Zusammenfassung
Im folgenden wird der problematische Zustand des Werbewirtschaftssystems erklärt, indem die Interaktionseigenschaften dessen Komponenten (die den Handlungsrollen zugerechneten Handlungen in den Bereichen Produktion, Distribution, Rezeption und Verarbeitung) und die Systemorganisation beschrieben werden. Damit orientiert sich die Analyse an der von Hejl (1992a: 186) skizzierten Systematik von Systemen als „Komponenten plus Organisation“. Unter den Interaktionseigenschaften einer Komponente sind diejenigen Eigenschaften zu verstehen, „…durch die sie an dem Netzwerk von Interaktionen teilnimmt, das als System aufgefaßt wird“(ebd.: 183). Damit läßt sich folgende Frage formulieren: Welche Probleme, verstanden als Interaktionseigenschaften der einzelnen Handlungsrollen, charakterisieren heute im Werbewirtschaftssystem die Komponente »Zahlungen zugerechnete Handlungen«? In der theoretischen Terminologie dieser Arbeit ausgedrückt und präzisiert, konzentriert sich die Beschreibung auf die heutige Spezifik der Handlungen im Werbewirtschaftssystem.
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Literatur
Zur Kritik an diesem infiniten Regreß im Objektbereich der Systemtheorie s. Jäger (1994:8).
„Ego muß erwarten können, was Alter von ihm erwartet, um sein eigenes Erwarten und Verhalten mit den Erwartungen des anderen abstimmen zu können.“(Luhmann 1991: 412)
Diese Aussage muß etwas eingeschränkt werden. Es ist üblich, daß der Name der Werbeagentur, die z.B. eine Anzeige für eine Unternehmung entworfen hat, in einer kleinen Schriftgröße am Rand der Anzeige vermerkt ist. Inwiefern jedoch der Konsument diesen Namen wahrnimmt, sei dahingestellt.
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Die Strategien, die seitens der Agenturen eingesetzt werden, um dem gegenzusteuern, bewegen sich in dem Feld, das durch die Pole offensiv: die Agenturen selektieren, welche Unternehmungen sie als Kunde akzeptieren/defensiv: die Agenturen operieren nach dem Prinzip der Prostitution, aufgespannt wird.
Diese Eigenschaften können als die Kategorien aufgefaßt werden, die in der werbetheoretischen Literatur unter’außerökonomischen Zielsetzungen’ aufgeführt werden (s. grundlegend Anton 1972).
S. auch w&v (1994, Nr. 27: 70): „Erfolgsbeteiligung — Das Provisionsmodell hat ausgedient“.
S. z.B. Kreutz (1992:14), geschäftsführender Gesellschafter der Werbeagentur Kreutz & Partner, bzgl. des Effies als dem Preis, der für nachweislich ökonomisch effiziente Werbung vergeben wird: „Die Feststellung von Effizienz ist nicht Sache eines gruppendynamischen Prozesses, wie er im kontroversen Gremium einer Jury stattzufinden pflegt… Der Effie verschafft sich nur dann ein glaubwürdiges, eigenständiges und ernstzunehmendes Profil, wenn er bloße Zahlen sprechen läßt anstelle eines Sammelsuriums aus Marktrealitäten, Untersuchungsergebnissen und Einschätzungen aus der Tiefe des Gemüts der Jurymitglieder.“(ebd.)
Z.B. das von Kroeber-Riel entwickelte System CAAS (Computer Aided Advertising System): Die’Wirkung’ (z.B.) einer Anzeige wird durch eine Reihe vom Rezipienten zu beantwortender Fragen ermittelt, die von einem Computer gestellt werden. Das Ergebnis wird als Expertise ausgedruckt und beansprucht, die Wirksamkeit von Werbemitteln nachzuweisen (s. auch w&v 1994, Nr. 37:126f.).
Z.B. das momentan heftig diskutierte STAS-Potential (Short Term Advertising Strength): Das von Jones entwickelte Instrument „…ermittelt die Differenz zwischen den Käufen einer bestimmten Marke durch Haushalte, die in den letzten sieben Tagen vor dem Kauf keine Werbung für die betreffende Marke gesehen haben, und den Haushalten, die in den letzten sieben Tagen vor dem Kaufakt Werbung für die betreffende Marke gesehen haben. Der Unterschied zwischen den beiden Werten ist das STAS-Potential“(w&v 1994, Nr. 44a: 125; s. auch w&v 1995, Nr. 13:92f.).
