Zusammenfassung
Versteht man unter “Erwägen” das Bedenken von Alternativen zu einem Problem, bevor man sich für eine Lösung entscheidet, so könnte man meinen, daß Wissenschaft ein Ort ist, wo Erwägen einen hohen Stellenwert besitzen müßte. Denn vertritt Wissenschaft nicht den Anspruch, bestmögliche Begründungen für Lösungen zu suchen? Hat so gesehen die Bestimmung einer Lösung als die vorerst richtige oder beste nicht zur Voraussetzung, daß die jeweiligen Erwägungsalternativen zu einem Problem bekannt und angebbar sind?
Die Forschungen zu diesem Thema wurden durch das Heinz Nixdorf Institut Paderborn ermöglicht, das derzeit die Forschungsredaktion der Zeitschrift “Streitforum für Erwägungskultur ETHIK UND SOZIALWISSENSCHAFTEN (EuS)” fördert.
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Anmerkungen
Welche Möglichkeiten etwa der Verbesserung von Theoretisierungsniveaus in den Sozialwissenschaften nicht genutzt werden, weil es kaum eine auf Vollständigkeit angelegte Begriffsbildung durch (problemrelatives) vollständiges Erwägen von qualitativen Alternativen gibt, wird in dem Aufsatz “Ideen zur Erhöhung des Theoretisierungsniveaus in den Sozialwissenschaften” von Rainer Greshoff und Werner Loh deutlich (Österreichische Zeitschrift für Soziologie 12(1987): 31–47; wiederabgedruckt in diesem Buch).
Das“Streitforum für Erwägungskultur ETHIK UND SOZIAL WISSENSCHAIF-1’EN(EuS)” intendiert nicht nur eine Diskussionszeitschrift wie etwa “(The) Behavioral and Brain Sciences” zu sein, sondern es will darüberhinaus Regeln für den Umgang mit jeweiliger Vielfalt erforschen helfen. Hierfür sollen neue Diskussionsformen erprobt werden und es wurde eine eigene Instanz für Erwägungsforschung, »Metakritik« genannt, institutionalisiert. Insofern ist EuS nicht bloße Zeitschrift, sondern selbst als Forschungsprojekt zu verstehen.
Was man jeweils “Alternative” nennen will und wie diese (problemrelativ) adäquat und vollständig erwogen werden können, müßte genauer und möglichst ebenfalls unter Berücksichtigung von Alternativen bestimmt werden. Vergleichende Begriffssortierungen nach Abstraktionsstufen sowie (problemrelative) Vollständigkeit durch Kombinatorik (etwa Kombination von Merkmalen nach ihrem jeweiligen Vorliegen oder Nicht-Vorliegen) sind zwei Vorgehensweisen bei der Erarbeitung von Erwägungsforschungsständen. Wie kombinierendes Erwägen Subjektivität entfalten und Emanzipation ermöglichen sowie zugleich zu “höherer Objektivität” beitragen kann, zeigt Gabriele Gutzmann in ihrem Aufsatz: “Kombinatorisches Philosophieren und Emanzipation”. In: Manon Maren-Grisebach/Ursula Menzer (Hg.): Philosophinnen. Von Wegen ins 3. Jahrtausend. Jahrbuch 1 der Internationalen Assoziation von Philosophinnen e. V. Mainz 1982: 57–84.
Siehe zum Beispiel: Herta Nagl-Docekal: Von der feministischen Transformation der Philosophie. Ethik und Sozialwissenschaften 3(1992): 528, Nr. ((36)).
Ulla Bock: Androgynie und Feminismus. Frauenbewegung zwischen Institution und Utopie. Weinheim/Basel 1988: 66.
Cornelia Klinger: Das Bild der Frau in der Philosophie und die Reflexion von Frauen auf die Philosophie. In: Karin Hausen/Helga Nowotny ( Hg. ): Wie männlich ist die Wissenschaft? Frankfurt am Main 1986: 81.
Elisabeth List: Mythos, B iologie, Politik. Feministische Ideologiekritik und Weltanschauungsanalyse. In: Kurt Salainun (Hg.): Aufklärungsperspektiven. Weltanschauungsanalyse und Ideologiekritik. Tübingen 1989: 178.
Ruth Großmaß/Christiane Schmerl (Hg.): Feministischer Kompaß, patriarchales Gepäck. Kritik konservativer Anteile in neueren feministischen Theorien. Frankfurt a. M./New York 1989: 249.
Eine solche Erwägungsmentalität könnte vielleicht durch ein Konzept einer Identität des distanzfähigen Engagements beschrieben werden. Siehe hierzu: Bettina Blanck: Programmatisches Nachwort zur 2. Auflage: Therapeutische Möglichkeiten einer Philosophie des distanzfähigen Engagements. In: dies.: Bettina Blanck: Magersucht in der Literatur. Zur Problematik weiblicher Identitätsfindung. Frankfurt (Main) 1988.
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Blanck, B. (1994). Zum Konzept von Erwägungsforschungen für »nicht-patriarchale« Wissenschaften. In: Alternativer Umgang mit Alternativen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91654-9_5
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