilich von idealistischen Momenten nicht ganz freien Deutung von Art. 3 I GG vgl. H. Scholler. Die Interpretation des Gleichheitssatzes als Willkürverbot oder als Gebot der Chancengleichheit, 1969.
Zu den Möglichkeiten der Realisierung von “Chancengleichheit durch kompensatorische Rechtsanwendung” vgl. weiterhin W. Hoffmann-Riem in: ders. (Hrsg.), Bürgernahe Verwaltung, 1979. S. 70 ff.
Vgl. dazu den Kommentar von H.M. Pfarr/K. Bertelsmann, Gleichbehandlungsgesetz. 1989 m.w.N.
BVerfGE 22, 180 (204)
H.P. Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, 1977, 2. Aufl. S. 178
BVerfGE 5, 83 (205)
Zum allerdings nicht verfassungsrechtlich explizierten Zusammenhang von Eigentum und Vertrag vgl. insbesondere die gleichnamige Studie von Knieper, KJ 1977, 147
Zum Charakter des Vertrages als kontradiktorischen Willensverhältnis, der die vorherrschende zeitgenössische Verfassung des Vertrages als Instrument zur Herstellung eines gemeinschaftlichen Nutzens der Vertragspartner widerlegt, vgl. bereits Hegel, Rechtsphilosophie § 72:
“Das Eigentum, von dem die Seite des Daseins oder der Äußerlichkeit nicht mehr nur eine Sache ist, sondern das Moment eines (und hiermit anderen) Willens in sich enthält, kommt durch den Vertrag zustande — als den Prozeß, in welchem der Widerspruch, daß Ich für mich seiender, den anderen willen ausschließender Eigentümer insofern bin und bleibe, als Ich in einem mit dem anderen identischen willen aufhöre, Eigentümer zu sein, sich darstellt und vermittelt.”
I. Kant Metaphysik der Sitten, a.a.O. S. 336 ff.
Zu dieser “unbequemen (die Identität von Recht und Pflicht betonenden) Härte” des Zwanges “Person zu sein” vgl. Suhr, Entfaltung, S. 67
Ebenso Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 2 Rdnr. 53; F. Laufke, Vertragsfreiheit und Grundgesetz, Festschrift Lehmann 1956, S. 156
W. Weber in: Die Grundrechte Bd. 2, 1954, S. 358
Die Ablehnung der grundrechtlichen Garantie der Vertragsfreiheit speist sich aus unterschiedlichen inhaltlichen Quellen. Neben der bereits erwähnten (S. o. Anm. 1) insbesondere durch Peters repräsentierten Meinungsrichtung, die den Anwendungsbereich von Art. 2 I unter Ausschluß der Ökonomie auf die Entfaltung der geistig-kulturellen Persönlichkeit beschränken will, ist die Auffassung von v. Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. 1955, S. 161, 167 ff. (ähnlich Haas, Freie Entfaltung der Persönlichkeit, DöV 1934, 71) anzuführen, die sich maßgeblich darauf stützt, daß Art. 2 I GG als bloßer, keine Grundrechtsverbindlichkeit beanspruchender “Programmsatz” zu betrachten sei.
Im Unterschied zu diesen Positionen verneint H. Huber, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Vertragsfreiheit, 1966, unter Berufung auf den angeblich unzureichenden verfassungsrechtlichen Gehalt einer derartigen Gewährleistung die Garantie der Vertragsfreiheit durch die Vorschrift des Art. 2 I GG, der er jedoch eine prinzipielle Gewährleistung der Privatrechtsordnung entnimmt.
Vom Standpunkt des abwehrtheoretischen Abwehrideals schließlich wendet sich H.H. Klein, Die Teilnahme des Staates am wirtschaftlichen Wettbewerb, 1968, S. 111 verhement gegen die Ableitung “institutioneller Garantien” wie der der Vertragsfreiheit aus den “subjektiven (Grund-)Recbten. (die) allein dazu geeignet und bestimmt (seien), dem Einzelnen eine Sphäre der Freiheit von staatlichem Zugriff zu bewahren”.
Dürig a.a.O.. Rdnr. 53: E.R. Huber, DöV 56, 135
F. Laufke. Vertragsfreiheit und Grundgesetz, Festschrift Lehmann. 1956. S. 145 ff.
L. Raiser. Vertragsfreiheit heute. JZ 1958, 1 ff. (5).
Vgl. insbesondere BVerfGE 8, 274 (328): “Als Ausfluß der allgemeinen Handlungsfreiheit schützt Art. 2 Abs. 1 GG auch die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr, die Vertragsfreiheit, soweit sie nicht durch besondere Grundrechtsbestimmungen gewährleistet” ist (vgl. BVerfGE 6, 32 (41 f)).” Auch in der ständigen Rechtsprechung des BVerwG hat der Grundrechtscharakter der Vertragsfreiheit Anerkennung gefunden, vgl. BVerwGE 1. 321 (323): 2, 114 (115); 2, 118 (120): 3. 237. (242): 4, 332 (336). Aus der Rechtsprechung des BAG stellvertretend BAGE 1, 258. 268 für die Vertragsfreiheit der Tarifvertragsparteten.
Huber DöV 1956, 138
L. Raiser, Vertragsfreiheit heute, JZ 1958, 5
G.W.F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, § 41 ff.
Deshalb greift U. Mückeaberger (Vertrag, in Handlexikon zur Rechtswissenschaft, Hrsg. A. Görlitz 1972. S. 499) zu kurz, wenn er die Abstraktion von den Eigentums- und Distributionsverhältnissen als die charakteristische Gemeinsamkeit bürgerlicher Vertragstheorie angreift. Denn die Abstraktion erfolgt gerade in der Weise, daß die Grundlage der Betätigung des freien Willens als Resultat seiner Exekution auftaucht.
Ehmke a.a.O., S. 32
F. Roscher. Vertragsfreiheit als Verfassungsproblem. 1974, S. 48
Ebenda. S. 111
Ebenda. S. 70
R. Knieper. Selbstbestimmung als Selbstdisziplinierung und Fremdbestimmung, in: ders. Zwang. Vernunft, Freiheit, Studien zur juristischen Konstruktion der bürgerlichen Gesellschaft, 1981, S. 21
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Krölls, A. (1988). Die sozioökonomische Bedeutung der Freiheitsgewährleistung oder: Zum verfassungsrechtlichen Zusammenhang von Freiheit, Gleichheit, Eigentum, Konkurrenz und Vertrag. In: Das Grundgesetz als Verfassung des staatlich organisierten Kapitalismus. Deutscher Universitätsverlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91784-3_2
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