Z.B. „Disruption“von der Agentur BDDP, „Brand Asset“von Young & Rubicam oder die „Marken-Potential-Analyse“von der Agentur Grey (s. die Übersicht in w&v 1994, Nr.41:70f.).
„Der strategisch wenig ausgewiesene Hotshop ist out“resümiert auch w&v (1994, Nr. 25:6).
Werbewirkung wird in diesem Modell anhand der Kontakthäufigkeit und der Kontaktqualität (z.B. Erinnerungswert („recall“) definiert.
Damit ist nicht gesagt, daß Werbung nicht wirkt. Jedoch wird man Heller (1984: 12) zustimmen können, die den berühmten, vermutlich von Henry Ford I stammenden Ausspruch: „Die Hälfte des Geldes, das für Werbung ausgegeben wird, ist zum Fenster hinausgeworfen — unklar ist nur, welche Hälfte es ist“, kommentiert mit: „Man kann heute davon ausgehen, daß mindestens Dreiviertel der Werbeetats ausgegeben werden, ohne Erfolg einzubringen“(ebd.).
Man denke im Vergleich an die strikt systemfunktionalen kommunikativen Produktionshandlungen des Rechts- oder Gesundheitssystems.
Es wird hier bewußt nicht von „Kreativität“gesprochen. Eine Diskussion zum Stand der Kreativitätsforschung würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Zumal Wermke (1989: 30) nach der Sichtung der Literatur zum Phänomen Kreativität feststellt, daß „…sich unverkennbar die Tendenz zur tautologischen Definition nach dem Muster [zeigt]: Kreativ ist eine Person, die sich durch kreative Produkte ausweist, die ihrerseits das Ergebnis kreativer Prozesse sind, die wiederum die Kreativität der Person voraussetzen“(ebd.; s. auch Blamberger 1991, Gumbrecht 1988). Die fehlende Eindeutigkeit des Kreativitätsbegriffs wird auch von Autoren festgestellt, die spezifisch den Zusammenhang von Kreativität und Werbung thematisieren (s. Baacke et al. 1993:47f.). Hinzu kommen die äußerst divergierenden Vorstellungen von Kreativität, die die’Kreativen’ der Werbeagenturen innehaben (s. Nerdinger 1990:137f.).
Dies könnte auch als Indiz für die Karriere der Trendbeobachtung gelten (s. Exkurs in Teil 1).
„Die Leute sollen auf den Events keine Werbung machen, sondern das kommunizieren, was ihnen im Moment wichtig ist.“(Zitat aus einem Gespräch mit C. Mayer, für die Chesterfield-Kampagne zuständiger Creative Group Head der Agentur Michael Conrad & Leo Burnett) In dieselbe Richtung zielt eine Idee, die an der Akademie der Künste in Berlin im Rahmen der 6. Sommerakademie zum Thema „Die Kunst des Werbens“geboren wurde. Unterschiedliche Arbeitsgruppen befaßten sich mit der Weiterentwicklung der „Absolut-Vodka“-Kampagne. Die Idee, über deren Realisation jetzt nachgedacht wird, ist ein „Huckepack-System“mit dem Namen »Flaschenpost«: „Die Flasche wird zu einer Art Litfaßsäule für viele gesellschaftliche Stömungen. Als Printmotiv reproduziert, könnten Zitate, Reportagen oder technische Innovationen transportiert werden“(w&v 1995, Nr. 30:83).
Mit der Börseneinführung der Deutschen Telekom AG im Jahre 1996 ist der Online-Dienst »T-Online« nicht mehr als staatlich organisiert aufzufassen.
Darauf wird ausführlich im Kontext der Besprechung des Handlungsbereichs der Rezeption (Teil 2, Kap. 3.3) eingegangen.
Der Begriff des „Zielgruppenprogramms“fokussiert auf den Zuschauer, der des „Spartenprogramms“auf das inhaltliche Angebot (s. Stolte 1992: 51 f.).
Einer Umfrage des Gesamtverbandes der Werbeagenturen (GWA) zufolge sprechen sich 81% der Agenturleiter für kürzere Werbeblöcke im Fernsehen aus; jeder zweite Befragte lehnt sogar kategorisch Unterbrecherwerbung ab (s. Horizont 1995, Nr. 28:4). Die These des Akzeptanzverlustes der Werbung wird — zumindest was das Medium Fernsehen angeht — im Werbewirtschaftssystem nicht mehr nur von den Konsumenten akzeptiert.
