Zusammenfassung
Dieser Zeitungsbericht ist erfunden, für die Bundesrepublik ist eine solche Situation noch Utopie. In den USA gab es solche Berichte und entsprechende Aktivitäten bereits vor Jahren. Akteneinsichtsrechte für Arbeiter und Anwohner gibt es inzwischen in einer Reihe von Städten und Einzelstaaten der USA. Am 29.8.1983 wurde z.B. der republikanische Gouverneur von New Jersey erfolgreich gezwungen, ein solches Gesetz zu unterzeichnen (vgl. S. 51 f). Nach Erfolgen in zahlreichen anderen Einzelstaaten wurde 1986 auch auf der bundesstaatlichen Ebene ein spezielles Einsichtsrecht für gefährliche Chemikalien durchgesetzt. Wieso schaffen es Umwelt- und Gesundheitsschützer in den USA, inmitten eines mehrheitlich konservativen politischen Klimas, derartige Bewegungen aufzubauen und diese zu einem Erfolg zu bringen? Und wieso ist ausgerechnet das Gesundheitsmotiv für viele Gruppen dort ein so wichtiger Punkt ihrer Arbeit?
Die ungewöhnliche Zusammenarbeit hat sich bewährt, erklärten gestern die DGB-Chefin Grete Schmal und der Umweltschützer Alfons Huber, die gleichberechtigten Sprecher des bisher breitesten Bündnisses von Umwelt-, Verbraucher- und Gesundheitsinitiativen im Freistaat Bayern. Anläßlich der Unterzeichnung des „Akteneinsichtsrechts für Arbeiter und Anwohner in Sachen Umwelt und Schadstoffe im Arbeitsbereich“ (AktEUSA) äußerte die bayrische Ministerpräsidentin EJ.Bäurnier zwar Sorgen ob des Schutzes des Betriebsgeheimnisses, machte sich aber gleichzeitig zur Fürsprecherin des neuen Gesetzeswerkes und schloß sich den Aussagen des Bündnisses an: „Wir Bayern haben ein Recht darauf, als Anwohner oder Arbeiter in einem Betrieb zu erfahren, mit was für gefährlichen Stoffen wir umgehen bzw. in unserer Nähe umgegangen wird . Schließlich träfe uns ja auch ein eventueller Schaden.“
Kernpunkt des neuen Gesetzes ist neben einer verschärften Kennzeichnungspflicht für Chemikalien am Arbeitsplatz die Möglichkeit für alle Bewohner unseres Bundeslandes, Einsicht in die Unterlagen der Gewerbeaufsichtsämter und der mit Umwelt- und Gesundheitsschutz befaßten Behörden zu nehmen . Mit der Verabschiedung des Gesetzes reagierte die Landesregierung auf den unverhältnismäßig starken Druck, der durch das „Aktionsbündnis wider die schleichende Vergiftung — Gesundheitsschutz durch Akteneinsicht“ in den letzten Monaten erzeugt worden war (wir berichteten wiederholt). Gewerkschafter, Feuerwehrleute, Umwelt- und Naturschutzorganisationen, Kirchen, die neue Führung des Bauernverbandes, die .Aktionsgruppen Direkte Demokratie“, Ärztekammer, Gesundheitsselbsthilfegruppen U.V.a. hatten sich daran beteiligt. Letztendlich entscheidend waren die großen Flugblatt-Aktionen um den 1. Mai herum in den Wahlkreisen („Aufwelcher Seite steht Ihr Abgeordneter, auf der Seite Ihrer Gesundheit oder der Seite der Industrie?“). Kurz vor den Landtagswahien wollten sich offensichtlich die Abgeordneten der Mehrheitspartei nicht als industriehörig gebrandmarkt sehen . Vertreterinnen des Bündnisses wiesen darauf hin, daß sie zwar sehr erfreut wären, daß Ihr Gesetzestext angenommen wurde, daß sie aber gleichwohl auch die Einhaltung des Gesetzes überprüfen wollten. Weitere Aktivitäten zum Schutz der Gesundheit der bayrischen Bevölkerung seien geplant.
(Münchner Allgemeine Zeitung, 29.8.1995)
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Hildebrandt, H. (1992). Einführung. In: Gesundheitsbewegungen in den USA. Reihe „Perspektiven der Sozialpolitik“, vol 5. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-91413-2_1
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