„Die Kosten für die Einschaltung einer… Werbemaßnahme werden in Beziehung gesetzt zu der Gesamtmenge der erzielten Leistungen und mit dem Faktor 1000 multipliziert. Das Ergebnis ist der Preis, der für die Erreichung von 1000 Leistungseinheiten (verkaufte Exemplare, erreichte Personen, Kontakte usw.) zu zahlen wäre.“(Rogge 1990:194)
Auf diese Sonderwerbeformen wird ausführlich in Teil 2, Kap. 4.3 eingegangen.
Die CD-Technik bietet bereits heute mit der CD-ROM-Plattform vielfältige Möglichkeiten für den Einsatz in Werbung und Marketing: 1. Entwicklung einer eigenen Produkt- bzw. Marken-CD-ROM; 2. Gemeinsame Entwicklung einer CD-ROM von unterschiedlichen Werbungtreibenden/Marken zum Aufbau und zur Nutzung von Themensynergien in der Kommunikation sowie für „Cross Selling“(z.B. Peugeot und Côte d’Azur-Reiseführer auf der „Peugeot Avenue“-CD-ROM); 3. Einsatz im Handel (POS) und an Informationspunkten (POI); 4. Werberaum auf a) Digizines/ROMzines (elektronische Zeitschriften, z.B.: BRD:’Radar’, USA:’Medio’,’Launch’, GB:’Unzip’); b) Software-Freischalt-CDs; c) Mixed-Mode-CDs (herkömmliche Musik-CDs mit zusätzlichem Datenteil); 5. Sponsoring-Möglichkeiten auf Digizines/ROMzines, Freischalt- und Spiele-CD-ROM (s. input 1995, No. 3:11).
Der Begriff des „Surfens“, der im Zusammenhang mit Online-Kommunikation gerne zur Beschreibung der Handlung des Rezipienten/users benutzt wird, bringt dies genau auf den Punkt.
S. darüber hinaus auch die empirischen Arbeiten zur Lebensstilforschung (z.B. M. Vester et al. 1993, Klocke 1993).
Würde man strikt der Luhmannschen Systemtheorie folgen, ist dieser Begriff nicht haltbar: Gesellschaft ist Kommunikation.
S. auch Elias (1987: 210), der den Zusammenhang von Individuum und Gesellschaft treffend mit „Ich-Identität“und „Wir-Identität“beschreibt.
In seiner allgemeinen Form konzipiert Schulze (ebd.: 44f.) den Erlebnisbegriff von einem konstruktivistischen Standort aus nicht als einen äußeren Eindruck, sondern als einen verarbeitenden Vorgang des Individuums. Erlebnisse haben als solche eine psy-chophysische Qualität und werden über die drei Elemente: Subjektbestimmtheit, Reflexion und Unwillkürlichkeit verarbeitend vom Individuum geschaffen (s. auch ebd.: 735). S. in diesem Zusammenhang auch die Differenzierung zwischen Erleben und Handeln bei Luhmann (1991d), der mit „erleben“die von einem Beobachter vorgenommene Zurechnung des Systemverhaltens auf dessen Umwelt bezeichnet. „Handeln“hingegen bezieht sich auf die Zurechnung des Systemverhaltens auf dieses System selbst.
Ästhetisierung meint hier im Sinne von Schulze (1993: 16) das Herrichten von Produkten für Erlebniszwecke.
In vielen Kommunikationsstrategien der Werbeagenturen kommt der Zielsetzung der Identifikation der jeweiligen produktrelevanten opinion leaders oberste Priorität zu.
Zu den Organisationen s. die Übersicht in: Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (1994: 345t).
Jeden Monat wird in vielen Werbeagenturen ein agenturspezifischer Pressespiegel zusammengestellt, der die Artikel mit Namensnennung der jeweilgen Agentur enthält.
Obwohl als Komponenten des Werbewirtschaftssystems auch Medienangebote, kognitive Systeme und kollektives Wissen definiert wurden (s. Teil 2, Kap. 1.), kann aus empirischen Gründen für die Bestimmung der Systemorganisation aller sozialen Systeme nur die den Handlungsrollen zurechenbare Komponentenklasse der kommunikativen Handlungen in Frage kommen. Nur über diese realisieren sich Interaktionen in Systemen.
Deren Werbemittel entstehen auf sogenannten’creative parties’ in direkter Interaktion zwischen Werbeagentur und Konsument. Sie müssen aber anschließend auch massenmedial distribuiert werden, wenn es werbliche Medienangebote sein sollen.
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Tropp, J. (1997). Die Problematik des heutigen Werbewirtschaftssystems. In: Die Verfremdung der Werbung. Studien zur Kommunikationswissenschaft, vol 25. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91667-9_10
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